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Re: EINS - Edaira-Gebirge
Verfasst: So 3. Sep 2017, 12:07
von Cassiopeia
Solmon / Gon
Edaira-Gebirge
2. Quartal des Jahres 2457
Später Nachmittag
Gon entging der Zwiespalt nicht, dem Jaeden ausgesetzt war. Ebensowenig die winzige Bewegung seiner Hand auf dem Boden, er spürte die Verbindung zwischen dem Mensch und dem Felsen unter ihm.
"Gut. Dann musst du lernen, das zu hören, was niemand hören kann. Nicht menschliche Worte sind die Sprache Marrekhs, sondern etwas anderes. Eine sehr alte Sprache, die vor vielen Zeitaltern jedes Lebewesen auf Marrekh sprach. Heute gibt es kaum noch jemanden, der es kann. die Feen und Trolle, ja, aber die kümmern sich wenig um den Rest des Planeten. Sie wissen nicht, dass die Welt außerhalb ihres Gebietes weiter geht. Meine Erste Aufgabe an dich lautet daher: schweige. Lerne zu schweigen, junger Steinmann. Im Schweigen liegt die Ruhe des Zuhörens. Ich komme wieder, wenn die Sonne unter geht und du erzählst mir, was du erfahren hast."
Amjok lächelte leise in seinen Bart.
"Früher war eine Jagd ein heiliges Ereignis. Du weißt, wie wichtig sie noch heute für den Stamm ist. Wir werden zu Raubtieren wie die Berglöwen. Wir entscheiden über Leben und Tod - von uns und dem Tier, das wir erlegen. Das ist eine große Verantwortung, die jeder Jäger annehmen muss und der er sich stellen muss. Mal früher, mal später."
Re: EINS - Edaira-Gebirge
Verfasst: So 3. Sep 2017, 12:41
von Therapistin
Jaeden & Solmon
Edaira-Gebirge
2. Quartal des Jahres 2457
Später Nachmittag
"Feen und Trolle?" Jaedens Augen wurden groß. "Ich dachte immer, das wären nur Legenden und Märchen gewesen", murmelte er ungläubig. Doch wenn er nun genauer darüber nachdachte, durfte ihn dies eigentlich gar nicht mehr überraschen. Schließlich wusste er auch, dass es Drachen tatsächlich noch gab.
"Schweigen", murmelte er schließlich und lächelte leicht. "Ich bin tatsächlich hier heraus gekommen, um zuzuhören. Dann war mein Gedanke ja gar nicht so verkehrt." Vielleicht war es auch bloß die Intuition, die ihn eben hierher geführt hatte, an einen Ort, wo jemand ihm helfen konnte zu verstehen.
Solmon nickte.
"Wir stellen uns nicht nur den Tieren, sondern auch uns selbst", erklärte er, was die Stammesältesten den Kindern immer zu vermitteln versuchten. "Aber ich verstehe es erst jetzt wirklich, da ich auf meiner ersten Jagd dabei bin. Es ist eben viel mehr, als nur ein Tier zu erlegen." Er sah Amjok nachdenklich an.
"Gab es schon jemanden, der nicht bereit war, diese Verantwortung anzunehmen, der dann kein Jäger wurde?", fragte er. Sicher, bei den Frauen war es meist üblich, er kannte nur wenige, die mit auf die Jagden gingen, doch er wusste nicht genau, wie es da bei den Männern des Stammes war.
Re: EINS - Edaira-Gebirge
Verfasst: So 3. Sep 2017, 12:54
von Cassiopeia
Gon / Amjok
Edaira-Gebirge
2. Quartal des Jahres 2457
Später Nachmittag
Gon neigte leicht den Kopf.
"Dein Element hat dich her geleitet. Du hast darauf vertraut. Das ist ein Anfang. Nun lerne den nächsten Schritt. Ich verlasse dich jetzt, junger Steinmann. Bis Sonnenuntergang. Nutze die Stille, höre und fühle. Verzweifle nicht. Hab Geduld. Du wirst es verstehen."
Er sah Jaeden noch einmal an, dann verschwand er und Jaeden war allein in der Höhle.
Amjok lachte leise.
"Mehr als du denkst. Aber niemand redet laut darüber. Für viele Männer ist das eine schmachvolle Erkenntnis, dass sie nicht den Mut und die Stärke des Charakters besitzen, die ein Jäger braucht. Ich verurteile niemanden dafür. Es ist eine Prüfung und es ist keine Schande, wenn man sie nicht besteht. Doch das sieht nicht jeder so."
Re: EINS - Edaira-Gebirge
Verfasst: So 3. Sep 2017, 13:18
von Therapistin
Jaeden & Solmon
Edaira-Gebirge
2. Quartal des Jahres 2457
Später Nachmittag
Jaeden sah noch eine Weile auf die Stelle, wo Gon verschwunden war, dann seufzte er leise.
