DREI - östliches Edaira-Gebirge

[Siria]

Samaa
Edaira-Gebirge
2. Quartal des Jahres 2457
Morgen

Samaa vergrub ihr Gesicht in ihren Händen. Es war tatsächlich eine große Verantwortung. Ihr Verstand arbeitete gegen ihr Gefühl: Kopf gegen Bauch. Und für einen Moment wünschte sie sich, dass das alles nicht passiert wäre. Aber ihre Instinkte, diese Gabe in ihr schrie so sehr danach endlich freigelassen zu werden. Endlich das sein zu können, was so lange verborgen war. Es war nicht zu stoppen, wie ein Vulkan der schon brodelte und nur darauf wartete, ausbrechen zu können.
"Ich kann das alles nicht leugnen. Es steckt in mir und will hinaus. Mein Verstand hat große Angst, aber alles andere in mir schreit danach, endlich das sein zu können, was ich bin: Ein Teil des Windes. Aber ich kann mein Baby nicht zurücklassen. Ich wurde zurück gelassen von meinen Eltern, ich weiß wie es ist irgendwo aufzuwachsen ohne wirklichen Halt. Ich kenne hier niemanden den ich wirklich vertraue und weiß, dass meine Tochter bei demjenigen gut aufgehoben ist. So wie ich ein Teil des Windes bin, ist sie ein Teil von mir. Und meine Mutterinstinkte sagen mir, dass ich mich braucht.", sie atmete tief durch.
"Lehre mich was ich brauche, um ein guter, verantwortungsvoller Elementar zu werden.", sagte sie schließlich entschlossen.

[Cassiopeia]

Elas
Edaira-Gebirge
2. Quartal des Jahres 2457
Morgen

Elas wartete geduldig bis Samaa sich in ihrer Entscheidung sicher war.
"Du bist Unsicher und hast Zweifel. Sie werden vergehen, wenn du verstehst. Je mehr du lernst, desto mehr wirst du verstehen. Je mehr du verstehst, desto bewusster wirst du dir deiner Verantwortung und wie sie einzusetzen ist."
Kurz war es, als bräche sich das Licht in winzigen Staubpartikeln, die den Windgeist für Samaa sichtbar machten.
"Willkommen, Tochter des Windes", begrüßte Elas sie feierlich. "Erhebe dich und sage mir, aus welcher Himmelsrichtung du den Wind spürst."

[Siria]

Samaa
Edaira-Gebirge
2. Quartal des Jahres 2457
Morgen

Samaa atmete tief durch, nickte und stand dann auf. Doch sogleich fühlte sie sich wie ein Schulkind, dass gerade dabei ertappt wurde, dass es nicht gelernt hatte.
"Ich...", sie zuckte mit den Schultern. "Ich würde sagen von dort.", sie zeigte mit ihrer Hand in eine Richtung. "Aber welche Himmelsrichtung es genau ist, weiß ich nicht.", gab sie ein wenig bedrückt zu. Himmelsrichtungen zu kennen, war noch nie wirklich wichtig gewesen. "So ungefähr Westen?", vermutete sie.

[Cassiopeia]

Elas
Edaira-Gebirge
2. Quartal des Jahres 2457
Morgen

"Nicht Westen", korrigierte sie Elas. "Nutze den Lauf der Sonne um die Richtungen zu lernen: wenn auf aufwachst, steht sie im Osten. Sie wandert nach Norden* und verliert ihr Licht im Westen. Bald wirst du die Windrichtung ohne den Sonnenstand kennen. Aber jetzt probier es noch einmal."
Der Wind kam aus Richtung der Sonne. Er hatte von Süd auf Ost gedreht und sich vom tosenden Sturm zu einem fröhlichen Windspiel gewandelt.


_______
* Wir sind auf der Südhalbkugel Marrekhs.

[Siria]

Samaa
Edaira-Gebirge
2. Quartal des Jahres 2457
Morgen

Samaa schaute hoch zur Sonne. Stimmt, das hatte sie im Kind mal im Unterricht, aber es war unwichtig geworden und sie hatte es tatsächlich vergessen.
"Dann ist es wohl Osten.", sagte Samaa schließlich. Der Wind schien nur noch fröhlich zu tanzen, im Gegensatz zum frühen Morgen, wo er noch deutlich schärfer blies.

[Cassiopeia]

Elas
Edaira-Gebirge
2. Quartal des Jahres 2457
Morgen

"Gut", sagte Elas und und wies Samaa an, sich nach und nach zu drehen um sich die Richtungen einzuprägen.
"Die Windrichtungen sind wichtig, da sie unterschiedliche Winde mit sich bringen. Aus dem Norden trägt der Wind das Salz und die Feuchtigkeit des Meeres tief ins Landesinnere. Aus dem Süden bringt er feinstes Eis und uralten Staub, ist oft hart und gnadenlos. Die Winde aus dem Osten sind unstet und wechselhaft, wie ein Spiel. Während der Wind aus dem Westen meist ruhiger und gleichmäßiger ist. Übe dich darin, die Winde zu erkennen und anhand derer die Himmelsrichtungen. So kannst du dich an ihnen orientieren, auch wenn du den Sonnenstand nicht kennst."

[Siria]

Samaa
Edaira-Gebirge
2. Quartal des Jahres 2457
Morgen

"Es ist kaum vorstellbar, dass man das nur anhand anderer Bestandteile im Wind herausfinden kann, woher er kommt. Es sind doch nur Nanopartikel, die den Wind unterscheiden, dennoch kann man diese... Schmecken? Oder Fühlen?", fragte Samaa nach.

[Cassiopeia]

Elas
Edaira-Gebirge
2. Quartal des Jahres 2457
Morgen

Elas lächelte leise.
"Das musst du selbst heraus finden. Ich bin ein Teil des Windes. Ich reise mit ihm, ich spreche für ihn. Ich schmecke nickt, ich fühle nicht", sagte er und seine Stimme klang wie das leise, tiefe Brummen des Windes.
"Du hast die Natur mit den Augen der Menschen kennen gelernt. Sie versuchen, jedes noch so winzige Teilchen zu verstehen. Doch sie begreifen es nicht wirklich. Sie spüren es nicht wirklich. Dir fiel es leichter als anderen, da du ein Teil davon bist. Jetzt, wo du es weißt, nimmst du weit mehr wahr als je zuvor."

[Siria]

Samaa
Edaira-Gebirge
2. Quartal des Jahres 2457
Morgen

Samaa lachte: "Das stimmt allerdings. Ich habe gelernt, die Natur zu beobachten, aus ihr etwas herauszuschlagen, aber nicht, sie zu erleben und zu spüren. Das habe ich jetzt wohl nachzuholen.", es war auf gewisse Weise spannend, wie ein Kind, das die Welt entdeckte, so konnte sie auch neu entdecken.
"Gibt es noch andere Windelementare, mit denen ich mich austauschen und von denen ich vielleicht lernen kann?", fragte sie Elas

[Cassiopeia]

Elas
Edaira-Gebirge
2. Quartal des Jahres 2457
Morgen

"Es gibt sie", bestätigte Elas und kurz schien der Wind um sie herum zu einem hellen Pfeifen zu werden,das schnell wieder abklang. "Verstreut in den verlorenen Landschaften des Südens. Ihr werdet einander finden, schon bald. Wenn ihr einander zuhört."