Kapitel 1

[Tjeika]

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Shaya Zarin
15. April 143. Jahr des Lichtes, Nachmittag
An Bord der Meria
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Shaya schluckte bei den Worten, die Toyan da aussprach. Und wieder hatte sie das Bild vor Augen, welches sich ihr geboten hatte, als sie mit Aziza an Deck der Luna gegangen war, nachdem Narea und Toyan sie aus ihrem Verschlag befreit hatten. Soviel Elend, soviel Leid... soviel Blut und soviel Horror hatte sie noch niemals auf einmal gesehen. Doch Narea zuliebe versuchte sie sich in ihren Gefühlen zusammen zu reißen, versuchte die Abscheu und die Enttäuschung über das, was Narea getan hatte, nicht allzu sehr durchblicken zu lassen. Dass Toyan ihre Hand hielt, half ihr dabei, gab ihr etwas Kraft.

[Ayrina]

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Narea
15. April 143. Jahr des Lichtes, Nachmittag
An Bord der Meria
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Nein, ich wusste es nicht, dachte sie, doch es war gelogen. Sie hatte es zumindest geahnt, dass es Opfer geben würde. Sie hatte das Ausmaß nicht überblickt. Sich nicht eingestehen wollen, dass es alle treffen wollte. War naiv genug gewesen zu glauben, dass es nur jene treffen würde, die es verdient hatten. Doch sie hätte es besser wissen müssen.
"Vielleicht...", murmelte sie daher leise und schlug schließlich die Augen auf. Sie waren dunkler als sonst. Schmerz, Entsetzen und die Gewissheit, dass sie nicht anders hatte handeln können, standen in ihnen. Blicklos starrte sie an die Decke. Sie erinnerte sich an den Befehl, den Iyad dem Dämon gegeben hatte und an ihr Entsetzen. Doch sie hatte es akzeptiert. Es war ihr unausweichlich erschienen. Erschien es ihr noch immer.
"Ich weiß es nicht...", flüsterte sie.

[Tjeika]

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Shaya Zarin
15. April 143. Jahr des Lichtes, Nachmittag
An Bord der Meria
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"Du hast es geahnt, nicht wahr", sagte sie leise und sie konnte sich den leicht enttäuschten Unterton nicht verkneifen.
Doch andererseits konnte sie nur zu genau erkennen, dass Narea wirklich geglaubt hatte, dass es keine andere Möglichkeit gegeben hatte.
"Und du hast nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt", stellte sie tonlos fest.
Dann seufzte sie, blickte ein wenig hilflos zu Toyan und dann wieder zu Narea zurück.
"Irgendwann werde ich dir verzeihen können. Doch versprich eines, nie wieder Blutmagie, nie wieder, hörst du?", sagte sie dann eindringlich an die junge Empathin gewandt.

[Ayrina]

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Narea
15. April 143. Jahr des Lichtes, Nachmittag
An Bord der Meria
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Es kostete Narea einiges an Mühe, den Kopf zu drehen und Shaya in die Augen zu blicken. Es war ihr egal, dass sie auf ihrer Verletzung lag, es war ihr egal, dass es wieder zu bluten begann und auch den Schmerz ignorierte sie.
"Ich... kann dir das nicht versprechen", sagte sie tonlos und ahnte, dass sie damit etwas zerstörte, was nicht zu kitten ging. Doch sie wollte Shaya nicht anlügen.
"Ich würde es wieder tun, wenn es die einzige Möglichkeit ist. Alles... alles was ich dir versprechen kann, ist nie wieder unbedacht diese Magie zu nutzen."
Im gleichen Moment, wo sie es sagte, ahnte sie, dass es nicht genug sein würde. Nicht für Shaya.
"Es tut mir leid..."