"Nun denn, Farentino, du hast es gehört, sei still und höre zu", murmelte er sich selbst Mut zu, legte auch die zweite Hand flach auf den Boden, ohne Druck auszuüben und schloss die Augen. Es würde noch ein langer Abend werden, fürchtete er, doch er war bereit, sich dem zu stellen. Auch wenn er nicht wusste, wohin genau es führen würde.
"Ich finde nicht, dass es eine Schande ist", sagte Solmon leise. "Jeder von uns ist anders, jeder hat andere Stärken und auch Schwächen. Man muss eben herausfinden, welche man wie am besten einsetzt, um dem Stamm gut nutzen zu können. Und wenn man nicht jagen kann oder will, dann übernimmt man eine andere Aufgabe." Tatsächlicher aber hoffte er selbst, dass die Jagd für ihn das Richtige wäre.
Re: EINS - Edaira-Gebirge
Verfasst: So 3. Sep 2017, 13:36
von Cassiopeia
Gon / Marek
Edaira-Gebirge
2. Quartal des Jahres 2457
Abend
Der Nachmittag schritt voran und der Abend kam. Die Sonne neigte sich dem Horizont entgegen, die ersten Sterne waren zu sehen.
Gon kehrte zurück in die Höhle, die nun in Dunkelheit dalag. Er sagte nichts, sondern wartete auf Jaeden. Der würde wissen, dass er da war, wenn er sich seiner Aufgabe eingehend genug gewidmet hatte.
Sie entzündeten nur wenige Feuer. Marek trat wieder zu Solmon.
"Du hast dich gut mit Amjok unterhalten, habe ich gesehen. Von seiner Erfahrung kannst du viel lernen. Wir gut sind deine Augen? Kannst du Nachtwache halten? Kennst du die Rufe der Wildtiere um uns herum?"
Re: EINS - Edaira-Gebirge
Verfasst: So 3. Sep 2017, 14:21
von Therapistin
Jaeden & Solmon
Edaira-Gebirge
2. Quartal des Jahres 2457
Abend
Es sah beinahe aus, als schliefe Jaeden. Er lehnte an der Felswand der Höhle, die Augen noch immer geschlossen und die Hände lagen mit gespreizten Fingern auf dem Boden. Doch Schlaf war das Letzte, an das der junge Mann dachte.
Nachdem Gon gegangen war, hatte er sich zuerst nur auf seine Atmung konzentriert, darauf seinen Herzschlag zu beruhigen, bis er ihn kaum mehr wahrnahm, sodass er auf andere Dinge lauschen konnte. Die Steine waren ihm vertraut vorgekommen und doch so fremd. Je weiter der Abend jedoch voran schritt, umso mehr erschienen sie ihm wie alte Freunde, die er neu kennen lernen musste. Sie schickten ihm Wärme, obwohl sie hier unten in der Höhle so kalt waren. Jaeden konzentrierte sich auf eben jene Wärme, die ihren Ursprung tief im Inneren des Planeten hatte, das spürte er genau. Eine Weile genoss er dieses Gefühl einfach, bis er eine Veränderung wahrnahm, ganz leicht nur, als wollte sein Element ihn prüfen. Sachte Wogen brachen durch die Wärme, mal fast unerträglich heiß, dann wieder eisig kalt. Wie Tag und Nacht. Fast, als erzählten die Steine eine Geschichte, die Jaeden noch nicht verstehen konnte. Doch er war zuversichtlich, dass es ihm irgendwann gelingen würde.
Er wusste nicht, wie lange er so da gesessen hatte, doch es durchfuhr ihn schließlich ein zartes Zittern, vom Boden ausgehend, das ihn die Augen öffnen ließ - weil er spürte, dass jemand hier war. Es überraschte ihn, wie dunkel es schon war.
"Ist die Sonne tatsächlich schon unter gegangen?", fragte er Gon. Er fühlte sich, als hätte das Steinwesen ihn gerade erst verlassen. Wie lange der ihn wohl schon beobachtete?
"Du möchtest, dass ich Nachtwache halte?", fragte Solmon nun doch mehr als überrascht. Unsicherheit schwang in seiner Stimme mit, doch als er weiter sprach, klang auch ein wenig Stolz mit, dass Marek ihm das zutraute.
"Ich denke schon", nickte er also schließlich zuversichtlich. Doch alsbald war die Unsicherheit zurück und er sah Amjok an. "Also wenn das für Amjok in Ordnung ist. Ich möchte kein Last sein."
Re: EINS - Edaira-Gebirge
Verfasst: Mi 13. Sep 2017, 20:22
von Cassiopeia
Gon / Marek
Edaira-Gebirge
2. Quartal des Jahres 2457
Abend
Gon lächelte innerlich.
