Biarritz - 11. Mai 1530

Die Geschichte
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Siria
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Re: Biarritz - 11. Mai 1530

Beitrag von Siria »

Am Hafen, India
Mittag

Nekele fühlte sich gerade wie ein kleines Kind, dass etwas ausgefressen hatte. Sie mußte sich erstmal sammeln, sonst hätte sie wohl auch noch angefangen zu stottern und das wollte sie nicht, schließlich machte sie sich schon seit längerem Gedanken genau über diesen Punkt. Und sie würde jetzt keinen Rückzieher machen, nur weil Kara schlecht gelaunt war.
Mit ruhiger Stimme, aber festen Blick zu Kara sagte sie: "Weil ich das Gefühl habe, dass die Verantwortung mir über den Kopf wächst. Ich kann nicht mehr ich sein, weil von mir erwartet wird, dass ich Dinge regle, mit Menschen, die doch viel Älter und Erfahrener sind als ich. Ich bin dem nicht gewachsen. Ich... ich fühle mich eingeengt. Ich habe das Gefühl, ich irgendwie eine Hülle ohne Leben. Ich habe das Gefühl, ich darf keinen Fehler machen, weil es sich für eine Person in meiner Position nicht gehört. Ich versuche ständig es allen irgendwie recht zu machen und habe aber das Gefühl, dass ich es ja doch nicht schaffe, im Gegenteil, ich achte nicht mehr auf mich. Ich bin so Jung und viele so viel älter als ich. Ich habe immer das Gefühl, ich muß darum kämpfen, dass sie mich akzeptieren und mich nicht belächeln, wenn ich etwas sage. Daher möchte ich lieber kein zweiter Maat sein."
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Tjeika
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Re: Biarritz - 11. Mai 1530

Beitrag von Tjeika »

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Am Hafen, India
Mittag
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Kara brachten Nekeles Worte durchaus zum Nachdenken. Und ohne, dass es ihr bewusst wurde, wurde ihre Miene weicher. Natürlich konnte sie Nekele verstehen, hatte sie doch selbst in jungen Jahren als Tochter des Kapitäns und später dann in immer noch durchaus jungen Jahren als erster Maat und dann Kapitänin nach dem Tode ihres Vaters, den es immer noch zu rächen galt, gleiches erlebt. Doch genau das war bei ihr selbst gut gewesen. Dennoch wusste sie, dass nicht alles, was für sie selbst gut gewesen war, auch für Nekele gut sein musste. Und so seufzte sie und blickte Nekele offen an. So einfach würde sie es ihr nicht machen, wo doch noch nicht einmal klar war, ob das wirklich der richtige Schritt für Nekele war.
"Willst du aufhören, weil du Angst vor den Anderen oder vor dir selbst hast?"
"Hören Sie, Sir, folgendes... Es geht um meinen Teppich, der das Zimmer erst richtig gemütlich gemacht hat..."

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Siria
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Re: Biarritz - 11. Mai 1530

Beitrag von Siria »

Am Hafen, India
Mittag

Nekele wurde etwas entspannter, als Karas Worte nicht mehr so hart klangen. Doch ihre Frage war schwer, denn sie wußte es nicht.
"Ich weiß es nicht." sagte sie etwas kleinlaut.
"Es ist..." sie überlegte, es war verwirrend, was in ihrem Kopf umherspukte. "Ich... ich glaube, ich möchte einfach mal ganz unbeschwert sein. Immer hatte ich irgendwelche Verpflichtungen. Von mir wurde immer erwartet, auf meine Geschwister aufzupassen, Fischen zu gehen, aufzuräumen... ich habe manchmal das Gefühl, gar nicht zu wissen, wer ich bin, weil immer von etwas von mir erwartet wurde, und mir vorgegeben wurde wie ich sein soll. Aber bin ich so? Ich habe manchmal das Gefühl oder den Wunsch noch ein Mal Kind sein zu können. Einfach unbeschwert Dinge tun zu können. Das geht nicht, ich weiß, ich bin erwachsen und kein Kind mehr. Manchmal, da wünschte ich mir, einfach auf den Mast zu klettern und dann ins Meer zu springen, Thies mit Mehl einzupudern, weil er wieder eine Spitze gegen mich gebracht hat. Solche Dinge eben, die ein Kind tut." Nekele stoppte, es klang wahrscheinlich sehr albern, was sie hier erzählte und sie errötete. Was mußte Kara jetzt nur von ihr Denken. Sie konnte gar kein zweiter Maat sein, so kindisch, wie sie sich gerade gab.
"Ich weiß, ich kann dies sowieso nicht mehr tun, ich bin erwachsen und alle würden mich für verrückt halten. Ich habe einfach das Gefül, ich bin dem nicht gewachsen, weil ich noch nicht erwachsen genug bin. Ich glaube, ich habe Angst, weil ich gar nicht weiß, wer ich bin... Es ist irgendwie verwirrend...", gab sie schließlich zu.
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Tjeika
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Re: Biarritz - 11. Mai 1530

