Leinen Los! - Ableger

[Tjeika]

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Am Hafen von Lübeck
3. Juli 1517, mittags
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"Kara, komm' sofort da runter", rief Andres erneut und voller Wut.
"Du kleines Biest", knurrte er, ehe er sich daran machte, den Mast zu erklimmen.
Kara bekam große Augen. Das war sicherlich keine gute Idee. Sie sah den Mast gedanklich schon brechen.
"He, Andres, spinnst du?", rief Stian, ein Mann, der aus Kristiana stammte und schon seit drei Jahren hier mit an Bord war.
Kurz glitt Karas Blick über die Männer, die unten arbeiteten. Dann kletterte sie an der anderen Seite herunter, wo Andres sie nicht sehen konnte und beeilte sich, dort wegzukommen. Die Kisten schienen ihr perfekt zu sein, um sich zu verstecken. Dass diese gerade entladen werden sollten, kam ihr gar nicht in den Sinn. So hockte sie sich hinter eine der Kiste, gerade noch rechtzeitig, wie es schien, denn Andres schien ihren Trick bemerkt zu haben und rannte nun wutentbrannt über das Oberdeck. Der Junge, den ihr Vater gerade eingestellt hatte, stand keine zwei Meter neben ihr. Kara blickte ihn an und legte die Finger auf die Lippen, als Zeichen, er solle sie nicht verraten.

[Ayrina]

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Am Hafen von Lübeck
3. Juli 1517, mittags
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John hatte das Schauspiel einen Moment mit gerunzelter Stirn verfolgt, als der Junge auch schon neben hinter einer Kiste verschwand. Kurz sah John zu ihm und dann wieder auf. Der Stoffballen auf seiner Schulter wurde langsam schwer, als auch schon Andres auf ihn zukam.
"Hast du dieses verzogene Balg gesehen?", fuhr er ihn an und schien tatsächlich wütend zu sein. John ließ sich davon allerdings nicht einschüchtern.
"Ja", sagte er und spürte förmlich, wie das Kind neben ihm sich ein wenig versteifte.
"Er ist eben unter Deck gerannt", sagte er gelassen und verlagerte das Gewicht des Ballens von der linken Schulter auf die rechte.

[Tjeika]

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Am Hafen von Lübeck
3. Juli 1517, mittags
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Kara wartete noch ein paar Sekunden, bis sie sich sicher sein konnte, dass Andres auch schon unter Deck verschwunden war.
Dankbar lächelte sie dem Jungen zu, als sie aufstand und sich einen anderen Stoffballen griff, der neben ihr lag und ebenfalls entladen werden musste.
"Dankeschön", sprach sie grinsend an John gewandt.
"Du raubst Andres irgendwann noch den letzten Nerv", hörte sie Stian lachend sagen, der neben ihr vorbeilief und ihr über den Kopf wuschelte.
"Ich weiß", erwiderte sie grinsend.

[Ayrina]

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Am Hafen von Lübeck
3. Juli 1517, mittags
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"Schon gut", antwortete John mit einem Zwinkern und runzelte dann ein wenig die Stirn. Für einen Jungen, selbst in diesem Alter, war der Sohn des Kapitäns erstaunlich schmächtig. Er sah ihm wieder ins Gesicht.
"Ich bin übrigens John Mors", stellte er sich vor und langsam wurde der Stoffballen verdammt schwer.
"Und wenn ich es mir mit unserem gemeinsamen Freund nicht völlig verscherzen will, sollte ich lieber weiterarbeiten", fügte er grinsend hinzu. Andres würde viel zu schnell feststellen, dass John ihn angelogen hatte.

[Tjeika]

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Am Hafen von Lübeck
3. Juli 1517, mittags
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"Kara Kharecha", stellte sie sich ebenfalls vor und grinste John an.
"Du wirst es dir noch früh genug mit ihm verscherzen, das schafft hier jeder", ergänzte sie grinsend und legte ihren Stoffballen nun ebenfalls auf Johns Schulter, der freien anderen.
"Ich muss das Deck schrubben. Wenn ich jetzt schon anfange, bin ich früher fertig", sagte sie breit grinsend und rannte zurück auf das Schiff.