[Cassiopeia]

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Toyan Kerim
15. April 143. Jahr des Lichtes, Nachmittag
An Bord der Meria
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Toyans Herz zog sich zusammen, als er die Antwort der Empathin hörte, sie meinte es aufrichtig und würde sie mit allen Mitteln schützen. Auch, wenn sie erkannt hatte, dass dieser Weg... nicht ganz der richtige war.
Sie wollte uns schützen. Doch leider war es zu leichtfertig, ich denke, das hat sie zum Nachdenken gebracht, dachte er, er hoffte, dass es so war, er wollte Narea nicht an die andere Seite verlieren.
Plötzlich jedoch sah er das Blut auf dem Kissen, frisches Blut und sog scharf die Luft ein. Doch er konnte jetzt nicht viel mehr tun, als warten und wenn diese Diskussion unter ihnen dreien beendet war, würde er sich erneut um Nareas Kopf kümmern und dann sehen, wo Iyad und Aziza waren und wie sie das Schiff doch noch in Richtung Dogan-Reich bekamen.
Und er musste sich bei Shaya bedanken, dass sie sich so sehr zusammen gerissen hatte, obwohl es ihr mehr als schwer gefallen war.
Das Blut wurde jedoch mehr auf Nareas Kissen, Toyan wurde mulmig. Schließlich stand er auf.
"Ich muss noch etwas von oben holen", sagte er, irgendwo hatte er die Kräuter vergessen und etwas zum Verbinden brauchten sie auch, neben dem Reinigen. Er warf Shaya einen Blick zu, der sagen sollte Pass auf sie auf und verschwand. Das alles schien von Minute zu Minute unsicherer und unwirklicher.
Er trat auf das Deck, blinzelte gegen die Sonne, als er dort jemanden erkannte.
Iyad stand auf einmal vor ihm, offenbar hatte er ihm gerade entgegen kommen wollen, Toyan spannte sich an. Wusste plötzlich nicht mehr, wie er sich verhalten sollte. Er wusste nur, er wollte Antworten. Doch diese brauchten auch die beiden Frauen. Er seufzte kurz, ehe er den Blutmagier wieder fest anblickte.
"Ihr solltet Euch wenigstens ansehen, was Ihr angerichtet habt", sagte er emotionslos und sammelte schnell die nötigen Dinge zusammen, ehe er Iyad aufforderte, mit ihm zu kommen. Er wollte die ganze Diskussion ungern vor Azizas Augen führen.

[Richard]

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Iyad al Aban
15. April 143. Jahr des Lichtes, Mittag
An Bord der Meria
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"Gefällt euch etwa nicht was ihr gesehen habt? Dabei solltet ihr den Anblick doch gewohnt sein, immerhin ist euer Orden das Sinnbild des Todes für jeden der über Kräfte verfügt die ihr nicht versteht." Iyad konnte sich ein leichtes Lächeln nicht verkneifen. Der Jäger schien doch nicht so abgehärtet zu sein wie er anfangs gedacht hatte. Eigentlich hätte Iyad erwartet das solch einem Massaker mehr als einmal beigewohnt hatte.
Die Menschen die er getötet hatte waren im Weg gewesen, Iyad trauerte nicht um sie, sie waren nötig gewesen. Er folgte dem Jäger hinunter wo sie Narea auf ein Bett gelegt hatten. Der Geruch von Blut lag in der Luft und schärfte die Sinne. Ein kurzer Gedanke flammte auf, woher er kam wusste der Magier selbst nicht, aber die Idee gefiel ihm. "Wie schwer wurde sie verletzt?"

[Ayrina]

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Narea
15. April 143. Jahr des Lichtes, Nachmittag
An Bord der Meria
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Narea hatte die Augen geschlossen, als Toyan den Raum verlassen hatte. Sie spürte Shayas grenzenlose Enttäuschung und es schnitt ihr ins Herz. Doch sie hatte sie einfach nicht anlügen können. Ganz davon abgesehen, dass es ihr wohl ohnehin nicht gelungen wäre.
Sie spürte, wie das Blut warm ihren Nacken hinabsickerte. Zitternd fuhr ihre Hand zu ihrem Umhang auf der suche nach den Heilkräutern.
Sie waren nicht mehr da.
"Wo...", begann sie, als die Tür sich öffnete und Toyan mit Iyad zurückkehrte. Automatisch richtete sich Narea ein wenig auf.
"Iyad", stieß sie überrascht hervor. Auf eine seltsame Art, tat es gut, ihn zu sehen. Den Vorwürfen von Shaya und Toyan nicht mehr ganz allein gegenüber zu stehen.

