@Ria: vielen lieben Dank!

Es freut mich sehr, dass dir der Teil gefallen hat, gerade weil er so düster war (und, weil es Remus war^^). Remus ist für mich eine besondere Person und trotzdem ein unersetzbarer Teil der Rumtreiber *g* Auch seine Beziehung zu Poppy finde ich spannend, die sie ihn noch einmal von einer ganz anderen Seite kennen lernt. Also kann ich dir hier nur ein letztes Mal viel Spaß wünschen und danke für deine Reviews
Dieser Teil geht über Sirius und ich komme auch hier um ein paar einleitenden Worte nicht herum:
1) Der ganze OS ist etwas seltsam geworden. Er umfasst eine verhältnismäßig lange Zeitspanne: Oktober '79 bis September '81. In dieser Zeit ist eine Menge passiert, schöne und weniger schöne Dinge und ich habe versucht, so viel wie möglich einzubauen. Doch auch ich kann nicht an alles denken. Aber ich habe versucht, mich in die Kriegszeit von damals hinein zu versetzen - und deswegen ist dieser OS anders, als die vorherigen. Was im letzten Remus-OS den Anfang nahm, findet hier nun seinen Höhepunkt. Stellt euch also auf eine sehr düstere Stimmung ein... .
2) Ich sagte bereits, dass in jener Zeit eine Menge passierte - ich möchte trotzdem nicht, dass euch gewisse Geschehnisse hier wie eingeworfen vorkommen. Ich wollte damit zeigen, dass in solchen Zeiten oft so viel auf einmal passiert, dass das einzelne Ereignis an Bedeutung verliert und zuweilen ganz untergeht... .
3). Wieder einmal ein Hinweis zu der Länge: 15 Seiten. Also nichts zum Ich-schau-Mal-eben-rein Lesen. Dazu ist der Inhalt wohl auch etwas zu komprimiert...
4) Der letzte Satz ist nicht von mir, sondern aus der Roten Zora und lautet im Original: "Die Uskoken sind tot! Es leben die Uskoken!"
Damit entlasse ich euch in meinen letzten Teil des Vierteilers, lieben Dank und bis bald *g*
Eure Cas
(4) Das Zehnte Jahr: Sirius
I know not how she found me, for in darkness I was walking.
And destruction lay around me from a fight I could not win.
Lady in Black - Uriah Heep
Die Nacht war schon beinahe rum, als zwei erschöpfte Gestalten den Weg in ihre Betten fanden. Möglichst ohne Lily zu wecken, legte James sich neben seine Freundin, küsste ihre Schläfe und legte seinen Arm um sie, in welchen sie sich sofort kuschelte.
Es war alles gut, er war wieder zu hause. Alles andere konnte bis morgen warten.
Sirius hingegen lag noch lange wach. Obwohl seine Augen brannten und ihm jeder Muskel in seinem Körper vor Erschöpfung weh tat, konnte er nicht schlafen. Nicht nach der letzten Nacht. Dafür war zu viel passiert, zu viel, was er einfach nicht begreifen konnte und auch nicht wollte, zu viel, das ihm den Schlaf nahm und die Kraft, einfach los zu lassen. Unruhig drehte er sich von einer Seite auf die andere, starrte für Stunden an die leere Zimmerdecke. Es half nichts, die Bilder blieben in seinem Kopf, die Schreie in seinen Ohren.
Als der Wecker schließlich 8:30 zeigte, gab Sirius es auf und erhob sich aus dem Bett. Schlurfte in die kleine Küche des Appartements und goss sich einen Becher Schwarztee vom Vortag ein, er war kalt und schal. Er setzte die Tasse auf dem Tisch ab und hoffte, dass er durch eine Dusche vielleicht munterer würde.
Doch nach fünf Minuten kalten Wassers gab er auf, trat vor den Spiegel und wandte den Blick schnell wieder ab. Der junge, hagere Mann mit den dunklen Augen, matt-schwarzen Haaren und blasser Haut war ihm regelrecht unheimlich. Die tiefen Augenringe und die nicht übersehbare Erschöpfung verliehen ihm jedoch beinahe etwas Trauriges und Sirius war kurz davor zu glauben, dass der Spiegel ihm ein fremdes Gesicht zeigte, hätte er nicht gewusst, dass es ein ganz normaler Muggelspiegel war, der wirklich nur das zeigte, was vor ihm stand.
Zwar nun sauber, aber weder erfrischt, noch in irgendeiner Art und Weise wach, ging er zurück in die Küche und nahm den Brief in Empfang, den ein ungeduldiger Kauz ihm überreichte. James' Kauz, wie er sehr schnell erkannte, es wunderte ihn nicht, im Gegenteil, er hatte beinahe mit einem Brief seines Freundes gerechnet.
Er ließ sich auf einen Küchenstuhl plumpsen, während er die handgekritzelten Zeilen las und schob dem Vogel seine Cornflakesschüssel zu. Er hatte keinen Hunger, schon lange nicht mehr.
Mechanisch erhob er sich, suchte sich ein paar Sachen aus dem Kleiderhaufen, die hoffentlich irgendwie zu einander passten und sprach ein, zwei Sicherungszauber, ehe er disapparierte und an dem geheimen Ort wieder auftauchte, den James in dem Brief angegeben hatte.
Viele waren noch nicht da, Dumbledore stand mit Hagrid und Mad Eye in einer Ecke. An einem Tisch saßen Lily und James, letzterer blickte auf, als er seinen Freund erkannte.
„Hey“, kam die schlichte Begrüßung, gefolgt von einer kurzen Umarmung, die mehr beinhaltete als Worte sagen konnten.
Sirius antwortete nicht, sondern nickte nur, ein trauriger Blick in James' Augen und jener wusste bescheid. Hatte sehr wohl das stumme Flehen, beinahe Schreien wahrgenommen, der Ausdruck in Sirius' Augen, der ihm klar gemacht hatte, wie es um seinen besten Freund stand.
Sirius begrüßte auch Lily mit einer stummen Umarmung, welche James über Sirius' Schulter hinweg einen sorgenvollen Blick zuwarf. Doch James schüttelte unmerklich den Kopf und Lily verstand.
Nach und nach fand sich der Orden ein, ein an diesem Morgen mürrischer Haufen, jedoch noch nicht ganz kampflos. Viele hatten nach der letzten Nacht neuen Mut gefasst und schmiedeten bereits Pläne über das Ende des Krieges… .
