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Re: ZWEI - östliches Edaira-Gebirge

Verfasst: So 17. Jun 2018, 12:56
von Siria
Samaa
Edaira-Gebirge
2. Quartal des Jahres 2457
Morgen

"Naürlich... mehr braucht man nicht...", wiederholte Samaa leise. Eine andere Welt, so langsam, sie saß hier und aß ganz in Ruhe. Sie hatte sonst das Frühstück unterwegs eingenommen. Sie hatte keine Zeit für ein ruhige Essen. Und hier? Hier saß man einfach rum. Zwar hatte sie im Moment auch keine Kraft für andere Dinge, aber sie konnte sich gar nicht vorstellen, dass das Leben so ganz anders sein konnte. Ihr Leben war immer geprägt von Leistung gewesen.
"Ein Heulen?", Samaa hörte noch mal hin. Für sie war es tatsächlich kein Heulen. Sie hatte einen Sturm noch nie so erlebt und sie hatte fast das Bedürfnis hinaus zu gehen, um sich ihn anzuschauen. Törricht natürlich, daher unterließ sie es.
"Für mich klingt es wie ein Singen...", sagte sie noch mal und lächelte dann. "Liegt wohl daran, dass ich einen Sturm so noch nie gehört habe. Bei uns gab es dicke Wände, Fenster und Türen, die das alles abgehalten haben. Nur der Himmel war dann immer anders gefärbt, aber wir waren den Winden selten so ausgesetzt wie hier.", erklärte sie.
Wieder zog ihr Unterleib und Samaa verzog leicht ihr Gesicht. Dann beruhgte es sich wieder. "Mein Kind ist heute wohl sehr aktiv.", sagte sie schulterzuckend.

Re: ZWEI - östliches Edaira-Gebirge

Verfasst: So 17. Jun 2018, 15:53
von Cassiopeia
Anoara
Edaira-Gebirge
2. Quartal des Jahres 2457
Morgen

Anoara konnte sich kaum vorstellen, dass das Leben im Norden so anders war. Sie hörte Samaa einfach zu und nickte leicht als diese auf den Himmel zu sprechen kam.
"Der Himmel, ja. Der kann beeindruckend sein." Wolkentürme, groß und drohen, oder ein glattes, zartes Rosa, manchmal in kleinen Flocken...
"Vielleicht braucht es etwas nach dem Stress der letzten Tage, um selbst zur Ruhe zu kommen", überlegte Anoara vorsichtig.

Re: ZWEI - östliches Edaira-Gebirge

Verfasst: So 17. Jun 2018, 16:05
von Siria
Samaa
Edaira-Gebirge
2. Quartal des Jahres 2457
Morgen

Samaa hatte das Fladenbrot verspeist. Sie sehnte sich schon jetzt nach frischen Früchten und Obst, das alles gab es hier wahrscheinlich nicht. Die Wüste war zu trocken. Sie dachte an Gewächshäuser, aber woher das Material nehmen... Sie mußte selber über ihre Gedanken schmunzeln.
So genau wie Anoara hatte sich Samaa noch nicht den Himmel angeschaut. Es war nicht wichtig für sie. Sie kannte sich mit Teilchen aus, mit den verschiedenen Stoffen im Boden, mit Giftstoffen in der Luft, aber nicht mit Wolken.
"Und die Wolken verraten euch, wie ihr das Wetter einschätzen müßt?", fragte sie interessiert weiter. Ihr Blick gleitete über die Menschen in der Höhle. "Kommen oft Menschen aus dem Norden hier her?", fragte sie weiter.
Sie rieb noch immer ihren Bauch. Sie hoffte inständig, dass ihr Kind auch nur Ruhe brauchte. In der Stadt wäre sie ständig überwacht worden. Die Kinder von gelehrten Eltern waren wertvoll und daher achtete man von Anfang an auf sie. Hier nun lebte sie im Dreck, niemand achtete auf die Gesundheit ihres noch nicht geborenen Kindes. Wie sollte es hier überleben?
"Gibt es hier einen Arzt?", fragte sie daher gleich noch mit.

Re: ZWEI - östliches Edaira-Gebirge

Verfasst: So 17. Jun 2018, 16:18
von Cassiopeia
Anoara
Edaira-Gebirge
2. Quartal des Jahres 2457
Morgen

Anoara nickte. "Wer die Wolken kennt, kennt die Sprache Marrekhs", sagte Anoara. "Das hat mein Großvater immer gesagt. Nun, er war nicht mein leiblicher Großvater, aber für mich hier war er einer. Ich vermisse ihn sehr." Sie strich sich durch das dunkle Haar und sah besorgt zu Samaas Bauch.
"Esla kennt sich mit Gesundheit aus. Sie ist nicht aus dem Norden, aber auch hier kommen Kinder zur Welt", sagte Anoara. "Soll ich sie holen?"

Re: ZWEI - östliches Edaira-Gebirge

Verfasst: So 17. Jun 2018, 16:26
von Siria
Samaa
Edaira-Gebirge
2. Quartal des Jahres 2457
Morgen

Samaa verstand Anoaras Trauer. "Es ist immer schwer, jemanden zu verlieren. Hast du noch andere Verwandte?", fragte sie nach, bis ihr bewußt wurde, was hier mit ihr eigentlich passierte.
"Wie naiv war ich nur?!", platzte es aus Samaa raus. Was hatte sie sich nur gedacht? Sie hatte sich das alles anders vorgestellt. Nun saß sie hier und Panik stieg in ihr auf. Sie fühlte sich eingesperrt von der Höhle, dem Sturm, es gab kein Zurück mehr. Ihre Nervosität übertrug sich auf das Baby in ihr, welches sich vermehrt bewegte.
"Ich weiß nicht!", sagte sie. Samaa war auf das alles nicht vorbereitet, sie war letzten Endes nebenbei Schwanger, in den letzten Monaten galt es einfach nur zu flüchten, nicht, sich mit der Schwangerschaft auseinander zu setzen. Sie war ca im 8 Monat, so genau wußte sie es gar nicht, weil sie die Tage nicht mehr gezählt hatte.