[Cassiopeia]

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Toyan Kerim
15. April 143. Jahr des Lichtes, Nachmittag
An Bord der Meria
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Toyan beeilte sich, zu Nareas Bett zu gelangen, hob ihren Kopf an und presste ein frisches, sauberes Stück Stoff gegen die Wunde. Wütend blickte er hoch zu Iyad und sah, dass Shayas Augen regelrechte Blitze sprühten. Doch sie hielt sich zurück. Noch...
Hilf mit bitte mal, dachte er direkt an sie gerichtet, er hoffte, wenn er sie bei Narea mit einspannte, lief sie nicht Gefahr, Iyad im nächsten Moment an die Gurgel zu gehen.
"Sie wurde von einem herunter stürzenden Balken erschlagen, als wir Shaya und Aziza - die junge Dame, die verängstigt auf dem Deck hockt - von der Luna befreiten. Es war schließlich dank Euch niemand anderes mehr da", sagte Toyan wütend, am liebsten hätte er geschrien, doch auch er hielt sich zurück. Ein Streit nützte jetzt niemandem etwas.
"Shaya, wir brauchen neuen Kräutersud, sonst entzündet sich das ganze noch, würdest du--?", fragte er sie, sah sie flehend an, so ruhig zu bleiben wie es ging.

[Richard]

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Iyad al Aban
15. April 143. Jahr des Lichtes, Mittag
An Bord der Meria
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Der Jäger hatte wahrlich keine Ahnung. Vielleicht sollte er sich einmal mit den Kreaturen der Anderswelt unterhalten, dann würde er zumindest verstehen was sie bewegte wenn sie in diese Welt kamen. Aber nicht im Moment, auch wenn das ganze Schiff dank des hier vergossenen Blutes ein idealer Ankerpunkt für alle Arten an Kreaturen aus der Anderswelt war.

Der Blutmagier holte tief Luft während seine Finger kleine Zeichen in die Luft malten. "Sie sollte nicht so viel Blut verlieren." Murmelte Iyad während er Nareas Wunde fixierte. Selbst für einen so einfachen Zauber brauchte er einiges an Anstrengung um Nareas Blut zu gebieten und zu verhindern das es weiter aus ihrem Körpßer floß. Zwar war er ihr nichts schuldig, aber sie hatte ihm das Opfer gebracht, sie war nützlich.

[Tjeika]

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Shaya Zarin
15. April 143. Jahr des Lichtes, Nachmittag
An Bord der Meria
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Gerade, als sich Shaya auf den Weg nach oben machen wollte, hörte sie die gewisperten Worte von Iyad. Erstaunt blickte sie ihn an - auch wenn der Hass noch mehr als deutlich in ihrem Blick lag. Sie hatte etwas sagen wollen, doch als sie einen Blick zu Narea warf, die auf einmal nicht mehr blutete - oder kaum noch - waren ihr die Worte im Halse steckengeblieben.
"Ich gehe die Kräuter holen", sagte sie etwas neben der Spur und ging die Treppe hinauf.
Mal einmal davon abgesehen, dass sie Iyads Gegenwart nicht ertrug, war es wohl das Beste, wenn sie sich nützlich machen würde, statt nur immer wieder mit Vorwürfen um sich zu werfen. Nicht nur Toyan zuliebe, auch der Mission zuliebe, auch wenn Ersteres schwerer wog.
Draußen angekommen, schloss sie für einen Augenblick die Augen, atmete die frische Seeluft ein und versuchte sich ein wenig von all den negativen Gedanken und Gefühlen zu befreien. Als sie die Augen wieder öffnete, fiel ihr Aziza auf, die immer noch unglaublich verängstigt in der Ecke saß.
"Du brauchst keine Angst haben", sagte sie sanft und auch ihr Blick wurde weicher.
Doch wenn sie da an Iyad dachte, war sie sich da gar nicht mehr so sicher.