Re: 3. Port Soles
Verfasst: Di 15. Dez 2020, 16:46
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Réigam
Port Soles
Anfang Februar, 146. Jahr des Lichtes
Abend
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Réigam ließ sich etwas Zeit mit seiner Antwort. Zunächst entschied er, nicht zu sagen, dass auch jemand, der in Ruhe gelassen werden wollte, in eine Raum voller Menschen gehen konnte - manche Leute brauchten das Wissen um die Anwesenheit anderer, es beruhigte sie scheinbar irgendwie. Aber er wusste nicht, ob Tazanna so ein Mensch war, und außerdem war ihre Frage wichtiger, also schwieg er zu diesem Thema und legte sich lieber eine Antwort auf ihre Frage zurecht. Er formulierte eine Weile still in Gedanken, dann sprach er leise und in ruhigem, nachdenklichem Sprechtempo:
"Ich habe mein Leben lang Kämpfe erlebt, Gewalt und Tod. Sicher in einer Großstadt wie Port Soles ist das alles nochmal ... mehr. Größer. Heftiger. Aber es ist im Grunde nicht anders. Was mich trifft, ist nicht, dass die halbe Stadt in Trümmern liegt - ich habe mal erlebt, wie ein ganzes Dorf niedergemacht wurde. Das hier ist genauso, nur größer. Das heute war mehr Tod und mehr Zerstörung, aber wer das alles schon gesehen hat, den schockiert die bloße Menge nicht mehr sooo sehr. Es macht mich traurig, aber es schockiert mich nicht. Die meisten Toten habe ich gar nicht gekannt, und solange man selbst jemanden hat, um den man trauert, fragt man wenig nach namenlosen anderen Toten, um die andere trauern." Er hielt kurz inne und dachte an Akiya.
"Nein, was mich trifft, ist die Erkenntnis, dass es alles umsonst ist. Weißt du, früher, sozusagen 'in der alten Zeit', da habe ich das alles schonmal erlebt. Ja, ich weiß, nicht mit Blutmagiern und Erdbeben, aber vom Prinzip her. Und dann, dann kamt ihr und habt diese 'alte Zeit' beendet, und ich dachte 'Hey, juhu, das wars, diese schlimmen Zeiten sind vorbei!'. Tja, und heute habe ich gelernt, dass sie es nicht sind. Ich meine, klar habe ich 'gewusst', dass es so ist. Denk nur an Aceios Ränkespiele oder den Mord am Hafen. Aber es nur mit dem Verstand zu wissen ist anders, als es zu erleben, zu spüren. Seit heute weiß nicht nur mein Kopf, sondern auch mein Herz, dass die alten Zeiten nicht vorbei sind. Und sie werden auch nicht vorbei sein, egal was wir tun."
Seine Stimme verlor sich, als er auf die Tischplatte vor sich starrte und kurz seinen Gedanken nachhing, aber dann, gerade als Tazanna zu einer Antwort anhob, blickte er ruckartig auf und sah ihr in die Augen, und sie konnte sehen, dass er traurig war, aber nicht verzweifelt. Er wirkte eher irgendwie enttäuscht, als er weitersprach: "Versteh mich nicht falsch, es ist richtig, was wir tun, denn wenn wir es nicht tun, wird alles wieder wie vorher und das war noch schlimmer. Aber egal was wir tun, egal wie viele Gegner wir besiegen, es wird nie aufhören. Heute waren es Blutmagier, und wir haben sie geschlagen. Morgen sind es vielleicht Banditen oder Könige oder wer weiß wer, aber wir werden auch sie schlagen müssen, um die Rückkehr der alten Zeit zu verhindern, aber es ist egal, wie viele wir besiegen, denn es werden immer neue kommen und es wieder versuchen. Und dann, irgendwann, werden wir einmal einen nicht stoppen können, weil er zu stark ist oder wir zu alt oder zu bequem geworden sind nach einer Phase der Ruhe, aber auch das wird egal sein, denn dann werden andere kommen und unseren Platz einnehmen und weitermachen, und so wird es immer weiter gehen und niemals aufhören. Es ist ein Kampf, den man nicht gewinnen kann, weil er ewig dauert, solange es Menschen gibt. Aber wenn man ihn aufgibt, wird alles nur noch schlimmer, und deshalb muss man ihn ewig weiterkämpfen und weiß doch genau, dass man nie etwas besseres als ein Unentschieden herausschlagen können wird.