„Also, wenn alle da sind, lasst uns bitte beginnen“, erklang die Stimme Albus Dumbledores, schlagartig verstummten die Gespräche. „Gestern Nacht konnten wir eine Bande Todesser ausfindig machen, einer von ihnen wurde getötet. Evan Rosier… der Mörder von Jean Adams. Seine Leiche wird dem Ministerium zur Stunde übergeben.“
Sirius starrte blank auf seine Hände, die zitterten, der Schweiß brach ihm aus. Er versuchte, seinen Atem ruhig zu halten und verkrampfte sich dabei immer heftiger, die Stimme Dumbledores hörte er schon lange nicht mehr. Er versuchte, das Bild der lachenden Jean fest zu halten, sie durfte einfach nicht tot sein, alles, nur das nicht. Es aus dem Mund eines anderen zu hören war weitaus grausamer, als er gedacht hatte.
Doch sie war tot, seit zwei Monaten. Und Sirius wusste, er konnte den Schmerz nicht ertragen, wenn er ihn zuließe. Doch in diesem Moment überschwemmte er ihn gerade zu, erdrückte ihn wie eine Lawine und Sirius kam nicht dagegen an. Er sah nicht, wie Dumbledore sich unterbrach, wie einige der Anwesenden erschreckt aufsahen, wie James immer wieder versuchte, seine Aufmerksamkeit zu erlangen und ihn schüttelte oder wie Remus alarmiert aufsprang.
Nur langsam drang James' Stimme zu ihm durch, die warme Hand auf seinem Rücken, die ihm Sicherheit versprach, die braunen Augen, die ihn freundschaftlich ansahen und durch die Brillengläser leicht vergrößert wurden… diese lähmende Stille.
Er schluckte und sah James hilflos an, welcher ihn wortlos hochzog.
„Komm“, sagte er nur leise und lotste ihn aus dem Raum, ohne auf die Blicke der anderen zu achten. Erst, als die schwere Eichentür hinter ihnen zu fiel, wagte Sirius es wieder, zu atmen.
„Geht es wieder?“, fragte James leise und sah ihn ruhig an. Doch Sirius hatte die Augen geschlossen und lehnte mit dem Rücken an der Holztür, durch welche gedämpft die Stimmen der restlichen Mitglieder des Phönixordens zu hören waren, sein Kopf sank ebenfalls nach hinten gegen das schwere Holz.
„Scheiße“, murmelte er nur und schluckte, sein Herz schlug schmerzhaft hart in seiner Brust, als hätte es Mühe, nicht auseinander zu brechen.
„Mann, ich hab dir doch gesagt, du sollst nicht kommen, Tatze. Du bist völlig fertig - “
„Mir geht es gut.“
„—eine Mütze voll Schlaf täte dir auch mal wieder gut - “
„Schlaf? Was ist das?“
„ - und etwas Essen würde ebenfalls auch nicht schaden - “
„Pfft.“
Sirius schnaubte nur. Sicher, er war dankbar für James' Unterstützung, aber wenn er eines nicht ab konnte, war es Mitleid. Und von dieser Stufe war James nicht mehr viel entfernt.
„Nein Alter, das ist kein Mitleid“, sprach James seine Gedanken aus, als wüsste er genau, was in Sirius vor ging. „Ich mach mir Sorgen um dich, Mann. Jeans Tod war für uns alle ein Schlag, aber dich hat es härtesten getroffen. Du hast sie geliebt und wehe, du sagst jetzt etwas dagegen, Sirius Black.“
James' Augen waren eine Nuance härter und gleichzeitig weicher geworden, Sirius dagegen taumelte. Krallte sich an den Türgriff, auf eine solche Konfrontation war er nicht gefasst gewesen, nicht so. Nicht jetzt.
In seinem Kopf drehte sich alles unbeirrbar, Farben lösten sich auf und formten ein Gesicht,
ihr Gesicht. Er keuchte, meinte, sein Herz müsste platzen vor Pein und riss dabei den Griff aus der Verankerung der Tür.
Er, Jean lieben?
Die Frage war nicht so sehr, ob es Jean war, sondern, dass es
Liebe war, die er empfand. Er war der festen Überzeugung gewesen, dass ein Black nicht liebte, niemals.
Doch die Erkenntnis, dass er es doch konnte, raubte ihm beinahe den Atem, alles zog sich zusammen, presste die Luft aus seinen Lungen, das Blut aus seinen Adern.
„Du weißt, dass ich recht habe, Tatze“, murmelte James, ohne seinen Freund aus den Augen zu lassen. Sirius sagte noch immer nichts, Tränen brannten in seinen Augen. Seine Hände hatten den Weg in seine Haare gefunden, rissen unsanft daran als Ventil für den Inneren Schmerz.
Schließlich fasste Sirius sich so weit, dass er schlucken konnte und die Tränen weg blinzelte.
„Ich… ich hatte nur nicht erwartet, dass es… so weh tut.“
James konnte sich gerade noch davor bewahren, eine Antwort zu geben, die sowieso nicht gepasst hätte. Stattdessen trat er einfach auf Sirius zu und umarmte ihn fest, merkte, wie Sirius sich an ihn klammerte wie ein Ertrinkender.
Sirius wusste nicht mehr, wie lange sie am Ende dort so im Gang gestanden hatten. Vielleicht waren es Minuten, Stunden oder eine Ewigkeit, es hatte keine Bedeutung. Irgendwann wurde das Zittern weniger, die Verkrampfungen lösten sich, der Atem wurde ruhiger.
Ein wenig peinlich berührt löste er sich aus der Umarmung wagte es kaum, James in die Augen zu sehen.
„Ich muss hier weg“, murmelte er nur halb erstickt und schob sich an James vorbei, den Blick fest auf den Ausgang gerichtet.
„Wo willst du hin?“, klang James' überraschend feste Stimme, Sirius blieb stehen. Es war ungeheuer anstrengend, zu sprechen, jede Bewegung erforderte Unmengen Energie und Konzentration. Sein Kopf war leer, absolut leer, seine Gedanken und sein Gehirn hatten seine Funktion eingestellt. Fast war er überrascht, dass er noch aufrecht stand, als er seine Schuhe musterte und fragte sich, wieso er sich überhaupt noch sah.
„Komm“, sagte James wieder nur, nahm ihn beim Arm und disapparierte. Tauchte wenige Sekunden später im Wohnzimmer des Hauses auf, dass er sich mit Lily vor kurzem gekauft hatte und bugsierte den noch immer völlig neben sich stehenden Sirius auf das Sofa.
Kaum saß Sirius, stand er wieder auf, er musste den Schuldigen finden, brauchte Vergeltung für seinen Schmerz… .
Er war schon fast bei der Tür angekommen, als James ihn an der Schulter zurück hielt.