"Das ist sie schon vor einer Weile", bestätigte er. "Was hast du gehört von den Steinen in der Tiefe?", fragte er Jaeden neugierig.
Marek lächelte.
"Du hast gute Augen und die brauchen wir gerade in der Nacht. Du bist nicht allein, aber ich traue dir die Wache zu. Besprich dich mit Amjok, wenn dir etwas auffällt. Eine Last bist du gewiss nicht. Die zweite Nachtschicht übernehmen Lahin und Sore."
Re: EINS - Edaira-Gebirge
Verfasst: So 15. Okt 2017, 10:25
von Therapistin
Jaeden & Solmon
Edaira-Gebirge
2. Quartal des Jahres 2457
Abend
Jaeden lächelte verlegen. Tatsächlich hatte er nicht bemerkt, dass die Sonne schon so lange untergegangen war. Was sicherlich auch daran lag, dass er hier unten in einer Höhle saß, in die das Licht kaum vorzudringen vermochte. Erst recht nicht, wenn es auch über der Oberfläche keines mehr gab.
Was ihn zudem erstaunte war, dass er sich hier unten nicht vor der Dunkelheit fürchtete. Als kleiner Junge hatte er sich in den Nächten nie weit von den Feuerstellen gewagt, weil er Angst vor den Schatten hatte. Und ganz verschwunden war diese Furcht noch immer nicht, auch wenn er es seit Jahren versuchte, vor den anderen zu verbergen.
"Sie erzählen von Licht und Schatten", versuchte er Gon schließlich zu erklären, was er von den Steinen vernommen hatte. "Von Tag und Nacht. Von Wärme und Kälte. Es ist wie eine schnelle Geschichte ihrer Existenz. Vulkanausbrüche, Erdbeben im Süden. Überschwemmungen im Norden." Jaeden schwieg einen Moment. "Es ist schwierig, all diese Informationen zu unterscheiden und zu verstehen. Da ist noch so vieles mehr, das ich wahrnehme, aber nicht zu deuten vermag." Er hoffte sehr, dass er dazu irgendwann in der Lage sein würde.
"Danke für dein Vertrauen", sagte Solmon dankbar. Er hatte schon Wachen am nächtlichen Feuer in den Höhlen gehalten - und war eingeschlafen, sodass es erloschen war. Dass Marek ihm nun hier draußen vertraute, war Wertschätzung genug.
"Ich werde dich nicht enttäuschen", versprach er und setzte sich sogleich ein wenig aufrechter hin, damit ihm auch nichts entgehen konnte.
Re: EINS - Edaira-Gebirge
Verfasst: Mi 18. Okt 2017, 12:44
von Cassiopeia
Gon / Marek
Edaira-Gebirge
2. Quartal des Jahres 2457
Abend
"Das ist sehr gut", sagte Gon erfreut, "du hast sehr viel verstanden, viel mehr als ich erwartet habe. Du trägst ein großes Erbe in dir. Wie fühlst du dich? Bist du erschöpft?", fragte er Jaeden und setzte sich auf einen kleinen Vorsprung in der Höhle.
"Zeit hat in dieser Höhle keine Bedeutung, junger Steinmann. Aber du bist ein Mensch, du musst Essen und schlafen und andere Dinge tun, von denen die Steine nichts wissen. Die Steine sind Ruhe und Kraft, aber sie können auch Kraft rauben von dem, der mit ihnen in Verbindung steht. Achte auf dich. Die Sonne ist längst unter gegangen und der Himmel voller Sterne. Du hast eine lange Reise und Stunden voller neuer Erfahrungen hinter dir. Das ist viel auf einmal."
Re: EINS - Edaira-Gebirge
Verfasst: Mi 18. Okt 2017, 13:43
von Therapistin
Jaeden
Edaira-Gebirge
2. Quartal des Jahres 2457
Abend
Jaeden runzelte die Stirn und lauschte in sich hinein. Und wie, um Gons Worte zu bestätigen, musste er herzhaft gähnen und wandte sich verlegen ab.
"Du hast Recht. Ich habe nicht gemerkt, wie kräftezehrend es ist, wenn ich den Steinen lausche", sagte er leise. Er blickte das Steinwesen wieder an. "Aber ich fühle mich auf gute Weise erschöpft. Es ist so spannend, was der Planet mir gibt, dass ich kaum merke, wie müde es mich macht." Einen Augenblick hielt er inne und fischte aus seinem Beutel den Wasserschlauch, um einen Schluck daraus zu nehmen. "Wird es mich irgendwann nicht mehr so sehr erschöpfen, wenn ich mehr Übung habe? Oder werde ich dann merken, wenn es mich zu sehr ermüdet?"