Kapitel 1

[Cassiopeia]

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Toyan Kerim
15. April 143. Jahr des Lichtes, Nachmittag
An Bord der Meria
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Toyan war, als sei er gerade erst eingeschlafen, als seine Augen sich bereits wieder öffneten. Er brummte etwas, stöhnte, als er seine verrenkte Haltung zu lösen versuchte. Da erst wurde ihm erschreckt bewusst, dass er mitten an Deck eingeschlafen war! Doch dann erkannte er die Person neben sich, ein Lächeln legte sich auf seine Züge. Shaya sah so wunderschön aus, wenn sie schlief, sanft strich er ihr über die Wange, er wollte sie nicht wecken.
Dann sah er sich um. Aziza saß verängstigt in einer Ecke, und Narea... Narea schien zu träumen, wenn er es richtig sah. Und das nicht gerade gut. Aber... sollte er...?
Vorsichtig gelangte er auf allen vieren zu ihr, nahm ihre Hand in die seine. Sie war eiskalt und schweißnass. Schnell fühlte er ihre Stirn, die ebenfalls zu glühen schien. Er verfluchte die Wüstensonne, als er plötzlich ein Murmeln hinter sich hörte.
"Shaya, wir müssen sie irgendwie.. wach kriegen und dann unter Deck bringen", sagte er, fragte sich, wie es unter Deck wohl aussehen mochte, hatte der Dämon auch dort gewütet?
Danach konnte er sich um Aziza kümmern, wenn erst Narea in Sicherheit gebracht war. Wieso war er nur eingeschlafen...

[Tjeika]

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Shaya Zarin
15. April 143. Jahr des Lichtes, Nachmittag
An Bord der Meria
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Shaya sah noch etwas verschwommen und musste ein paar Mal blinzeln, ehe sie klar erkennen konnte, wo sie sich befand. Und dann, als sie sah, dass sie an Deck der Meria eingeschlafen sein musste, wurde ihr schlagartig bewusst, was geschehen war. Der Dämon hatte sie alle ermordet, die gesamte Mannschaft - auch die des Piratenschiffes samt Salan, doch Shayas Trauer darum hielt sich eher in Grenzen. Iyad würde dafür sein Leben lassen müssen, soviel stand fest für Shaya. Denn mitnichten waren hier alle an Bord Gestalten gewesen, die den Tod verdient hatten.
Doch zunächst hatten sie andere Sorgen. Narea musste wieder genesen. Und als sie zu Toyan blickte, der bei der Empathin hockte, schlich sich ein kleines Lächeln auf die Lippen der Telepathin. Und sie hoffte, dass der letzte Teil ihrer Erinnerung kein Traum gewesen war - denn so wirklich war sie sich da gar nicht sicher, ob das wirklich geschehen war.
"Vielleicht sollten wir sie erst unter Deck bringen. Dort ist es etwas kühler, was wohl ganz gut wäre, wenn sie wieder erwacht", schlug Shaya vor.
Dann machte sie sich daran, ganz langsam aufzustehen. Sie konnte sich noch an das letzte Mal erinnern, als sie versucht hatte, aufzustehen. Sie würde es langsam angehen müssen, sonst würde ihr Körper ihr ihren Dienst versagen, da war sich Shaya sicher. Und es gelang ihr tatsächlich, auch wenn ihr ein wenig schwummrig wurde, als sie stand. Doch das legte sich recht schnell wieder, so dass sie vorsichtig einen Fuß vor den anderen setzte, um zu Narea und Toyan zu gelangen.

[Cassiopeia]

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Toyan Kerim
15. April 143. Jahr des Lichtes, Nachmittag
An Bord der Meria
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Toyan nickte. "Ja, du hast Recht", sagte er, sein Blick verweilte einen Moment länger auf der Frau, die sein Herz mit einem Mal schneller schlagen ließ. Dann sah er zu Aziza, die keinerlei Anstalten machte, ihnen zu helfen. Nun, Toyan konnte es ihr nicht verübeln.
"Bleibt... bleibt einfach hier, wir kehren gleich zurück", sagte er und hoffte, sie kam nicht auf die Idee, über Board zu springen aus Angst, hier nicht sicher zu sein. Zutrauen würde er es ihr.
"Schaffst du das? Oder soll ich Iyad-"
"Nein!", entgegnete Shaya scharf, Toyan verstand. Sollte der Blutmagier Shaya allein begegnen, würde er um sein Leben rennen müssen. Doch darum würde er sich Gedanken machen, wenn es soweit war, jetzt zählte erst einmal Narea. Er versuchte, das kribbelnde Gefühl auszublenden, als Shaya zu ihm trat und sich über Narea beugte. So liebevoll hatte sie auch ihn berührt, so vorsichtig, als wolle sie ihn nicht zerbrechen...
"Ganz vorsichtig", sagte er mehr zu sich selbst, als sie die Empathin anhoben und in Richtung Kajüte trugen. Die Tür war aus den Angeln gehoben und lag zersplittert neben der Boardwand, Toyan hoffte, die Treppe hinunter hatte nicht dasselbe Schicksal ereilt.
Doch es ging, Zentimeter für Zentimeter brachten sie die junge Frau nach unten. Dann jedoch hielten sie entsetzt inne.
"Bei den Göttern...", hauchte Toyan, als er sah, wie es hier unten aussah. Tote, Blut und Trümmer, ein Bild des Grauens. Der Dämon hatte ganze Arbeit geleistet.
"Hier kommen wir nicht weiter", sagte er mit gepresster Stimme, aber nach oben konnten sie auch nicht. Umständlich begann er, mit den Füßen etwas Schutt beiseite zu schieben, als sein Fuß gegen etwas Festes stieß.
"Der Kapitän!", keuchte er, als er den Toten erkannte, die Augen entsetzt aufgerissen im Moment des Todes. Toyan schwankte, keine Sekunde länger wollte er auf diesem Schiff bleiben! Ratlos sah er zu Shaya, deren Blick sich vor Wut verdunkelt hatte.