„Nicht, Sirius. Rosier ist tot, es ist vorbei.“
„Vorbei?! Es wird niemals vorbei sein, verdammt!“, entgegnete Sirius heftig. „Jeden Tag lauern diese Bastarde da draußen und jeden Tag weißt du nicht, was dich erwartet. Sie haben irgendwelche Pläne, die keiner versteht, weil sie so verworren sind, dass sie sie selbst nicht verstehen. Sie sind wie Amöben, die ständig ihre Form ändern, unbeständig, unvorhersehbar. Nie kann man sagen, was als nächstes kommt und das ist es, was ich so hasse. Wieso musste Jean sterben? Wieso, Krone? Ich… scheiße, ich verstehe das nicht. Einfach so… nein, das… warum nur…“ Er war immer leiser geworden und förmlich in sich zusammen gesackt. Es war ihm egal, James war neben Remus die einzige Person, bei der er seine Fassade fallen lassen konnte. Sich fallen lassen konnte. Und er wusste, dass James ihn auffangen würde.
Jeans Tod hatte seine Welt aus den Fugen gerissen und er versuchte verzweifelt, sie wieder zusammen zu setzten, aber das entscheidende Teil fehlte.
Sie.
Bittere Tränen liefen über seine Wangen, als er erkannte, dass es nun wirklich zu spät war. Jean war tot, es gab kein zurück. Doch mit ihr war auch sein Herz gestorben.
Er merkte, wie in ihm etwas erkaltete, etwas ganz besonders Wichtiges. Mechanisch hob er den Kopf, fühlte sich seltsam hohl und gefühllos. Kraftlos.
Er war unnatürlich ruhig, als hätte sein Körper sich selbst abgeschaltet und wie automatisch ließ er sich auf das Sofa sinken, bettete seinen Kopf auf eine Armlehne und schlief augenblicklich ein. Beinahe wünschte er, nie wieder auf zu wachen.
°°°
Es wurde September und es wurde Oktober, die Tage kalt und ungemütlich, der Winter streckte dieses Jahr ungewöhnlich früh seine Hand aus nach allem, was er erreichen konnte. Der Krieg in der Zaubererwelt wurde täglich undurchschaubarer und verworrener und auch der Orden verlor immer mehr die Übersicht. Aber Irgendetwas sagte Sirius, dass dies erst der Anfang zum großen Finale sein würde.
Er warf einen missbilligenden Blick auf den Tagespropheten, der auf dem Küchentisch lag, nahm ihn aber nicht auf. Seit fünf Wochen wohnte er nun bei Lily und James. Er erwartete beinahe, dass sie ihn höflich bitten würden, doch wieder in sein Appartement zurück zu kehren - doch die Frage blieb aus. Sie lebten ihren Alltag und Sirius war froh darum, dass sie ihren gewohnten Gang gingen, ohne ihn mit einem Sonderstatus zu belegen, ihn auf der anderen Seite aber sehr wohl mit einbanden, wann immer es ging.
Und doch merkte er selbst, dass es so nicht weiter ging. James und Lily waren glücklich und verliebt, etwas, dass Sirius in den letzten Wochen mehr als bewusst geworden war. Und da wusste er auch, dass er Jean wirklich geliebt hatte.
Leider hatte er es zu spät erkannt.
Es war an einem kalten Tag Mitte Oktober, als er durch gefrorenes Laub stapfte und mit jedem Schritt seinem alten Appartement etwas näher kam. Er war absichtlich nicht disappariert, er wollte sich darauf vorbereiten, es langsam angehen.
Doch als er schließlich vor seiner Tür stand, zögerte er.
War er wirklich schon soweit, diesen Raum wieder zu betreten? Wo er so viele glückliche Stunden mit Jean verbracht hatte, so viele Erinnerungen.
Wie von selbst hob er den Zauberstab, in der nächsten Sekunde war die Tür offen. Wie in Zeitlupe schien sie sich zu bewegen, öffnete Stück für Stück den Blick auf das, was er so lange nicht hatte sehen wollen.
Dass er die Luft angehalten hatte, merkte er erst, als er sie hart ausstieß und beinahe selbst darüber erschrak. Er ging einen Schritt vor, bis seine Schuhe die Türschwelle berührten, traute sich jedoch nicht weiter. Diese Welt jenseits der Tür erschien ihm so… heile. Friedlich. Warm.
Es war eine Wärme, die ihn magisch anzog. Ohne sein Zutun hob sich sein Fuß und trat einen Schritt über die Schwelle in den Raum hinein, der von schwachem Sonnenlicht beleuchtet wurde. Es war ungewöhnlich ruhig, als wäre die Zeit stehen geblieben.
Minutenlang stand er einfach nur im Zimmer und sah sich im Raum um, als sähe er ihn zum ersten Mal. Die dunkelblauen Vorhänge, der etwas schäbige Holzfußboden, die melierten Kacheln an der Küchenzeile. Das graue Sofa, das halbleere Regal. Die Zeitung auf dem Küchentisch. Ein Brief von James neben dem Sofa auf dem Boden, dessen Inhalt er beinahe auswendig kannte.
Eine Schwarz-weiß Fotografie von Jean, die ihm freundlich zunickte und in die Kamera winkte. Unmerklich hatten Sirius' Füße ihn direkt vor das Foto gebracht, welches er wie gebannt betrachtete. Damals war ihm die Welt als ein großes Abendteuer erschienen, welches zu durchstehen war. Und wenn am nächsten Morgen die Sonne wieder aufging, waren die Schrecken der Nacht nur noch Schatten der Erinnerung…
Doch manchmal fragte er sich nun, ob es jemals einen Morgen geben würde, oder ob die Schatten nicht schon viel zu lebendig geworden waren.
Liebevoll strich er mit dem Zeigefinger ihre Gesichtskonturen nach, meinte, ihre zarte Haut fühlen zu können anstatt des kalten Fotopapiers. Hörte wieder das Lachen in seinen Ohren,
ihr Lachen und wusste im selben Augenblick, dass sie fort war. Für immer.
Sirius war hin und her gerissen zwischen dem Wunsch, sich einfach abrupt umzudrehen und alles hinter sich zu lassen und das Foto von der Wand zu nehmen und nie wieder los zu lassen. Er vermisste sie so sehr, dass es weh tat, jeden Tag mehr.
Doch die Wut der Rache hatte den Schmerz betäubt.
Nun war der Schuldige selbst gerichtet, die Wut verblasste, der aber Schmerz blieb.
Beinahe liebevoll löste er den Zauber, mit dem das bewegte Foto an der Wand gehalten wurde und rollte es vorsichtig auf. Dann disapparierte er, ohne sich noch einmal um zu sehen, direkt auf den Friedhof.