Beitrag von Tjeika »

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Am Hafen, India
Mittag
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Kara runzelte verwirrt die Stirn und kratzte sich am Kopf, nicht wissend, was sie daraufhin nun tun sollte.
"Ähm... ja, durchaus... verwirrend", murmelte sie und räusperte sich.
"Dir ist klar, was für eine Gelegenheit du hier aufgibst. Es liegt durchaus im Bereich des Möglichen, dass es die einzige Gelegenheit dieser Art jemals für dich sein wird. Daher fällt es mir so schwer, es dich aufgeben zu lassen. Genau genommen. Deine Gründe überzeugen mich nicht!"
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Therapistin
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Re: Biarritz - 11. Mai 1530

Beitrag von Therapistin »

Auf der India
Mittag

Viele der Taue hatte Klaas mittlerweile mit Ivory zusammen geflickt. Sie kamen gut voran, wie er fand und da im Laufe des Vormittags immer mehr Männer auf das Schiff gekommen waren – die meisten, wie er annahm, hatten wohl auch hier in Biarritz angeheuert – kamen sie nun sehr schnell voran.
Er stand gerade am Mast, als ihm jemand ein Seil in die Hand drückte, wenn er sich recht erinnerte, hatte Kara ihn zuvor als John vorgestellt. Er nickte dem Mann kurz zu und packte das Seil etwas fester, während er sich noch ein wenig über ihn wunderte, es aber dann mit einem Kopfschütteln abtat und den anderen einfach abwartend ansah.
Jeder Schatten ist auch ein Wegweiser zum Licht.


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Siria
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Re: Biarritz - 11. Mai 1530

Beitrag von Siria »

Am Hafen, India
Mittag

Nekele seufzte und ließ ihren Kopf auf den Tisch sinken. Was sollte sie nur tun? Eigentlich liebte sie die India und ihre Menschen. Und natürlich ehrte sie die Position als zweiter Maat. Natürlich hatte Kara Recht, dass sie so eine Möglichkeit vielleicht nie wieder bekam. Aber war das überhaupt wichtig? Und dann war dieser Drang in ihr, unbeschwert zu sein, nicht darüber nachdenken zu müssen, dass sie verantwortungsvolle Position hatte. Sie war zerrissen in ihren Gefühlen. Vielleicht sollte sie doch einfach gehen und irgendwo anheuern, wo sie niemand kannte... aber dann hätte sie niemanden mehr und dies hier war doch ihre Familie... vielleicht war auch einfach das das Problem. Vielleicht wehrte sie sich innerlich dagegen, weil es wie Familie war, es war so wie damals, als Dinge von ihr Verlangt wurden. Vielleicht wollte sie aus diesem Grund jetzt Kind sein, weil sie eine Familie hatte... aber wie sollte sie das Kara erklären?
Sie blickte wieder auf. "Ich kann das glaube ich nicht erklären, es geht mir zu viel durch den Kopf. Einerseits liebe ich es hier zu sein, weil... weil ihr doch meine Familie seid. Ich habe doch sonst niemanden und ich glaube, ich habe noch nie solchen Menschen wie dir und Thies so schnell vertraut. Aber es scheint mir, das alles würde mich zerreißen. Ich habe eine Familie gefunden und halte es irgendwie nicht aus. Aber weil ich eine Familie gefunden habe, will ich wieder Kind sein, so wie ich das doch immer wollte, dass ist dieser Drang nach Unbeschwertheit. Und einerseits möchte ich von euch fliehen, aber ich will euch doch auch nicht verlieren. Kara, ich weiß es doch einfach nicht!" sie sah sie flehend an. "Ich weiß einfach nicht, was richtig oder falsch ist. Ich weiß es doch einfach nicht." sie machte eine kurze Pause. "Manchmal denke ich, es wäre einfacher, wenn ich einfach gehe." sagte sie leise, nicht mehr Kara ansehend. "Was soll ich denn nur machen?"
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Re: Biarritz - 11. Mai 1530

