2. Port Soles

[Cassiopeia]

Toyan Kerim
Port Soles
November im 145. Jahr des Lichtes
Mittag

Fast einen Monat war es her, dass ihre Freunde abgereist waren und Shaya und Toyan sich in Port Soles eine neue Existenz aufbauten. Es ging voran. Der Wiederaufbau zeigte erste Erfolge, politische Strukturen ordneten sich und nach und nach kamen wieder erste Händler und Reisende mit Waren in die Stadt. Eine leuchtend bunte Gesellschaft aus dem Süden sorgte für reges Interesse auf dem Marktplatz, den man weitgehend wieder hergestellt hatte.
"Das könnte interessant sein", meinte Toyan, der Shaya in der mittlerweile eröffneten Wirtschaft half. "Kommst du mit?"

[Tjeika]

Shaya Kerim & Eskya Zarin
Port Soles
November im 145. Jahr des Lichtes
Mittag

Auch Eskya hatte sich unter die Leute gemischt, die neugierig gen Marktplatz geströmt waren. Es interessierte sie sehr, was hier los war.
Die letzten Wochen seit ihrer Ankunft hier in Port Soles hatte sie sich nur versteckt. Hier und da hatte sie ihre Fähigkeiten genutzt, jedoch nur, um zu überleben. Hier ein Apfel, der ihr sehr bereitwillig übergeben worden war. Dort das Bett, das man ihr freundlicherweise kostenfrei zur Verfügung gestellt hatte.
Sie wartete nun schon so lange auf eine Gelegenheit, sich nützlich zu machen, ohne ihre Identität preisgeben zu müssen.
Bei ihrer gemeinsamen Vergangenheit mit Nalahr wäre das ihr Todesurteil. Das war ihr mehr als bewusst. Doch sie hatte sich geändert und das würde sie auch beweisen.

Shaya tauchte ein paar Becher in das Spülwasser und folgte Toyans Blick durch die geöffneten Fensterläden hinaus.
"Kiya, kommst du einen Augenblick ohne uns aus?", fragte sie die junge Schankmaid, die mit Leib und Seele bei der Arbeit war.
"Natürlich", sagte sie und schob ihren fülligen Leib hinter den Tresen.
"Das interessiert mich jetzt auch", murmelte Shaya, die Toyan hinaus folgte.

[Cassiopeia]

Toyan / Tazanna
Port Soles
November im 145. Jahr des Lichtes
Mittag

Toyan schenkte Kiya ein dankbares Lächeln und ging neben Shaya den Weg in Richtung Markt.
"Dass Händler von Außerhalb mal zu solch einer Aufregung führen", meinte er amüsiert. Früher waren Händler aller Welt hier in Port Soles ein und aus gegangen. Toyan hoffte sehr, dass diese Zeiten wieder kehren würden.
Auf dem Marktplatz fanden sie eine Traube von Menschen vor, in deren Mitte drei Männer und zwei Frauen standen. Sie besaßen eine sehr dunkle Hautfarbe und trugen bunte Gewänder und ihre zwei Esel waren beladen mit Körben. Es war Toyan ein Rätsel, wie sie die Reise überstanden haben konnten ohne überfallen zu werden.
Sie brachten Gewürze und Seide, edle Holzarbeiten und Schmuck. Die Menschen gafften sie regelrecht an. Dann erst hörte Toyan, wovon sie sprachen: der Wüste.
"Die Wüste lebt!", sagte die Frau, die ein grünes Gewand trug, "die bösen Geister sind fort und aus der Dürre entspringt neues Leben!"

Am Rand der Gruppe stand Tazanna, die noch immer unerkannt in Port Soles lebte. Niemandem hatte sie sich offenbart, der sie eventuell kennen konnte. Sie war nicht zufällig hier. Die Händler aus dem Süden brachten wichtige Kunde und Tazanna fröstelte bei dem Gedanken, was dies zu bedeuten haben könnte. Sie bemerkte die Frau, von der sie wusste, dass sie Shayas Mutter war. Auch sie war wohl immer noch hier. Vorsichtig schob sie sich durch die Menschen zu ihr durch.
"Ich habe Euch lange nicht gesehen", sagte sie leise lächelnd, als sie sie erreicht hatte.

[Tjeika]

Shaya Kerim & Eskya Zarin
Port Soles
November im 145. Jahr des Lichtes
Mittag

Shaya hob eine Braue und wechselte einen kurzen Blick mit Toyan.
"Die Wüste lebt?", murmelte sie skeptisch.
Sie war kein großer Freund der Wüste. Immerhin war sie ein Kind der Meere. Und es war ihr ein Rätsel, wie Menschen diese trockene, sandige Hölle so lobpreisen konnten.

Auch Eskya wusste nicht so recht, was sie davon halten sollte. Die dunkelhäutigen Männer und Frauen in den prächtigen Gewändern waren zwar nett anzuschauen, doch im Kopf offensichtlich etwas verwirrt.
Sie war so abgelenkt gewesen, dass sie Ana neben sich gar nicht bemerkt hatte.
"Ihr seid noch immer in der Stadt", stellte sie distanziert, aber freundlich fest und nickte ihr zu.

[Cassiopeia]

Toyan / Tazanna
Port Soles
November im 145. Jahr des Lichtes
Mittag

"Ich glaube, sie meint es ernst", murmelte Toyan skeptisch.