Der Kies knirschte unangenehm laut unter seinen Schritten, welche sich zielgenau ihren Weg suchten. Bis er den schlichten Stein gefunden hatte, eingefasst in eine runde Marmorplatte.
Vorsichtig, als könnte sich das Grab jederzeit in Luft auflösen, trat er näher, kniete sich schließlich vor die Begrenzung. Holte das Bild aus er Innenseite seines Mantels und legte es auf den glatten Stein der Platte.
„Jean, ich… ich weiß nicht, ob Irgendetwas von dem, was ich hier sage oder tue überhaupt Sinn macht“, begann er unsicher, doch ohne, dass er es bewusst steuerte, sprach er weiter. „Rosier wurde getötet, aber die erwartete Befriedigung stellt sich nicht ein. Ich habe es hingenommen wie eine Notiz auf einem Zettel, den man kurz liest und wieder weg legt, ohne ihm eine große Bedeutung zu schenken. Aber ich weiß, dass es mir etwas bedeutet. Du bist frei.
Ich liebe dich, Jean. Ich hatte nie gedacht, dass ich diese Worte einmal in den Mund nehmen würde, aber nun weiß ich, dass es stimmt. Leider zu spät, ich sitze hier an deinem Grab und du liegst dort unter der Erde, wie gern würde ich jetzt in dein Gesicht schauen, dich einfach bei mir haben.
Ich war eben in meinem Appartement, dass ich seit deinem Tod nicht mehr betreten habe. Und soll ich dir etwas sagen: du warst noch da. In jedem Detail habe ich dich wieder erkannt, ich weiß jetzt, dass du immer bei mir sein wirst. Die Menschen verschwinden nicht einfach, wenn sie sterben, nein, sie leben in uns weiter und ich denke, das habe ich die letzten Wochen begriffen. Dein Grab hier ist eine Erinnerung an dich, aber du, du wirst mich niemals verlassen.
Ich hoffe, du erlaubst mir, dein Foto mit zu nehmen. Ich weiß, du mochtest es nicht, aber ich habe es immer geliebt und es ist das einzige, dass ich aus der Wohnung mit nehmen werde. Ich werde mir etwas Neues suchen, ich kann nicht noch länger bei Lily und James schlafen. Aber zurück kann ich auch nicht…“
Er machte eine Pause, wusste plötzlich nicht weiter. Was tat er hier eigentlich? Er redete mit einem Stein, auf dem der Name einer Person geritzt war?!
Lächerlich.
Abrupt stand er auf, verharrte noch ein paar Sekunden und murmelte eine leise Verabschiedung, ehe er sich umdrehte und apparierte, direkt in James und Lily Wohnzimmer, die ihn etwas beunruhigt ansahen.
„Wo warst du?“, wollte Lily wissen, sichtlich erleichtert, dass er heil vor ihr stand.
„In meiner Wohnung“, sagte Sirius leise. „Und bei… bei ihrem Grab.“
Erschreckt sahen sie ihn an, doch Sirius blieb ruhig und drehte sich um. „Ich bin auf meinem Zimmer“, verkündete und verschwand. Die besorgten Blicke seiner Freunde bemerkte er nicht, wusste aber sehr wohl, dass sie da waren.
Das Foto hängte er an die Decke über sein Bett. Und seit langer Zeit lächelte Sirius, als er einschlief.
°°°
Zwei Wochen später war Sirius aus dem Hause seiner Freunde ausgezogen und in ein eigenes Appartement gezogen, eine ruhige, gemütliche Gegend. Lily und James hatten ihm immer wieder versichert, er könne so lange bleiben, wir er wollte und Remus hatte ihm ebenfalls angeboten, mit ihm zusammen zu ziehen, falls er nicht allein sein wollte - doch genau das war es, was er suchte.
Ruhe.
Die keine Woche später auch schon wieder vorbei war, als James mitten in sein Zimmer geplatzt kam, als Sirius gerade aus der Dusche gekommen war. Etwas verdutzt blickte er seinen besten Freund an, der grinste, als wäre er so eben Quidditchweltmeister geworden.
„SIE HAT JA GESAGT“, brüllte James und umarmte Sirius begeistert, sprang in der Wohnung herum und war kaum zu bändigen.
„Ähm… ja?“, war Sirius' verwirrte Frage, James sah ihn vorwurfsvoll an, als hätte er es ihm schon hunderttausend Mal erklärt.
„Lily - wird - meine - Frau!“, sagte er nachdrücklich und hatte Mühe, seine Begeisterung im Zaum zu halten, für den Moment war Sirius wie vor den Kopf gestoßen.
„Nein! Krone, das ist… der Wahnsinn!“ Freudig sprang er auf seinen Freund zu und umarmte ihn heftig. Überschwänglich erzählte James immer wieder, wie er Lily den Heiratsantrag gemacht hatte und Sirius hörte geduldig zu. Selbst, wenn er etwas hätte sagen wollen, hätte James ihm keine Gelegenheit dazu gegeben, da er ihn in Grund und Boden redete, wie Sirius grinsend registrierte.
„Aber das Bester weißt du ja noch gar nicht“, strahlte James und hielt vor Aufregung beinahe die Luft an, Sirius setzte sich auf. Was kam denn jetzt noch?
„Lils ist schwanger!“, platzte er heraus, Sirius' Kinnlade war kurz davor, Bekanntschaft mit dem Couchtisch zu machen.
„Nein!“
„Doch! Der Wahnsinn! Tatze, ich… ich werde Vater! Das ist… unbeschreiblich. Ein kleiner Potter… stell dir vor, wenn er so aussieht wie ich… ich werde ihm einen Besen kaufen und er wird den Umhang erben und - “
Lachend unterbrach Sirius ihn. „Krone, langsam! Woher weißt du, ob es ein
er wird? Und was in neun Monaten sein wird? Wie auch immer - ich freue mich wahnsinnig für euch, ehrlich Mann! Ihr habt es euch verdient.“ Bei den letzten Worten war er ernster geworden und auch James hatte die Veränderung in Sirius bemerkt.
„Alles okay, Tatze?“, wollte James wissen, es tat ihm beinahe Leid, seinen Freund damit so überfallen zu haben, schallt sich einen Idioten.
Sirius schluckte nur, nickte dann aber. „Sicher. Mach dir keine Gedanken.“ Er brachte irgendwie ein Lächeln zustande und schaffte es, James nach einer weiteren halben Stunde wieder zurück zu Lily zu schicken, um dann selbst auf dem Sofa zusammen zu sinken.
James hatte es also geschafft. Er und Lily würden heiraten, bald darauf einen kleinen Potter in ihrer Mitte haben - das perfekte Glück.
Sirius wurde schlecht.
