2. Port Soles

[Spikor]

Réigam
Port Soles
Ende Dezember im 145. Jahr des Lichtes
Früher Abend

"Nun, jeder Mensch hat Eigeninteressen, immer. Sicher, sie treten nicht immer in den Vordergrund, aber meistens eben doch. Das ist nicht verwerflich, sondern menschlich. Ich z.B. habe das Eigeninteresse, dass ich nicht mehr in einem Land leben möchte, wie Choma es früher war, zu Zeiten der Bruderschaft. Ich will, wenn ich kann, das Entstehen einer neuen Bruderschaft verhindern, wie auch immer die aussehen mag. Was ich aber nicht einschätzen kann, ist, ob Aceio diese neue Bruderschaft verhindern oder erschaffen will..." erklärte Réigam. "Im ersten Fall würde ich ihm wohl trotz seiner Eigeninteressen helfen, im zweiten Fall ganz sicher nicht."

[Tjeika]

Shaya Kerim & Eskya Zarin
Port Soles
Ende Dezember im 145. Jahr des Lichtes
früher Abend

Eskya warf noch einen letzten Blick zurück, der von der Zufriedenheit sprach, den sie ob des Verlaufs dieses Treffens empfand.
"Einer Frau wie mir gerecht zu werden, ist allerdings ein Kunststück", gab sie selbstbewusst und mit einem Zwinkern zurück, wobei sie aber darauf achtete, dass es nicht ins Arrogante überschwappte.
Immerhin war es nur zu Teilen ernst gemeint, ihr war nach Scherzen.
"Aber das Lokal an den Südklippen ist ein ausgesprochen guter Anfang."

"Im Grunde ist das, was er anstrebt, genau das Richtige. Ich sorge mich nur darum, was daraus möglicherweise resultieren könnte", erklärte Shaya ihre Sorgen offen heraus.
Dass sie auch Réigam so direkt mit ins Vertrauen zog, hatte ja durchaus seine Gründe. Sie wollte wissen, wie er sich in solchen Situationen verhielt.
Seine Einwände bedachte sie mit einem Nicken. Es traf den Nagel auf den Kopf.
"Vielleicht lösen wir diesen Konflikt, indem wir uns für das Erste darauf verlegen, Aceio zu helfen, gleichzeitig aber herauszufinden versuchen, was er eigentlich plant", schlug sie daher vor.

[Cassiopeia]

Toyan Kerim & Aceio
Port Soles
Ende Dezember im 145. Jahr des Lichtes
früher Abend

"Dann braucht Ihr einen Künstler an Eurer Seite", erwiderte Aceio nicht weniger selbstbewusst und führte Eza in Richtung der Klippen im Süden der Stadt. Sie erhoben sich hoch über dem Wasser und waren damals kaum angreifbar gewesen, was auch dem Lokal sein Überleben gesichert hatte.

Toyan nickte zustimmend. Dass Aceio durchaus Pläne hegte, welche eine Neuordnung der Machtverteilung bedeutete, waren Gedanken, die ihm so deutlich noch nicht gekommen waren, die aber nicht von der Hand zu weisen waren.
"Ich sehe es wie Shaya", sagte er schließlich, "meine Gedanken waren ähnlich: helfen wir ihm, unterstützen ihn und versuchen zugleich, mehr zu erfahren über seine wahren Absichten."

[Spikor]

Réigam
Port Soles
Ende Dezember im 145. Jahr des Lichtes
Früher Abend

Réigam zögerte. Er war eigentlich hierher gekommen, um etwas über seinen Bruder zu erfahren, und nun wurde er in eine Geschichte hinein gezogen, die so viel größer war als er selbst. Er war sich nicht sicher, ob er das wirklich wollte, aber er spührte, dass jetzt der letzte Moment war, um noch auszusteigen. Etwas unschlüssig schaute er Shaya und Toyan an. Dann dachte er an Hannós Schicksal und dass er nicht wollte, dass es wieder so wurde wie damals. Und er dachte daran, dass er auch nicht wirklich etwas (oder jemand) hatte, wohin er zurückkehren könnte. Und dann meinte er, dass am Ende schon alles gut ausgehen würde - er war eben ein Optimist!

Und so nickte er beiden zu und sagte, erst zögernd, dann bestimmt: "Ich weiß nicht, wohin es führen wird und ob ich es bereue, aber... vielleicht kann ich auch irgendwie helfen? Ich bin kein Krieger oder so, aber... ich will nicht, dass es eine neue Bruderschaft gibt!"

[Tjeika]

Shaya Kerim & Eskya Zarin
Port Soles
Ende Dezember im 145. Jahr des Lichtes
früher Abend

"Und Ihr wollt behaupten, ein Künstler zu sein?", fragte Eskya schmunzelnd nach und ließ sich durch die engen Gassen von Port Soles führen.
Hier und da hing der Duft von frisch zubereitetem Essen in der Luft, andernorts wollte man die Nase lieber zusperren. Die Klippen der Südstadt waren alsbald zu sehen, da jene erhöht lag. Sogar die Taverne sah man aus der Ferne. Sie war wie stets gut besucht.
"Vielleicht unterstreicht Ihr diese Behauptung, indem Ihr das Kunststück hinbekommt, einen freien Tisch zu ergattern."
Die waren nämlich rar.