Re: ZWEI - östliches Edaira-Gebirge

Verfasst: So 17. Jun 2018, 19:47
von Cassiopeia
Anoara
Edaira-Gebirge
2. Quartal des Jahres 2457
Morgen

Anoara schüttelte leicht den Kopf.
"Nicht naiv. Verzweifelt", sagte sie leise, auch wenn sie keine Ahnung hatte, was die junge Frau hoch schwanger zu Fuß hier her gebracht hatte. "Du hast all das nicht ohne Grund getan, Samaa. Du bist so weit gekommen. Hier bist du sicher. Du brauchst Sicherheit und Ruhe für dein Kind. Die Verzweiflung hat dich angetrieben, immer weiter zu gehen. Du darfst sie jetzt loslassen."
Anoara war jung, doch sie hatte Frauen wie Samaa gesehen. Nicht alle hatten es geschafft, das los zu lassen, vor dem sie geflohen waren.

Re: ZWEI - östliches Edaira-Gebirge

Verfasst: So 17. Jun 2018, 19:55
von Siria
Samaa
Edaira-Gebirge
2. Quartal des Jahres 2457
Morgen

Samaa blickte die junge Frau liebevoll an. Sie hatte Recht mit ihren Worten, aber das alles umzusetzen, das schien gerade so weit weg. Wieder zog es in ihrem Bauch. Samaa versuchte es zu ignorieren, sie wollte nicht, dass jetzt irgendwas mit ihrem Kind passierte.
"Du hast Recht, ich habe es nicht ohne Grund getan.", sie seufzte und atmete tief durch. Sie blickte Anoara an. Eine wildfremde Frau, kümmerte sich gerade so liebevoll um sie, das war sie nicht gewohnt.
"Warum kümmerst du dich so um mich? Was erwartest du von mir? Ich kann dir nichts geben.", sprach sie ihre Gedanken aus. Kurz verkrampfte sie ihre Hände, da der Schmerz im Bauch kurz zugenommen hatte.

Re: ZWEI - östliches Edaira-Gebirge

Verfasst: So 17. Jun 2018, 19:59
von Cassiopeia
Anoara
Edaira-Gebirge
2. Quartal des Jahres 2457
Morgen

Anoara sah Samaa irritiert an.
"Ich erwarte gar nichts", sagte sie verwirrt. "Du hast... vorhin gefragt, ob oft Menschen aus dem Norden her kommen. Manchmal... manchmal, ja. Oft sind es Frauen. Und sie sind immer verzweifelt. Nicht alle finden den Weg aus der Verzweiflung. Ich will nur... ich weiß nicht. Helfen, irgendwie. Ich will mich aber nicht aufdrängen, bitte entschuldige." Samaa schien noch sehr durch einander zu sein.
Ihr entging ihre kurze Schmerzreaktion nicht.
"Hast du Schmerzen?", fragte sie dann alarmiert nach.

Re: ZWEI - östliches Edaira-Gebirge

Verfasst: So 17. Jun 2018, 20:07
von Siria
Samaa
Edaira-Gebirge
2. Quartal des Jahres 2457
Morgen

Samaa konnte das nicht nachvollziehen. Man erwartete doch immer eine Gegenleistung. In ihrer Gesellschaft war das immer so gewesen. Niemand tat etwas einfach so. Es gab ein gewisses Interesse. Nur unter sehr engen Freunden oder in der Familie war dies vielleicht anders. Aber Samaa hatte kaum Freunde.
"Nein, du drängst dich nicht auf...", warf Samaa gleich ein und atmete wieder tief durch. "Es ist nur... so ungewohnt für mich, dass jemand mir einfach so helfen will. Mir was zu essen gibt, wo es doch nur so wenig gibt. Ich kenne das nicht.", gestand sie und riss die Augen auf. Das ziehen in ihrem Bauch wurde stärker.
"Ich bin noch nicht bereit für das Kind.", entfuhr es ihr und hielt sich den Bauch. "Es beruhigt sich bestimmt gleich wieder.", hoffte sie. Mit aller Macht versuchte sie zu verdrängen, dass irgendwann das Kind zur Welt kommen würde, ihr Leben dadurch vielleicht noch mehr aus dem Gleichgewicht gebracht wurde.

Re: ZWEI - östliches Edaira-Gebirge

Verfasst: So 17. Jun 2018, 20:23
von Cassiopeia
Anoara
Edaira-Gebirge
2. Quartal des Jahres 2457
Morgen

"Wir sind nicht wie die Menschen im Norden. Wenn sie so sind, dann sind es schlechte Menschen", sagte Anoara. "Wären wir alle auf Leistung und Gegenleistung bedacht, würde diese Gemeinschaft nicht mehr existieren. Hier draußen kann man nur überleben, wenn man lernt zu geben, ohne Erwartungen zu haben. Und, wenn man annehmen kann, was andere einem geben. Das ist nicht immer einfach. Aber es hilft, sich darauf einzulassen."
Besorgt sah sie zu Samaa. Langsam wurde es ihr mit deren Schmerzen unheimlich. Vielleicht sollte sie doch Esla holen.