Würde er auch einmal so glücklich sein?
Nach Jeans Tod bezweifelte er dies.
°°°
Die Wochen schlichen dahin, der Winter kam, kalt und machtvoll, als versuche er, die Zeit einzufrieren und so zu verhindern, dass der Krieg noch mehr Unheil anrichten konnte.
Doch die Zeit kann man nicht aufhalten, wie die Mitglieder des Ordens beinahe erschreckt feststellen mussten.
Weihnachten rückte immer näher, die Angriffe der Todesser häuften sich, die Unsicherheit und Angst wuchs. An Weihnachten dachte praktisch keiner - außer vier Personen, die diesen Tagen nervös wie nie entgegen fieberten.
„Bist du so weit, Krone?“, fragte Sirius, der nicht minder aufgeregt war und sein Erscheinen tausend Mal im Spiegel überprüfte, immerhin war er Trauzeuge, da musste er gut aussehen!
Es war Weihnachten, Lily und James würden heiraten.
„Sirius! Du - nervst!“, kam die einschlägige Antwort, die James zwischen den Zähnen hervor presste.
„Gut, dann… eh… geh ich wieder zurück“, murmelte der junge Black, rückte noch einmal seine Krawatte zurecht und hielt Ausschau nach Remus, sogar Peter wollte kommen, hatte er gesagt.
Es waren nur wenige Gäste geladen worden, die Sicherheitsbestimmungen waren extrem hoch. Doch Lily und James und vielleicht auch Sirius waren die glücklichsten Menschen der Welt in diesen Stunden.
Ehrfürchtige Schauer gingen durch die Anwesenden, als das frisch getraute Paar zwischen ihnen hindurch schritt und für wenige Minuten war der Krieg, der hinter diesen Mauern wütete, vergessen. Für einen Moment gab es nichts anderes als Glück, Liebe und etwas, das mal eine Zukunft werden sollte und die Hoffnung, dass nicht alles wie ein Traum zerplatzen würde.
Hoffnung war das, was sie beisammen hielt.
Die anschließende Feier im Hause der neuen Familie Potter war beinahe so etwas wie ausgelassen, auch, wenn das Wort in Zeiten wie diese nicht so recht passen wollte.
Mit einem Glas in der Hand stand Sirius auf einem Stuhl und versuchte, die Aufmerksamkeit der Gäste zu erringen. Erst ein laut gebrülltes „EY!“ ließ die Gäste sich zu ihm umdrehen.
„Ich danke euch“, grinste er in die Runde, einige lachten und sahen ihn nun interessiert an. „Wie ihr alle wisst, bin ich hier heute nicht nur als bester Freund dieses Chaoten dort drüben - sondern ebenfalls als Trauzeuge des jungen Paares, was mir die Ehre zu Teil werden lässt, hier nun vor euch stehen zu dürfen und kluge Reden zu schwingen, die sich Remus vorher ausgedacht hat.“ Er lächelte Remus freundlich an, der amüsiert den Kopf schüttelte, James lachte nur, während er Lily an der Hand hielt und kurz zwischen seinen Freunden hin und her sah.
„Ich kenne James seit einigen Jahren und ich bin Lily unglaublich dankbar, dass sie ihn endlich erhört hat - ansonsten hätten wir wohl doch eingreifen müssen, um euch zwei endlich zusammen zu kriegen.
Das war vor zwei Jahren und heute steht ihr nun als Mister und Misses Potter vor mir - und ich bin stolz auf euch. Werdet glücklich.“
Gemeinsam erhoben sie die Gläser auf das junge Brautpaar, nur wenige sahen den traurigen Glanz in den Augen des Trauzeugen, der genau so schnell verschwunden war, wie er gekommen war.
Es wurde geprostet und beglückwünscht, Sirius hatte aufgehört zu zählen, wie oft. Die ganze Feier flog nur so an ihm vorbei, als wäre er ein Zuschauer und schwebte über dem Raum, ohne wirklich daran teil zu nehmen.
Fremd.
„Bist du okay?“, fragte James, Sirius wäre beinahe zusammen gezuckt, er hatte ihn gar nicht kommen sehen.
„Sicher“, sagte er kurz und gab James zu verstehen, das Thema auf sich beruhen zu lassen.
„Tatze, ich… wollte dich etwas fragen“, sagte James und klang etwas unbehaglich, wechselte sein Glas von einer Seite in die andere und fuhr sich durch die Haare, was Sirius beinahe schmunzeln ließ.
„Schieß los“, antwortete er eine ganze Spur freundlicher und neugierig, was nun kommen mochte.
„Ähm… Lily ist doch schwanger und… na ja… ich würde mich sehr freuen, wenn du… Pate wirst. Ich weiß, er wäre bei dir gut aufgehoben, wenn… uns etwas passiert.“ James' Miene war ernst geworden und seine Stimme leise, Sirius jedoch fiel ihm vor Begeisterung um den Hals.
„Woha! Alter, das meinst du ernst? Ich soll Pate von eurem Kleinen werden? Das ist… Danke, Mann! Ich… ich weiß echt nicht, was ich sagen soll…“
James klopfte ihm nur unbeholfen auf die Schulter, ehe er sich von ihm löste. „Du sagst also ja?“
„Sicher, James! Ich meine ich… James, ich würde alles für dich tun, das weißt du. Und es wäre mir eine große Ehre, für euren Wurm Pate sein zu dürfen“, sagte er leise, James strahlte.
„Danke“, war alles, was er sagte, Sirius lächelte und hoffte inständig, dass der Tag, an dem er seine Pflichten als Pate wahrnehmen müsste, niemals kommen würde.
Die Kerzen am Weihnachtsbaum waren bereits herunter gebrannt, als die letzten Gäste gingen und erschöpfte, aber glückliche Gastgeber zurück ließen. Lily schlief beinahe im Stehen ein, James wankte nur noch ins Bett und auch Sirius und Remus machten sich auf den Weg in ihre eigenen Betten - die erste Hochzeitsnacht wollten sie nicht stören, auch wenn Sirius nicht glaubte, dass dort noch viele
Aktivitäten im Hause Potter stattfinden würden in dieser Nacht.
°°°
Das achte Jahrzehnt brach an und beflügelte die Ordensmitglieder mir neuer Hoffnung. Die Angriffe wurden auf beiden Seiten mit vielen Leben bezahlt, die Brutalität kannte keine Grenzen mehr.
Der März kam und mit ihm James' Geburtstag. Sirius freute sich auf den Abend, er hatte in den letzten Wochen nur wenig Kontakt zu seinen Freunden gehabt, seit Lilys Schwangerschaft hatten sie sich sehr aus dem Orden zurück gezogen. Genau wie Alice und Frank Longbottom, die ebenfalls Nachwuchs erwarteten.
