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Tobis
Auf der Polaris
2. Quartal des Jahres 2457
Abend

Auch Tobis blickte nun zu den beiden Monden hinauf. Es war jedes Mal aufs Neue ein unglaubliches Schauspiel und der Anblick ließ sich kaum in Worte fassen. Man musste es wenigstens einmal im Leben gesehen haben, erst dann verstand man diese Schönheit.
"So erzählt man es sich", sagte Tobis und zuckte leicht mit den Schultern. "Doch ob sie es tatsächlich tun, weiß ich nicht. Wenn du einmal eine triffst, solltest du sie fragen", lächelte er. Es war zwar fraglich, ob überhaupt ein Gespräch zustande käme, doch versuchen konnte man es ja.

Vaia
Auf der Polaris
2. Quartal des Jahres 2457
Abend

Das Gespräch interessierte die kleine Wasserelfe und sie flog vorsichtig näher. Der ältere der beiden hatte schon einmal eine von ihnen gesehen? Das passierte selten. Sie fragte sich, warum eine ihrer Schwestern sich ihm gezeigt hatte. Sie musste etwas in ihm gesehen haben. Doch noch mehr faszinierte sie der Junge. Sie konnte es förmlich sehen, fast schon greifen. Ob er wusste, wer er wirklich war? Was er war? Sie waren so selten geworden. Sie flog noch ein wenig näher.

Ketyr
Auf der Polaris (Seevolk)
2. Quartal des Jahres 2457
Abend

Ketyrs Augen leuchteten beinahe. Dann sah er etwas im Augenwinkel und suchte die Wasseroberfläche ab. War dort nicht etwas gewesen? Etwas, das keine Welle war, keine gewöhnliche Reflexion des Mondlichts in dieser magischen Nacht?
Ketyr tat etwas, was er noch nie getan hatte: er begann zu pfeifen. Wie ein Lied der Wellen, welches schon immer in ihm geschlummert hatte. Es kam ganz von selbst wie eine lang vergessene Sprache. Leise und zögernd, sehnsuchtsvoll und wartend.
Er wusste nicht, dass er pfeifen konnte, noch, warum er es tat. Es war, als käme dieser Impuls ganz von selbst und es war das einzig Richtige, dem nach zu geben.

Tobis
Auf der Polaris
2. Quartal des Jahres 2457
Abend

Auch Tobis sah aufs Wasser, als er etwas bemerkte, das nicht von dem Doppelmond stammte. Doch er konnte nichts Genaues erkennen.
Das schien allerdings im nächsten Moment sowieso gänzlich ohne Belang. Tobis' Härchen stellten sich auf, als Ketyr zu pfeifen begann. Hastig sah er vom Wasser zurück zu dem Jungen neben sich, doch der schien es kaum wahrzunehmen. Die Melodie war Tobis gänzlich unbekannt und doch schien sie ihm vertraut, vielleicht hatte er sie als Kind einmal vernommen? Doch sie schien ihm auch irgendwie nicht ganz von dieser Welt - oder aus dieser Zeit.
Neugierig lauschte er Ketyr, er wollte ihn nicht unterbrechen.

Vaia
Auf der Polaris
2. Quartal des Jahres 2457
Abend

Vaia war langsam nähergeflogen und erstarrte mitten in der Bewegung. Diese Melodie kannte sie. Mehr noch, keine Wasserelfe konnte sich ihrer magischen Wirkung entziehen. Ihr Blick heftete sich auf den Jungen. Woher kannte er sie? Langsam flog sie näher. Sie achtete kaum noch darauf, ob sie in Deckung und vor den Blicken verborgen blieb. Zu sehr war ihr Geist gefangen von den Tönen des Jungen.

Ketyr
Auf der Polaris (Seevolk)
2. Quartal des Jahres 2457
Abend

Ketyrs Melodie kam ihm wie von selbst von den Lippen und als sie leise verstummte, blickte er direkt in das Antlitz einer winzigen Gestalt. Sein Geist war noch gefangen in der Magie des Liedes und so wusste er sofort, wen er vor sich hatte. Er war nicht einmal erstaunt. Es war, als hätten sie zu einander gefunden über diese uralte Melodie. Ketyr lächelte und neigte den Kopf gegenüber der Elfe. Endlich. Er hatte sie gefunden.
Langsam kehrte er in die Gegenwart zurück. Spürte wieder den Wind im Haar, die Gegenwart von Tobis und das raue Holz unter seinen Händen. Und noch immer war da die Elfe. Staunend weiteten sich seine Augen.
"Tobis?", flüsterte er leise, "siehst du sie auch?"

Tobis
Auf der Polaris
2. Quartal des Jahres 2457
Abend

Tobis lauschte dem Klang von Ketyrs Pfeifen, bis er im Augenwinkel eine Bewegung wahrnahm und sich zum Wasser drehte. Eine Wasserelfe schwebte auf das Schiff zu, fast wie in Trance war sie und achtete bloß auf Ketyr, der schließlich verstummte.
"Sie ist wirklich hier", sprach er sehr leise zu dem Jungen, ohne den Blick von der Elfe zu nehmen. "Deine Melodie hat sie angelockt." Er hielt einen Moment inne. "Woher kennst du dieses Lied, Junge?", fragte er und drehte sich schließlich doch Ketyr zu. Die Elfe war wegen des Jungen hier, nicht seinetwegen.

Ketyr
Auf der Polaris (Seevolk)
2. Quartal des Jahres 2457
Abend

Ketyr sah Tobis verständnislos an. Welches Lied?
"I-ich weiß es nicht", flüsterte er und sah wieder zu der Elfe. Sie war noch immer da. Ganz langsam streckte Ketyr den Arm aus und hielt ihr seine offene Hand hin.
"Das kam einfach von selbst", versuchte er sich zu erinnern, welche Melodie Tobis meinte. "Wie in einem Traum. Ich erinnere mich nicht richtig. Aber ich weiß, dass ich es gemacht habe." Ein sehr komisches Gefühl.

Vaia
Auf der Polaris
2. Quartal des Jahres 2457
Abend

Sie sah die Hand des Jungen, die fast so groß war, wie sie selbst. Doch es ging nichts bedrohliches von ihr aus. Langsam flog sie näher. Inzwischen war es egal, dass er sie sah. Er war einer von ihnen. Ein Freund. Er würde ihr nichts tun.
Sie schwebte kurz über seiner Hand, dann ließ sie sich im Schneidersitz darauf nieder und betrachtete ihn neugierig. Wie alt mochte er wohl sein? Sicher erst wenige Jahrhunderte. Er wirkte nicht viel älter als sie. Nachdenklich legte sie den Kopf schief.

Tobis
Auf der Polaris
2. Quartal des Jahres 2457
Abend

Tobis schüttelte ungläubig den Kopf und blinzelte mehrmals, um sicherzugehen, dass er sich das alles auch wirklich nicht bloß einbildete. Doch die Elfe war da, mehr noch, nun setzte sie sich auf Ketyrs Hand, als wäre es das Normalste der Welt.
"Das ist unglaublich", flüsterte er kaum hörbar und sah von dem kleinen Wesen zu Ketyr. War dies ein Zeichen? War es Ketyr, nach dem Tobis schon so viele Jahre Ausschau gehalten hatte? Ein echter Elementar? Das galt es auf jeden Fall herauszufinden.
"Sprich mit ihr", riet er dem Jungen leise und legte vorsichtig und langsam eine Hand auf dessen Schulter, um die Elfe nicht zu erschrecken.