[Ayrina]

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Am Hafen von Lübeck
3. Juli 1517, mittags
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John hatte sie ein wenig überrascht angestarrt, als sie sich vorgestellt hatte. Ein Mädchen auf einem Piratenschiff? Doch weiter kam er mit seinen Grübeleien nicht, denn plötzlich hatte er zwei Ballen auf den Schultern und ging fast ein wenig in die Knie. Vorsichtig balancierte er sie die Reling hinab und leget sie zu den anderen. Dann ging er zurück und warf einen kurzen Blick auf Kara. Sie hatte tatsächlich angefangen das Deck zu schrubben und auch Andres war inzwischen wieder auf Deck aufgetaucht. Er redete ununterbrochen und wild gestikulierend auf das Mädchen ein und den Blick, den er John zuwarf, konnte man nicht anders als mörderisch bezeichnen.
Doch er wagte nicht, länger rumzustehen, denn auch Kharecha war an Bord und er wollte zumindest am Anfang einen guten Eindruck erwecken.

[Tjeika]

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Am Hafen von Lübeck
3. Juli 1517, Mittag -> Abend
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Kara hatte die folgenden Stunden damit verbracht, das Deck zu schrubben. Als Andres sie wenige Minuten, nachdem sie damit angefangen hatte, gefunden hatte, hatte er ihr eine Standpauke gehalten. John hatte er aufsuchen wollen und ihm ebenfalls eine Standpauke halten, doch Kara hatte nur grinsend gesagt, dass sie ihn gezwungen hätte, zu lügen, weil er sonst Ärger bekommen hätte. Immerhin wäre sie ja die Tochter des Kapitäns. Daraufhin hatte Andres sich schnaubend aus dem Staub gemacht. Kara kannte diese Standpauken schon. Und sie machten ihr nichts aus. Doch sie wollte sie niemandem zumuten, der neu an Bord war und ihr dazu noch geholfen hatte. Sie fand, dass es so nur fair war, wenn man sich gegenseitig half.

Es dämmerte mittlerweile und die India war bereit, wieder abzulegen. Die Männer hatten noch bis Mitternacht Zeit, ihre Freizeit an Land zu genießen. Und Kara hatte nur noch wenige Meter zu schrubben. Bald würde es endlich wieder losgehen, bald würde sie wieder die wundervolle Seeluft atmen können. Sie hasste die Aufenthalte an Land und doch wusste sie, dass sie unumgänglich waren.
In Gedanken versunken schrubbte sie die wenigen Meter, die ihr noch blieben.

[Ayrina]

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Am Hafen von Lübeck
3. Juli 1517, Abend
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Es dämmerte bereits, als Karl und Thomas zurück aufs Schiff kamen. Lachend sahen sie zu Kara, die noch immer das Deck schrubbte.
"Na, wieder nicht auf Papi gehört?", stichelte Karl und Thomas lachte leise. Sie waren gerade mal fünfzehn Jahre alt, hielten sich aber für die Größten, wenn sie die zwei Jahre jüngere Kara ärgern konnten.
John hatte seinen Seesack gerade in die Mannschaftsunterkünfte gebracht und trat nun zurück an Deck. Er runzelte ein wenig die Stirn und trat zu Kara und den beiden Jungen.
"Alles klar?", fragte er und sah zwischen Kara und den beiden hin und her.

[Tjeika]

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Am Hafen von Lübeck
3. Juli 1517, Abend
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Kara blickt auf, als die beiden größten Nervensägen der Mannschaft zu ihr traten. Sie traten mit ihren dreckigen Schuhen genau auf die Stellen des Decks, die Kara schon gesäubert hatte.
"Schert euch zum Teufel", knurrte sie und schrubbte weiter.
Was Anderes blieb ihr ja auch nicht übrig.
"Alles klar?", fragte da eine Stimme und Kara sah auf.
Es war John, der zwischen sie und Karl und Thomas getreten war.
"Ja, alles in Ordnung", sagte sie ernst und abweisend, blickte jedoch nicht auf.
Sie hasste es, um Hilfe zu bitten und sie sah es auch gar nicht ein. Eher ließ sie es über sich ergehen und würde sich dann irgendwann dafür rächen.

[Ayrina]

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Am Hafen von Lübeck
3. Juli 1517, Abend
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John sah nicht zu Kara, sondern unverwandt zu Thomas und Karl. Sie waren einen Kopf kleiner und um einiges schmächtiger als er und auch wenn sie ihm giftige Blicke zuwarfen, wandten sie sich doch wortlos ab und gingen unter Deck. John sah ihnen noch kurz nach, ehe er kurz zu Kara sah, sich neben sie kniete und ihr bei den letzten Metern half. Er zwinkerte ihr zu und konnte sehen, dass sie widersprechen wollte.
"Kann nicht schaden, mich bei Andres etwas im guten Licht darzustellen", sagte er grinsend.