Als Sirius um kurz nach neun das Haus in Godrics Hollow betrat, waren bereits etliche Gäste da, man verlor schnell den Überblick. Gideon Prewett nippte an seiner Bowle, er hatte vor wenigen Wochen seinen Bruder, Fabian, verloren und seine Schwester, Molly, hatte gerade ihr fünftes Kind zur Welt gebracht.
Peter unterhielt sich mit Edgar Bones und Remus stand bei Sturgis Podmore und Caradoc Dearborn. Lily und James entdeckte er bei Dedalus Diggle, Elphias Dodge und Mad Eye Moody.
„Sirius!“ Suchend drehte er sich in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war und erkannte Frank und Alice, erfreut ging er auf die beiden zu.
„Frank, Al! Wie schön, euch mal wieder zu sehen!“, rief er begeistert und umarmte seine Freunde.
„Gut, danke. Das Baby wächst und ist gesund, das ist die Hauptsache“, grinste Alice und strich sich zärtlich über den Bauch, Sirius lächelte.
„Sirius, wir wollten mit dir reden“, begann Frank und Sirius erkannte, dass dessen Stimme eine ganze Spur ernster klang als die seiner Frau. „Pass auf, es geht um die Geheimniswahrer-frage. James möchte es nicht, aber ich denke… ich denke, dass es einfach unvorsichtig wäre, wenn er sich, Lily und das Kind ungeschützt lässt.“
Sirius seufzte, er hatte ebenfalls schon oft lange mit James darüber diskutiert. „Ich weiß Mann, aber er lässt sich in dem Bereich einfach nichts sagen. Ich rede gegen eine Wand, wenn das Thema wieder aufkommt…“
Frank warf einen Blick auf Lily, die in einer unbewussten Geste ihre Hand beschützend auf den Bauch gelegt hatte und schloss kurz die Augen.
„Sirius… bitte, versuche es weiter. Er muss es einsehen, alles andere ist Wahnsinn. Versprich mir das, bitte.“
Sirius sah nun ebenfalls zu seinen Freunden und wusste, dass Frank recht hatte. Lily und James mussten sich schützen mit allem, was sie hatten. „Ich weiß. Ich versuch's, Frank, aber versprechen kann ich nichts. Aber ich bleibe dran, ganz sicher.“
James hatte von irgendwem eine Kamera geschenkt bekommen und ließ sie nicht mehr aus der Hand. Bis die Idee aufkam, ein Gruppenfoto zu machen. Es wurde der Selbstauslöser gesucht und gefunden, alle stellten sich nebeneinander auf und hofften, dass sie mit auf dem Foto waren - der Blitz blendete für kurze Zeit ihre Augen und das Foto war gemacht.
Noch konnte keiner ahnen, dass eben dieses Bild das einzige vom Orden sein würde, welches 15 Jahre später ein schwarzhaariger Junge mit Brille in den Händen halten würde.
Zwei Wochen später war Marlene McKinnon tot.
Und Sirius saß wieder einmal bei Lily und James auf dem Sofa und versuchte sie davon zu überzeugen, sich einen Geheimniswahrer zu suchen.
„Und wen sollen wir bitte nehmen?“, fragte James und wirkte etwas hilflos. Sirius hingegen schöpfte neue Hoffnung, denn wenn er so eine Frage stellte, hieß es, dass er die Idee nicht mehr grundsätzlich ablehnte.
„Mal ehrlich - wir haben gute Leute im Orden, aber keinem von denen würde ich ohne Zweifel mein Leben anvertrauen! Keinem, außer dir, Rem und Pete.“
„Remus geht nicht wegen der Sache mit dem Wolf… und ganz ehrlich, ich weiß nicht, ob es klug wäre, einen Black als Geheimniswahrer zu haben.“
„Warum nicht?“, fragte Lily und sah auf, Sirius erkannte Angst in ihren Augen, die von Tag zu Tag größer wurde. Angst um sich, Angst um ihr Baby und Angst, James zu verlieren.
Nein, das würde er nicht zulassen.
„Nun ja, ich… ich bin euer bester Freund. Und ich bin ein Black und Regulus ist einer von ihnen. Sie suchen mich und eines Tages werden sie mich finden, das weiß ich. Ich habe einfach Angst, jetzt ein Versprechen abzugeben und es dann nicht halten zu können. Ihr wisst, ich würde sterben für euch, aber wenn es einmal soweit ist… Voldemort ist mächtig und seine Waffen können wir uns nicht einmal ausmalen… ich hab einfach Angst um euch, euch gegen meinen Willen zu verraten…“
Sirius schluckte und auch die anderen beiden schwiegen.
„Wie wäre es mit Pete?“
Es war Lily, die den Vorschlag aussprach, überrascht sahen James und Sirius sie an.
„Wurmschwanz? Ich weiß nicht…“
Doch Lily setzte sich auf, in ihren Augen funkelte Entschlossenheit. Und der Wille, zu überleben.
„Sirius, Peter ist nicht dumm. Ich weiß, der Zauber ist nicht einfach, besonders in diesen Zeiten. Aber ohne Zeiten wie diesen gäbe es diesen Zauber vielleicht gar nicht und wir oder auch die Longbottoms hätten gar keine Möglichkeit, uns zu verstecken. Er ist… wie soll ich sagen… auf seine Art unscheinbar. Du hast Recht, Sirius, du stehst selbst viel zu sehr im Mittelpunkt der Todesser, aber Peter ist wie ein Schatten, den keiner wirklich wahrnimmt.“
Nachdenklich sah James seine Frau an. „Du könntest Recht haben, Lily. Auf Sirius als Geheimniswahrer würden sie wohl schnell kommen - aber auf Peter weniger. Meinst du, wir sollten ihn fragen?“
Sirius verfolgte stumm das Gespräch, hielt sich aber zurück. Es ging um Lilys und James' Sicherheit und jetzt, wo sie endlich bereit waren, sich zu schützen, wollte er nicht dazwischen funken. Er selbst hatte auch schon an Peter gedacht und nun war Lily es selbst gewesen, die die Überlegung ausgesprochen hatte - es war nun ihre eigene Entscheidung.
Vielleicht würde doch noch alles gut werden, dachte er. Über die nächsten Wochen entwickelte sich ein vorsichtiger Optimismus, er freute sich unheimlich auf das Baby von Lily und James, war froh, als Peter überrascht zustimmte, ihr Geheimniswahrer zu werden und erleichtert, als der Zauber mit Dumbledores Hilfe endlich vollbracht wurde.