Beitrag von Tjeika »

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Am Hafen, India
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Kara seufzte und stand schließlich auf, ehe sie nachdenklich an das Fenster trat. Die seichten Wellen des Atlantiks brachen sich an der India, hinterließen weißen Meeresschaum auf der Wasseroberfläche. Ein kleines Chaos, doch das große Ganze blieb davon unberührt. Und so war es letztlich auch auf der India. Für einen Augenblick schloss Kara die Augen, doch auch das war wieder nur ein kleiner Funken, der doch letztlich nichts änderte, wie es auch ihre Worte gewesen waren, die sie an Nekele gerichtet hatte. Sie hatten nichts an dem geändert, was Nekele empfand und vielleicht war ihre Entscheidung wie der Meeresschaum gewesen. Ein kleines Chaos, doch letztlich blieb das Meer intakt. Vielleicht war es genauso mit Nekele. Vielleicht war sie der Meeresschaum.
"Ich kann nicht behaupten, dass ich deine Entscheidung verstehen oder nachvollziehen kann. Aber auch ich denke, dass wir eine große Familie sind", sagte sie, als sie die Augen wieder öffnete und sich zu Nekele zurückdrehte.
"Wen schlägst du als deinen Nachfolger vor?"
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Siria
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Re: Biarritz - 11. Mai 1530

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Am Hafen, India
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Nekeles Blick ging einfach gerade aus, durch die Wand hindurch ins Nirgendwo. Karas Worte hallten in ihr wieder 'Ich kann nicht behaupten, dass ich deine Entscheidung verstehen oder nachvollziehen kann...' Nekele verstand sich doch zu einem Teil selber nicht und den anderen Teil verstand sie sehr gut.
Sie ging im Kopf die Besatzungsliste durch. Viele waren ja nicht mehr da, die ganzen Neuen wären nicht möglich. Sie fühlte sich elend, elender als zuvor. Machte sie denn nur alles falsch?
"Mir fällt niemand ein, außer John, der schon genügend Erfahrung hat.", sagte sie schließlich mit Tränen in den Augen, die sie schnell wegwischte. Ging es ihr jetzt besser? Nein.
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Re: Biarritz - 11. Mai 1530

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Am Hafen, India
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Die Tränen von Nekele waren Kara wahrlich nicht entgangen. Ihr Blick war noch immer weich. Sie konnte es zwar nicht verstehen oder gar nachvollziehen, was Nekele zu diesem Schritt bewegt hatte, dennoch, sie konnte verstehen, wenn man sich selbst nicht so recht verstand. Und irgendwie schien das bei Nekele der Fall zu sein. Sie schien selbst nicht so recht zu wissen, was sie wollte, wohin sie wollte.
"Bist du dir wirklich sicher, dass du das willst?", fragte sie - als Freundin und nicht als Kapitänin der India.
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Re: Biarritz - 11. Mai 1530

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Am Hafen, India
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Nekele starrte auf ihre Hände, dann zu Kara. "Nein!" sagte sie ehrlich. "Ich weiß grad gar nichts mehr. Kara... ich... anders... ich glaube, wir haben uns nie darüber unterhalten, was erwartest du von mir, als zweiter Maat?"
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