Shaya hatte dezent und durchaus erleichtert genickt, als Toyan bekundete, es ähnlich wie sie zu sehen. Dann war ihr gespannter Blick zu Réigam geglitten. Dass er zögerte, konnte sie nur allzu gut nachvollziehen.
"Ihr werdet es nicht bereuen", versicherte sie, "am Ende seid ihr womöglich in aller Munde und die Dirnen der Stadt werden es euch danken."
Es war als Scherz gemeint, damit die Situation ein wenig aufgelockert wurde.

[Spikor]

Réigam
Port Soles
Ende Dezember im 145. Jahr des Lichtes
Früher Abend

Réigam musste lächeln, als Shaya ihm den Dank der Dirnen versprach, und er antwortete verschmitzt:

"Es mag bedeutendere Dinge geben als den Dank der Dirnen, aber sicherlich auch sehr viele, die erheblich weniger angenehm sind."

[Cassiopeia]

Toyan Kerim & Aceio
Port Soles
Ende Dezember im 145. Jahr des Lichtes
früher Abend

Aceio lachte. Er betrat den Laden und überblickte die Tische, die in der Tat alle gut besetzt waren. Alle bis auf einen.
"Seht Ihr den Tisch dort hinten? Er steht am Überhang über die Klippen. Die Leute meiden den Tisch, weil sie fürchten, herunter zu fallen. Ihr habt doch keine Angst vor dem Meer?", fragte er leicht zwinkernd.

"Das werden wir zu verhindern wissen", sagte Toyan. "Das Treffen hier scheint beendet. Suchen wir uns etwas zum überlegen und besprechen. Wir müssen dir eine Menge erklären, fürchte ich." Es wäre nicht fair, Réigam unwissend in Aceios Arme laufen zu lassen.

[Tjeika]

Shaya Kerim & Eskya Zarin
Port Soles
Ende Dezember im 145. Jahr des Lichtes
früher Abend

Eskyas Mundwinkel zuckten. Zur Antwort auf Aceios Frage steuerte sie lediglich den besagten Tisch an, der über den Klippen schwebte und für viele so bedrohlich wirkte.
"Ich habe keine Angst vor dem Meer, weil es mir nichts antun wird", antwortete sie dann doch noch verspätet und setzte sich auf einen der gepolsterten Holzstühle.
Man sah ihnen mit Erstaunen nach, denn das hatte schon lange keiner mehr gewagt.
"Ich nehme an, Ihr könnt eine ganz besondere Spezialität empfehlen?", fragte sie Aceio dann direkt.

Shaya lachte noch etwas über die kleinen Witzeleien zwischen ihr und Réigam, als Toyan sie an die Ernsthaftigkeit dieses Treffens erinnerte.
"Gehen wir zu uns in die Taverne", schlug sie daher vor.
"Dort wird man uns zum Einen zwar vermuten, aber wenn wir woanders hingehen - und ich gehe davon aus, dass Aceio uns beobachten lässt - dann wird er erst Recht Verdacht schöpfen."

[Spikor]

Réigam
Port Soles
Ende Dezember im 145. Jahr des Lichtes
Früher Abend

Als Toyan meinte, dass er Réigam einiges erklären müsste, fragte dieser unwillkürlich: "Über die Dirnen?" Shayas Aussage, dass sie nicht Aceios Verdacht erregen wollten, ließ ihn aber sofort wieder Ernst werden und er sagte: "Moment mal, ich dachte, er wäre euer Freund? Wieso wollt ihr euch dann vor ihm verstecken?"

[Cassiopeia]

Toyan Kerim & Aceio
Port Soles
Ende Dezember im 145. Jahr des Lichtes
früher Abend

Toyan holte etwas angespannt Luft, entließ sie aber sogleich wieder. Wenn Shaya Recht behielt mit ihrer Vermutung, dass Aceio sie beobachten ließ, war er längste Zeit ihr Freund gewesen.
"Das ist... etwas kompliziert", sagte er zögernd. "Gehen wir. Wir sollten nicht hier darüber sprechen." Schließlich waren sie hier alles andere als allein.
"Aceio hat viele Gesichter", sagte er, als sie in die kalte Luft hinaus traten. "Er ist kein einfacher Magier. Er hat einen Plan, den er Jahrhunderte entwickelt hat. Ja, wir sind ihm gefolgt und tun es wieder. Aber wir vertrauen ihm nicht bedingungslos. Das solltest du auch nicht tun."
Womit er Réigam direkt das Du anbot. Die höfliche Anrede wurde langsam umständlich und überflüssig.

Aceio blickte amüsiert zu Eza. Sie war eine starke Frau. Er setzte sich ihr gegenüber, spürte beinahe den Sog des Meeres draußen.
"Das wird es nicht", bestätigte er leise. Er war das Meer. Es würde ihr mit Sicherheit nichts antun.
"Nun, die Seezunge ist ausgezeichnet. Ebenso der Klippenbarsch. Er wird mit Miesmuscheln gereicht, die direkt hier von den Kippen stammen", erklärte er ohne den Blick von ihr zu wenden.