Es ist wie... wie ein Haus, das ständig am Einstürzen ist und das du deshalb dauernd reparieren musst, aber egal, wie viel du auch reparierst, es wird nie fertig sein, denn wenn du heute das Dach flickst, musst du morgen die Türe reparieren und gleichzeitig kannst du nur hoffen, dass der Kamin in der Zwischenzeit nicht verstopft, aber irgendwann wird er das tun. Aber wenn du aufhörst, das Haus zu reparieren, dann wird es in sich zusammenfallen und du wirst ohne Haus dastehen, und das ist noch schlechter, also musst du es immerzu reparieren, obwohl du genau weißt, dass du niemals fertig wirst und dass noch deine Kinder und Kindeskinder es dauernd reparieren müssen und du kannst ihnen das nicht ersparen.
Tja, und ich hatte gedacht, dass mit eurem Sieg das Haus endgültig repariert wäre, und heute habe ich gelernt, dass es nie endgültig repariert sein wird, und das trifft mich, weil ich immer dachte, 'Hey, wenn das Haus repariert ist, dann kannst du endlich mal was Schönes machen, ein neues Leben anfangen oder so', und jetzt weiß ich, dass ich den Rest meines Lebens damit zubringen werde, das Haus zu reparieren, und nichtmal das werde ich endgültig schaffen."
Er hatte sich ein kleines bisschen in Rage geredet, aber jetzt verstummte er und schaute Tazanna fast schon entschuldigend an. Inzwischen stand sein Eintopf vor ihm. Er hatte nicht einmal mitbekommen, wann Kiya ihn gebracht hatte, aber er begann, ihn zu essen, während er sowohl sich selbst als auch seiner Zuhörerin Zeit gab, das Gesagte sacken zu lassen. Manches davon war ihm selbst auch erst klar geworden, als er es ausgesprochen hatte.
Réigam
Port Soles
Anfang Februar, 146. Jahr des Lichtes
Abend
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Réigam ließ sich etwas Zeit mit seiner Antwort. Zunächst entschied er, nicht zu sagen, dass auch jemand, der in Ruhe gelassen werden wollte, in eine Raum voller Menschen gehen konnte - manche Leute brauchten das Wissen um die Anwesenheit anderer, es beruhigte sie scheinbar irgendwie. Aber er wusste nicht, ob Tazanna so ein Mensch war, und außerdem war ihre Frage wichtiger, also schwieg er zu diesem Thema und legte sich lieber eine Antwort auf ihre Frage zurecht. Er formulierte eine Weile still in Gedanken, dann sprach er leise und in ruhigem, nachdenklichem Sprechtempo:
"Ich habe mein Leben lang Kämpfe erlebt, Gewalt und Tod. Sicher in einer Großstadt wie Port Soles ist das alles nochmal ... mehr. Größer. Heftiger. Aber es ist im Grunde nicht anders. Was mich trifft, ist nicht, dass die halbe Stadt in Trümmern liegt - ich habe mal erlebt, wie ein ganzes Dorf niedergemacht wurde. Das hier ist genauso, nur größer. Das heute war mehr Tod und mehr Zerstörung, aber wer das alles schon gesehen hat, den schockiert die bloße Menge nicht mehr sooo sehr. Es macht mich traurig, aber es schockiert mich nicht. Die meisten Toten habe ich gar nicht gekannt, und solange man selbst jemanden hat, um den man trauert, fragt man wenig nach namenlosen anderen Toten, um die andere trauern." Er hielt kurz inne und dachte an Akiya.