Lily, James und der Kleine waren nun in Sicherheit.
Leider traf das auf ihn selbst nicht so zu. Er hatte Recht gehabt mit seiner Vermutung, seit bekannt war, dass James und Lily und auch Alice und Frank ihr Haus nicht mehr verließen und von einem Geheimniswahrer beschützt wurden, schienen sich die Angriffe der Todesser speziell auf den Orden zu konzentrieren.
Bis jetzt war ihm wie durch ein Wunder nichts ernstes passiert, all seine Verletzungen konnten schnell wieder geheilt werden. Doch seine Seele schrie von Tag zu Tag lauter.
Er ignorierte sie.
Es war Mitte Juli, als er den Tagespropheten aufschlug und in das Gesicht seines Bruders blickte. Vor vier Wochen durch Todesser ermordet wegen Befehlsverweigerung, hieß es - Sirius blätterte die Seite um, ohne den Artikel zu lesen.
Doch Regulus' Tod rührte etwas in ihm.
Die Illusion der Unverletzbarkeit bröckelte ernorm.
Und das erste Mal in seinem Leben hatte Sirius wirklich Angst um sein Leben.
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„Krone, ich bin mir sicher, er wird dir später ziemlich ähnlich sehen“, murmelte Sirius verträumt, als er seinen Patensohn auf dem Arm hielt. Harry war nun zwei Wochen alt und Sirius der mitunter stolzeste Mensch der Welt - wenn man von James einmal absah.
„Ganz sicher, bei den Haaren“, lachte Lily und richtete sich ein wenig auf. Es war zwar noch anstrengend, doch es ging. Sie hoffte, dass sie bald das Wochenbett verlassen konnte, sonst würde sie noch durchdrehen.
Sirius grinste, doch als Harry ihn aus großen Augen ansah, stockte er.
„Lily! Er hat deine Augen!“
Überrascht beugte Lily sich nach vorne, um einen besseren Blick auf ihren Sohn zu haben und Sirius hielt ihn so, dass auch Lily sein Gesicht sehen konnte.
„Du hast recht, Sirius… ich gebe zu, ich fand meine grünen Augen immer etwas seltsam, aber bei ihm sehen sie einfach wunderschön aus“, flüsterte sie ganz gerührt.
Das Babyblau der Augen eines Neugeborenen hatte sich innerhalb der letzten Woche gewandelt und nun waren die Augen des Säuglings beinahe so grün wie die seiner Mutter - mit einem braunen Rand um die Iris herum.
Sirius war ganz gefangen von den kleinen Händen, dem winzigen Körper, den er dort auf dem Arm hielt und der atmete und lebte, als sei es das natürlichste der Welt - doch Sirius wusste, es konnte nur ein Wunder sein.
Und doch war ihm die unterschwellige Besorgnis seiner Freunde nicht entgangen. Sie schienen nicht darüber reden zu wollen, aber die beiden bedrückte etwas und dieses etwas hatte mit Harry zu tun, mit ihnen allen auf gewisse Art und Weise.
„Keine Angst mein Kleiner“, murmelte er, ohne zu wissen, dass er laut sprach. „Ich passe auf dich auf.“
Lily stiegen Tränen in die Augen, als sie das Bild sah und wusste, dass es eines Tages bittere Realität werden würde.
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Der Sommer ging in den Herbst über und Voldemort spielte sein bisher tödlichstes Ass aus: Inferi. Immer wieder wurde von verwüsteten Dörfern berichtet, von Untoten, grausamen Taten, die nicht in Worte zu fassen waren.
Spätestens jetzt wagte es kaum noch jemand, Voldemort beim Namen zu nennen. In Zeitungen hieß er Du-weißt-schon-wer oder Der-dessen-Name-nicht-genannt-werden-darf. Die Angst fand viele Anhänger und ließ ihre Gefangenen nicht mehr los.
Sirius, James und Remus nannten ihn jedoch weiterhin beim Namen. Auch nach dem Kampf, der erneut Tote und Verletzte brachte. Moody hatte einen schweren Fluch ins Gesicht bekommen, die Heiler taten ihr bestes, um ihn nicht vollkommen entstellt entlassen zu müssen. Doch das Auge hatten sie nicht retten können, ebenso wenig wie einen Teil seiner Nase. Wie es um sein Bein stand, war noch ungewiss. Womöglich würde auch das abgenommen werden müssen.
Helloween würde ausfallen. Seit Jahren schon war es immer gefährlicher geworden, sich frei auf der Straße zu bewegen - zu diesen Zeiten jedoch beinahe unmöglich. Sirius rechnete beinahe stündlich mit einem Brief, der ihm mitteilte, dass etwas Schlimmes geschehen war - doch der blieb aus. Dieses Helloween schien das ruhigste zu sein, dass er seit Jahren erlebt hatte.
Weihnachten fand ebenso wenig statt. Und so saß Sirius allein in seinem Appartement, wechselte seinen Verband an der linken Schulter und trank Whiskey, um den aufkommenden Schmerz zu verdrängen, der ihn plötzlich überkommen hatte, als er Jeans Foto betrachtet hatte.
Er hatte lange nicht mehr in dieser Intensität an sie gedacht und es tat mehr weh, als erwartet.
Der Jahreswechsel kam und ging, ohne groß bemerkt zu werden, man versuchte, sein Überleben zu sichern von Tag zu Tag, was machte es da schon aus, welcher Tag es war?
Zeit hatte ihre Bedeutung verloren, die Welt ihre Farbe - alles war grau, neblig, undurchdringlich. Ständig neue Meldungen, eine verlogener als die andere. Kein Durchkommen, keine Grenze mehr zwischen Wahrheit und Lüge.
Sirius besuchte weiterhin seine Freunde - und natürlich Harry - doch die ganze Atmosphäre hatte etwas Verkrampftes angenommen, das vorher nicht da gewesen war. Er führte selten Gespräche mit James allein, wo war ihre alte Vertrautheit geblieben, die nur sie zwei teilten?
Remus wurde selbst ebenfalls immer stiller. Der Orden hätte einen Mitläufer, hieß es, einen Maulwurf, sagten andere. Jemand, der heimlich für die andere Seite spioniere und Informationen an Voldemort und seine Sklaven weiter gab, jemand aus innerhalb des Ordens.
Und Sirius erinnerte sich schmerzhaft, dass Remus ein Werwolf war.
Obwohl er es nicht wollte, mit aller Macht dagegen an kämpfte, hatte der Gedanke, dass sein Freund eventuell etwas damit zu tun haben könnte, sich in seinem Kopf fest gebissen und ließ sich nicht mehr vertreiben. Ohne sich dessen bewusst zu sein, hatte er bereits beschlossen, Remus im Auge zu behalten.