"Grüne Hügel, wo einst Sanddünen waren, Bachläufe, wo nur tote Flussbetten verliefen. Ein Wunder der Götter, ich sage es euch! Ein Wunder! Die Götter haben gesiegt und uns unser Land wieder gegeben! Seht selbst, Menschen aus aller Welt, was wir mitbrachten aus den erblühenden Gärten!" Die Frau in Grün, die offenbar die Wortführerin war, hob verschiedene getrocknete Blüten hoch, reichte Döschen mit Gewürzen herum.

"Kann man noch offensichtlicher schwindeln? Das ist ja beleidigend, die Menschen derart an der Nase herum zu führen!", befand Toyan. Wer sagte ihnen, dass die Dinge wirklich aus der Wüstenregion stammten? Dass es dort wirklich wieder grün und fruchtbar wurde?

Tazanna nickte leicht.
"Ihr ebenso. Die Stadt lebt wieder und bietet vielen Menschen ein Zuhause. Jeden Tag ein wenig mehr. Ich weiß, was es heißt, ungesehen zu bleiben. Ich denke, Ihr wisst ebenso um einen solchen Vorteil."

[Tjeika]

Shaya Kerim & Eskya Zarin
Port Soles
November im 145. Jahr des Lichtes
Mittag

Shaya hob eine Braue.
"Lass mich das überprüfen", raunte sie Toyan zu, als sie sich gedanklich auf den Weg in die Geister der offenkundigen Schwindler machte.
Sie selbst war ebenfalls skeptisch. Hatte jedoch auch die Mittel, um auf Nummer sicherzugehen.

Eskya senkte leicht den Kopf und lächelte. Das war ihre Art der Zustimmung.
"Wie haltet Ihr Euch über Wasser?"

[Cassiopeia]

Toyan / Tazanna
Port Soles
November im 145. Jahr des Lichtes
Mittag

Die Gedanken, in die Shaya blickte, waren tatsächlich unerwartet: Wüste und grüne, erwachende Landschaften neben einander, zart zurück kehrende Bachläufe, blühende Gräser, sogar wieder erblühte, einst für tot gehaltene Bäume und Sträucher. Die Händler logen nicht - die Wüste lebte tatsächlich wieder.
Doch es war nicht nur das. Die neuen Güter machten die Wüste als Landbesitz wertvoll, was zu Streitigkeiten zwischen den Clans der Wüste führte. Heimtücke, Mord und Intrigen wuchsen im Schatten der erblühten Bäume, zusammen mit der geheimnisvollen Art der Magie, die den Stämmen zu eigen war und die sie allein beherrschten. Auch zwei der Männer, die nun gekommen waren, waren Meister dieser Magie, die außerhalb der Wüste unbekannt war.

"Ich stamme aus Ayoma", sagte Tazanna leise. "Ich war dort im Untergrund mit meinem Bruder gegen die Bruderschaft. Dort habe ich gelernt zu überleben. Ich habe die Verschleppung in der Wüste überlebt." Ihr Blick wanderte zu den Menschen, die dort ihre wundersamen Geschichten und Waren anpriesen. "Diese Stadt ist voller Leben. Man müsste schon sehr unbegabt sein, hier nicht zu überleben."

[Tjeika]

Shaya Kerim & Eskya Zarin
Port Soles
November im 145. Jahr des Lichtes
Mittag

Shaya griff nach Toyans Hand, während sie die Gedanken, die sie zu sehen bekam, verarbeitete. Es überforderte sie beinahe, immerhin war sie es kaum mehr gewohnt, dass man seinen Geist nicht gegen sie abschirmte.
"Das ist unglaublich", murmelte sie noch mit geschlossenen Augen.
Jene öffnete sie dann, um Toyan anzublicken.
"Sie sagen die Wahrheit. Doch das neue Leben in der Wüste führt zu Neid und Missgunst", fasste sie das Gesehene knapp zusammen."

Eskya betrachtete Ana nachdenklich, während sie erzählte.
"Dein Bruder ist tot, richtig?", hakte sie nach.
Bei ihrem ersten Gespräch hatte die Fremde ihr nur von einem Verlust erzählt. Das schien jetzt konkreter zu werden.

[Cassiopeia]

Toyan / Tazanna
Port Soles
November im 145. Jahr des Lichtes
Mittag

Toyan hob eine Braue.
"Sie sagen die Wahrheit?", hakte er hörbar skeptisch nach und erinnerte sich an ihre Gedankenspiele, dass die Wüste durch Nalahrs Magie so ein lebensfeindlicher Ort wurde. Auf alten Karten hatte es diesen Bereich nicht gegeben.
"Das klingt ungut", sagte er leise. "Wenn das stimmt, dann wird auch Argoth seine Ansprüche ausweiten." Das konnte sich sehr schnell in eine sehr instabile Lage wandeln.

Tazannas Miene wurde ernst.
"Schon viele Jahre", antwortete sie knapp. "Aber er war der Grund, mich gegen die Bruderschaft zu wehren. Die Bruderschaft ist nun zerfallen, die Welt muss sich neu ordnen. Habt Ihr schon einen neuen Platz in der Gesellschaft gefunden?"

[Tjeika]

Shaya Kerim & Eskya Zarin
Port Soles
November im 145. Jahr des Lichtes
Mittag

Shaya biss sich auf die Unterlippe, während sie zustimmend nickte.
"Lass uns etwas von den Gewürzen mitnehmen. Mit Glück finden wir einen Magier, der daraus etwas über das Herkunftsgebiet sagen kann."

"Nein", antwortete Eskya und atmete einmal tief ein und wieder aus.
"Aber das findet sich sicher."
Wem machte sie hier eigentlich etwas vor?
"Und Ihr?"