"Nein, was mich trifft, ist die Erkenntnis, dass es alles umsonst ist. Weißt du, früher, sozusagen 'in der alten Zeit', da habe ich das alles schonmal erlebt. Ja, ich weiß, nicht mit Blutmagiern und Erdbeben, aber vom Prinzip her. Und dann, dann kamt ihr und habt diese 'alte Zeit' beendet, und ich dachte 'Hey, juhu, das wars, diese schlimmen Zeiten sind vorbei!'. Tja, und heute habe ich gelernt, dass sie es nicht sind. Ich meine, klar habe ich 'gewusst', dass es so ist. Denk nur an Aceios Ränkespiele oder den Mord am Hafen. Aber es nur mit dem Verstand zu wissen ist anders, als es zu erleben, zu spüren. Seit heute weiß nicht nur mein Kopf, sondern auch mein Herz, dass die alten Zeiten nicht vorbei sind. Und sie werden auch nicht vorbei sein, egal was wir tun."
Seine Stimme verlor sich, als er auf die Tischplatte vor sich starrte und kurz seinen Gedanken nachhing, aber dann, gerade als Tazanna zu einer Antwort anhob, blickte er ruckartig auf und sah ihr in die Augen, und sie konnte sehen, dass er traurig war, aber nicht verzweifelt. Er wirkte eher irgendwie enttäuscht, als er weitersprach: "Versteh mich nicht falsch, es ist richtig, was wir tun, denn wenn wir es nicht tun, wird alles wieder wie vorher und das war noch schlimmer. Aber egal was wir tun, egal wie viele Gegner wir besiegen, es wird nie aufhören. Heute waren es Blutmagier, und wir haben sie geschlagen. Morgen sind es vielleicht Banditen oder Könige oder wer weiß wer, aber wir werden auch sie schlagen müssen, um die Rückkehr der alten Zeit zu verhindern, aber es ist egal, wie viele wir besiegen, denn es werden immer neue kommen und es wieder versuchen. Und dann, irgendwann, werden wir einmal einen nicht stoppen können, weil er zu stark ist oder wir zu alt oder zu bequem geworden sind nach einer Phase der Ruhe, aber auch das wird egal sein, denn dann werden andere kommen und unseren Platz einnehmen und weitermachen, und so wird es immer weiter gehen und niemals aufhören. Es ist ein Kampf, den man nicht gewinnen kann, weil er ewig dauert, solange es Menschen gibt. Aber wenn man ihn aufgibt, wird alles nur noch schlimmer, und deshalb muss man ihn ewig weiterkämpfen und weiß doch genau, dass man nie etwas besseres als ein Unentschieden herausschlagen können wird.
Es ist wie... wie ein Haus, das ständig am Einstürzen ist und das du deshalb dauernd reparieren musst, aber egal, wie viel du auch reparierst, es wird nie fertig sein, denn wenn du heute das Dach flickst, musst du morgen die Türe reparieren und gleichzeitig kannst du nur hoffen, dass der Kamin in der Zwischenzeit nicht verstopft, aber irgendwann wird er das tun. Aber wenn du aufhörst, das Haus zu reparieren, dann wird es in sich zusammenfallen und du wirst ohne Haus dastehen, und das ist noch schlechter, also musst du es immerzu reparieren, obwohl du genau weißt, dass du niemals fertig wirst und dass noch deine Kinder und Kindeskinder es dauernd reparieren müssen und du kannst ihnen das nicht ersparen.
Tja, und ich hatte gedacht, dass mit eurem Sieg das Haus endgültig repariert wäre, und heute habe ich gelernt, dass es nie endgültig repariert sein wird, und das trifft mich, weil ich immer dachte, 'Hey, wenn das Haus repariert ist, dann kannst du endlich mal was Schönes machen, ein neues Leben anfangen oder so', und jetzt weiß ich, dass ich den Rest meines Lebens damit zubringen werde, das Haus zu reparieren, und nichtmal das werde ich endgültig schaffen."
Er hatte sich ein kleines bisschen in Rage geredet, aber jetzt verstummte er und schaute Tazanna fast schon entschuldigend an. Inzwischen stand sein Eintopf vor ihm. Er hatte nicht einmal mitbekommen, wann Kiya ihn gebracht hatte, aber er begann, ihn zu essen, während er sowohl sich selbst als auch seiner Zuhörerin Zeit gab, das Gesagte sacken zu lassen. Manches davon war ihm selbst auch erst klar geworden, als er es ausgesprochen hatte.