Ohne zu wissen, dass der eigentliche Verräter im direkten Umfeld zu finden war… er hätte sich nur umdrehen müssen… .
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„Am 31. Juli ist Vollmond“, sagte James Anfang des Monats, Sirius sah auf.
„Und?“ Verwirrt sah er seinen Freund an, bisher hatten sie Remus stets zu den Monden begleitet, Geheimniswahrer hin oder her.
„Und ich werde nicht mitkommen, Tatze.“ James' Miene war ernst und bedrückt, erschreckt sah Sirius ihn an.
„Wie jetzt, nicht mitkommen? Krone, du warst doch immer dabei! Wir vier, wir waren doch… ein Team, da kannst du doch nicht einfach so aussteigen?“ Er merkte, wie seine Stimme leicht panisch klang, er hatte noch nie einen Vollmond ohne Krone an seiner Seite verbracht. So etwas war einfach undenkbar.
„Ich muss, Tatze. Ihr müsst es ohne mich schaffen - und ich bin sicher, ihr schafft es!“ Doch es hatte nur halb so überzeugt geklungen, wie geplant, geknickt sah James auf seine Hände, die die Teetasse in den Händen drehte.
Mit einem mulmigen Gefühl apparierte Sirius zu Remus, um mit ihm die Nacht abzusprechen - obwohl es nicht viel abzusprechen gab. Was auch immer sie sich vornahmen, Moony war ein eigenes Wesen, auf das Remus in jenen Stunden keinerlei Einfluss hatte.
Sirius hoffte nur, dass seine Anwesenheit als Tatze den Werwolf genug beruhigen würde und der Ausfall Krones somit nicht so schwer ins Gewicht fallen würde.
Zwei Wochen später verließ er stolz einen kleinen Quidditchladen und hielt einen verpackten Spielzeugbesen in der Hand. Wenn James schon nicht das Haus verlassen wollte, würde er Harry den Besen schenken, ein Miniatur-Bälle-Set dazu.
Am Morgen, der auf den Vollmond folgte, fühlte er sich völlig ausgelaugt. Matt lag er in seinem Bett, die Heiltränke schmeckten scheußlich, doch er trank sie alle. Wusste, dass es Remus sehr viel schlechter ging und hatte beinahe ein wenig Angst davor, wenn er ihm berichtete, wie die Nacht verlaufen war.
Doch als Remus die Narben und Bissspuren bei dem Animagus sah, wusste er sofort, was passiert war. Und es beschämte ihn mehr als alles andere.
Lilys Brief zerschnitt die angespannte Atmosphäre zwischen den Freunden und ein kleines Lächeln zeigte sich auf Sirius' Gesicht, das jedoch wehmütig wurde.
Er wusste, er würde James und Lily nicht mehr besuchen können, zu groß war die Gefahr, dass man ihm auf die Schliche kam. Auch, wenn er nicht der Geheimniswahrer war - es würde besser sein, wenn er Godrics Hollow nicht mehr betrat.
So schwer es ihm auch fiel.
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Es kam der erste September 1981, Sirius hatte etwas Bier, Feuerwhiskey und ein paar Kürbispasteten dabei, als er sich auf den Weg zur Heulenden Hütte machte.
Ein Treffen, das schon lange geplant war, die zehnjährige Freundschaft der Rumtreiber. Auch, wenn sie sich jedes Jahr am ersten September trafen, war dieses Jahr doch etwas Besonderes. In vielerlei Hinsicht.
James war noch immer in seinem Haus eingesperrt und Peter hatte er seit Wochen nicht gesehen - auch auf die Briefe war keine Antwort gekommen. Mit dem Orden hatte Peter jedoch Kontakt gehalten, er lebte also noch - eine Tatsache, die in diesen Tagen des Kriegen alles bedeutete.
So fanden sich zu diesem zehnten Jahrestag der vier Freunde nur zwei von ihnen ein - Sirius und Remus.
Dieser erwartete ihn bereits, hatte eine wild durcheinander gewürfelte Auswahl an Essen zusammen gekratzt und saß auf einem der wackeligen Stühle, die schon auseinander zu brechen drohten, wenn man sie nur ansah.
Eine kurze Umarmung wurde ausgeteilt, der Tisch noch etwas voller und Sirius setzte sich ebenfalls an den Tisch auf einen nicht minder wackligen Hocker, den er aus einer Ecke zog.
„Das ist es nun also“, begann er, hob seine Butterbierflasche an und hielt sie Remus auffordernd hin - der die seine ergriff und beinahe feierlich gegen Sirius' Flasche klacken ließ.
„Zehn Jahre… verdammt lange Zeit“, sinnierte der Werwolf, der in den letzten Monaten um Jahre gealtert zu sein schien. Und er war dünn geworden, merkte Sirius - viel zu dünn.
Aber gewissermaßen waren sie das alle.
„Oh Mann, die ersten Wochen waren so verdammt hart. Aber die Jahre danach einfach nur super!“, schwärmte Sirius und seine Augen strahlten.
„Oh ja. Obwohl ich mich immer noch frage, wie Krone Schulsprecher geworden ist!“, lachte Remus, Sirius prustete los.
„Vielleicht hat Dumbledore sich vertan und McGonagall hat es falsch abgeschrieben? Wie auch immer - es war das beste, was ihm passieren konnte. Sonst würde er uns heute noch immer mit Evans in den Ohren liegen“, grinste Sirius, Remus nickte nur.
„DAS glaube ich allerdings auch. Und jetzt ist er verheiratet und hat ein Kind, ein Haus… Spießer!“, grölte Sirius, Remus warf seine Butterbierflasche um und bekam vor Lachen nur ein Krächzen zustande.
„Wer hätte das gedacht - wir vier im Orden, James muss sich verstecken mit der Liebe seines Lebens und seinem Kind - Peter ist wie vom Erdboden verschluckt. Und wir?“ Remus' Stimme klang nun traurig und schwer, auch Sirius' Gesichtszüge verhärteten sich.
„Ja, ich weiß. Zwei traurige Gestalten, die einem Traum nachjagen“, murmelte er und eine Weile war es still. Keiner wusste etwas in dieser Situation zu sagen, die so skurril wirkte, dass es kaum zu ertragen war.
„Was ist aus den Rumtreibern geworden, Tatze?“, wollte Remus schließlich wissen und sah Sirius offen, aber unendlich traurig an.
Sirius überlegte kurz und lächelte dann. Hob seine Flasche zum Anstoßen und Remus hielt seine dagegen, als Sirius sagte: „Die Rumtreiber sind tot. Es leben die Rumtreiber!“.