[Tjeika]

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Shaya Zarin
15. April 143. Jahr des Lichtes, Nachmittag
An Bord der Meria
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Iyad! Ich werde dich eigenhändig töten!, schoss es ihr voller Wut durch den Kopf.
Shayas Augen hatten sich zu Schlitzen verengt, als sie sah, was der von Iyad gerufene Dämon - und daran gab es für Shaya keinerlei Zweifel - hier unten unter Deck angerichtet hatte. Sicherlich, sie war nun wahrlich nicht die beste Freundin des Kapitäns gewesen, der die Magier behandelt hatte, als wären sie Menschen zweiter Klasse. Aber das war noch lange kein Grund, in des Lebens zu berauben. Shaya wusste, dass der Kapitän ein unschuldiger Mensch war, der zwar Hass in sich trug, aber niemals auch nur einen einzigen Magier verletzt oder gar getötet hatte. Er hatte den Tod nicht verdient!
"Bringen wir Narea in die Kapitänskajüte. Wenn der Kapitän hier liegt, dann sollte es dort recht unblutig aussehen", sagte sie mit eiskalter Stimme - doch sie hoffte, dass Toyan verstand, dass dies nicht an ihn gerichtet war.
Sie war wütend und Iyad würde bitter bereuen, was er getan hatte.

[Cassiopeia]

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Toyan Kerim
15. April 143. Jahr des Lichtes, Nachmittag
An Bord der Meria
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Toyan schluckte und war zu keinerlei Antwort fähig. Alles schien sich zu drehen und noch immer konnte und wollte er die wahren Ausmaße dessen, was hier geschehen war, nicht begreifen. Er schob es von sich, klammerte sich an die Menschen, die seine Hilfe brauchten, um nicht zum Nachdenken zu kommen.
Die Kapitänskajüte war nur wenige Schritte weiter, auch hier war die Tür zertrümmert, doch das Mobilar hatte man unangetastet gelassen. Vorsichtig hieften sie Narea auf das schmale Bett, bedacht, ihren Kopf auf die Seite zu legen. Er schnaufte, rieb sich die zitternden Arme. Dann sah er sich um. Sie brauchten Wasser, doch die Sachen standen alle noch an Deck. Er seufzte, ließ sich auf die Kante sinken, nur ein paar Augenblicke, es war alles so unendlich anstrengend. Sein Blick wanderte zu Shaya, die plötzlich so unnahbar schien.

[Tjeika]

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Shaya Zarin
15. April 143. Jahr des Lichtes, Nachmittag
An Bord der Meria
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Wie Shaya angenommen hatte, war die Kapitänskajüte größtenteils noch intakt. So betteten sie Narea vorsichtig auf dem Bett. Shaya seufzte. Sie war wütend, so ungeheuer wütend. So hatte sie sich selbst noch niemals zuvor erlebt. Noch niemals zuvor war sie so von jemandem enttäuscht gewesen. Erst recht nicht von jemandem, dem sie sowieso nicht über den Weg getraut hatte. Vielleicht war da noch ein wenig Naivität im Spiel gewesen, eine kleine hoffnungsvolle Stimme, die ihr zugeflüstert hatte, dass alles doch nicht so war, wie es das nun offensichtlich doch der Fall war. Ja, sie hatte irgendwie gehofft, dass sie sich in Iyad und in der Blutmagie getäuscht hatte. Und diese Hoffnung war bitter enttäuscht worden. Dieses Blutbad, welches sich hier an Bord abgespielt hatte, war einfach nur unverzeihlich. Dafür gab es keine Buße, da würde keine Reue der Welt mehr etwas dran ändern. Es gab nichts zu verzeihen, weil Iyad definitiv einen Schritt zu weit gegangen war.
Shaya blickte zu Toyan, der sich auf die Bettkante zu Narea gesetzt hatte. Er sah geschafft aus und er wirkte auf Shaya, als könnte er durchaus noch ein paar Stunden mehr Schlaf gebrauchen. Und unwillkürlich wurde ihr Blick weicher.
"Es tut mir leid", sagte sie leise und Bedauern lag in ihrem Blick.
"Aber er wird dafür bezahlen", flüsterte sie und es tat ihr wirklich leid, hatte sie doch das Gefühl, sie würde Toyan damit enttäuschen, ja vielleicht sogar das kleine Band zerstören, welches sie beide gerade erst geknüpft hatten.

[Cassiopeia]

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Toyan Kerim
15. April 143. Jahr des Lichtes, Nachmittag
An Bord der Meria
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Shaya war wütend... und Toyan konnte es ihr nicht einmal verdenken. Er wusste nichts zu erwidern, einerseits verachtete er selbst das, was Iyad getan hatte, doch andererseits hatte er nur versucht, das Schiff zu retten.. wenn auch mit einer mehr als radikalen Methode, die er sicher nicht gut hieß.
"Kann ich dich allein lassen mit ihr?", fragte er und deutete auf Narea, ohne auf Shayas letzte Worte einzugehen. "Dann werde ich an Deck gehen und die Sachen holen, die wir brauchen." Gern hätte er sie berührt, und wenn es nur ihre Hand war, doch sie schien so weit weg, es schmerzte. Das Kribbeln, der Kuss, es schien so lange her zu sein, so entfernt mit einem Mal. Vorsichtig erhob er sich, hielt an der Tür inne, als wollte er etwas sagen, doch es war, als würden die Worte mit ihm verstecken spielen, er fand sie einfach nicht.

[Tjeika]

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Shaya Zarin
15. April 143. Jahr des Lichtes, Nachmittag
An Bord der Meria
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Shaya senkte für einen Augenblick den Blick, nur um dann wieder aufzuschauen. Sie hatte die Sekunde gebraucht, um innerlich ein wenig zur Ruhe zu kommen. Sie wollte ihren Hass, den sie für Iyad empfand, nicht auf Toyan projezieren, wollte ihn diesen Hass nicht spüren lassen. Also seufzte sie, als sie wieder aufblickte, wärmer nun, nicht mehr so eiskalt und abweisend.
"Verzeih'", murmelte sie nur leise und seufzte erneut.
"Ich warte hier."

[Cassiopeia]

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Toyan Kerim
15. April 143. Jahr des Lichtes, Nachmittag
An Bord der Meria
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Etwas Schweres hängte sich an sein Herz, etwas ziemlich Schweres. Shayas Stimme klang mit einem Mal unsicher, Toyan schaffte es jedoch nicht, sie anzusehen.
"Verzeih", flüsterte sie, sein Herz schrie ihm zu, zu ihr zu gehen und ebendies zu tun, doch er konnte es nicht. Nicht jetzt. Mit einem angespannten Nicken verließ er den Raum, er brauchte eine Weile Abstand, wenige Minuten, um über Shaya, Iyad und all das nach zu denken. Sie hatten eine Aufgabe, eine Art Mission und nun war alles schon nach einem Tag zum Scheitern verurteilt? Nein, das konnte, durfte einfach nicht sein!
Mit einem Mal fror er entsetzlich, obwohl die heiße Sonne ihn an Deck begrüßte, ihn blendete. Mechanisch räumte er das zusammen, was er brauchte und trug es wieder nach unten, ohne sich umzusehen. Er musste jetzt Narea versorgen, für alles andere hatte er keine Kraft.
Er ließ extra ein wenig Zeit verstreichen, während er Wasser nachfüllte und Tücher säuberte, ehe er in die Kajüte des Kaitäns zurück kehrte. Shaya saß noch immer auf dem Bett, blickte ihn unsicher an, als er eintrat. Sein Herz begann zu klopfen, sein Mund wurde trocken.
"Ich.. ich habe Wasser geholt", sagte er unbeholfen, hilfe, was tat er da?

[Tjeika]

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Shaya Zarin
15. April 143. Jahr des Lichtes, Nachmittag
An Bord der Meria
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Schier endlos erschienen ihr die Minuten, ehe Toyan endlich wieder in die Kajüte zurückkehrte mit einem Wassereimer in der Hand. Shaya hatte gegrübelt, nicht gewusst, was sie sagen oder tun sollte, wenn Toyan endlich zurückkehrte und noch immer wusste sie es nicht, nun, wo er in der Tür stand.
"Gut", murmelte sie eher abwesend, verwirrt.
Ihr Blick glitt zu Narea, die noch immer bewusstlos war und beinahe schon friedlich wirkte, wie sie da auf dem Bett des verstorbenen - nein, nicht verstorbenen, verbesserte Shaya sich gedanklich, brutal ermordeten - Kapitäns lag. Wie sehr wünschte sich Shaya, dass sie jetzt auch schlafen könnte, einfach der Wirklichkeit entfliehen konnte.
"Es tut mir leid", murmelte sie hilflos.
Was sollte sie bloß tun? Und so hilflos, wie sich sich fühlte, wandt sie den Blick von Narea ab und wieder Toyan zu, der nun an das Bett herantrat, um sich um Narea zu kümmern.