Re: Ruf der Wölfe
Verfasst: So 16. Nov 2014, 23:32
@Ria: Ich hab hier frecherweise nicht auf dein Review geantwortet, sorry für die Wartezeit.
Hier geht es nun weiter mit einem etwas gewagten Bogen, den wir damals geschlagen haben. Es sollte ja schließlich ein Happy End geben... hoffe, es gefällt
Wie immer die Aufteilung: Meggie - ich, Espen - vojka, plus die jeweiligen Gegenparts als interagierende Charas.
Auf zum vorletzten Kapitel, in dem ich jetzt faulerweise keine Kursivstellen abgeglichen habe. Werde ich bei Gelegenheit nachholen, versprochen.
5. Wolfsnacht
Meggie zitterte. Sie stand nur in Jeans, Schuhen und T-Shirt draußen im Dunkeln im Schnee. Sie fror entsetzlich, nicht nur wegen der eisigen Kälte, die sie umgab. Auch ihr Inneres schien einzufrieren und sich aus diesem Leben zu verabschieden. Jetzt war es also soweit, sie würde alles verlieren, was ihr wichtig war, im schlimmsten Fall ihr eigenes Leben. Um sie herum standen die Frauen des Rudels, mittlerweile verwandelt, alle bis auf zwei. Joana stand direkt vor ihr, einige Schritte zurück stand Amanda, von der Meggie wusste, dass sie Ärztin war. Sie würde als einzige in ihrer Menschengestalt bleiben und Meggies Zustand überwachen.
Angstvoll starrte Meggie zum Waldrand, über dem bald der Vollmond aufgehen sollte. Sie wimmerte beinahe vor Angst und Kälte, krümmte sich zitternd zusammen und wäre am liebsten überall sonst, nur nicht hier. Plötzlich kam Unruhe in die Gruppe wartender Weibchen und Meggie schloss Angstverzerrt die Augen. Sie wusste, nun war es soweit und als Joana sich vor ihr verwandelte musste sie an sich halten, nicht fort zu rennen, zitterte stattdessen nur noch mehr und begann zu ihrer Scham erneut wieder zu weinen vor lauter Überforderung. Sie wollte nicht hier sein, sie wollte nur nach Hause, nach Texas, wollte ihre Eltern in die Arme schließen und ihnen sagen, dass sie sie liebte.
Joana tat es weh Megan so zu sehen. Sie konnte nur hoffen, dass diese die Nacht überstand und ihr neues Leben annehmen konnte. Es wäre sonst für Espen das Ende, das wusste sie, auch wenn Mike dies nicht sehen wollte. Espen war von Megan schon viel zu gefangen.
Als der Mond aufging, verwandelte sie sich und wartete, bis die ersten Mondstrahlen die Baumwipfel überstiegen. Gerne hätte sie Megan beruhigt, aber sie wusste aus eigener Erfahrung, dass keine Worte der Welt diesen Moment leichter machen konnten. Sie hatte ihr alles gesagt, was wichtig war, mehr konnte sie nicht tun. Spätestens jetzt würde Megan begreifen, dass es wirklich real war. Sie konnte dem nicht entkommen.
Joana reckte ihren Hals und als der richtige Moment kam, trat sie direkt vor Megan und sah sie an. Sie wusste, dass ihr Fell im Mondlicht hell wirkte und ein wenig von dieser Eigenschaft würde auch auf Megan übergehen. Die arme Frau konnte sich vor Angst kaum noch auf den Beinen halten, geschweige denn, bewegen. Sie war wie gelähmt und zu keiner Reaktion mehr fähig. Joana seufzte innerlich, leckte ihr kurz mit der warmen Zunge über die eiskalte Hand. Dann stellte sie sich auf die Hinterläufe und biss Megan in die Schulter. Sie schmeckte das metallische Blut, hörte Megans Schrei, der in der Luft zu erbeben schien. Das war es also, der Virus war in Megans Körper und würde von der Blutbahn aus sofort seine Wirkung entfalten. Joana trat zurück um Amanda ihren Job machen zu lassen und besorgt zu Megan zu sehen, die nun bewusstlos und blutend im Schnee lag. Sie musste es einfach schaffen.
Megans Herz raste, alles in ihr war auf Flucht geschaltet, doch ihre Beine waren schwer wie Blei. Sekunden wurden zur Ewigkeit, bis die ersten Strahlen des silbrigen Mondes sie trafen. Joana trat vor sie, Megan sah sich unfähig zu reagieren, blanke Panik erfüllte und lähmte sie. Plötzlich ging alles ganz schnell und mit einem Schmerzensschrei ging sie zu Boden, als der Schnee unter ihrer Schulter sich rot färbte. Schmerz, unglaublicher Schmerz durchflutete sie und Megan schwanden die Sinne. Pures Gift schien sie zu durchdringen, von der Schulter ausgehend, bis es auch die letzte Faser ihres Körpers erreicht hatte und Megan glaubte zu verbrennen. Sie verkrampfte, spürte wie ihre Knochen brachen und ihre Eingeweide sich verzogen. Niemals hatte sie etwas derart Schreckliches erlebt. Die Schmerzen überstiegen ihre Vorstellungskraft um ein Vielfaches. Schließlich verlor sie die Besinnung, als ihr Körper kapitulierte, innerlich zertrümmert und vergiftet. Nun begann die langsame Regeneration als neues Wesen.
Als Megan wieder zu sich kam, war ihr unglaublich heiß. Zugleich fühlte sie sich als hätte sie die letzte Nacht an einem Stromgenerator verbracht, unheimlich aufgeladen und voller Energie. Sie nahm sehr viele Gerüche wahr, kurz darauf auch Geräusche, Stimmen, die nur flüsterten. Ohne aufzusehen wusste sie, dass Joana ihr am nächsten war und war verwirrt, dass sie deren Eigengeruch sofort erkannt hatte. Verwirrt blinzelte sie und schlug die verklebten Augen schließlich auf. „Wo... wo bin ich?", murmelte sie. „Was... ist passiert?"
„Sssch, bleib ruhig liegen. Amanda will sich erst deine Schulter ansehen", sagte Joana sanft und hielt Megan an ihrer gesunden Schulter auf ihrem Lager. „Du liegst auf deinem Lager in der Schlafhöhle der Frauen. Du bist jetzt eine von uns. Wie geht es dir?", fragte sie und machte etwas Platz, als Amanda kam.
„Guten Morgen, Megan. Wie geht es dir? Hast du Schmerzen?", wollte sie wissen und nahm vorsichtig den Verband von der Schulter, welchen sie in den Morgenstunden angelegt hatte, nachdem ihre Neuwölfin sich zurück verwandelt hatte. „Die Wunde sieht sehr gut aus. Sie ist schon fast wieder verheilt, ich denke in ein, zwei Stunden sind nichts als einige kleine weiße Punkte zu sehen."
Meggie ächzte schmerzvoll, als sie sich aufrichten wollte. „Ich... ich kann mich nicht erinnern", murmelte sie und erst, als der Verband bereits ab war und Amanda die Wunde begutachtet hatte, blickte sie selbst zu ihrer Schulter. Sie sah vernarbt aus und als sie vorsichtig mit dem Finger darüber strich spürte sie, dass die Haut sich fester anfühlte, als sei sie gespannt worden. Fragend sah sie in die Runde und ihr Blick blieb bei Joana hängen. „Du... du hast mich gebissen", es war mehr eine Feststellung, eine Erinnerung denn eine Frage. Erst dann sah sie Amanda wieder an. „Nur noch ein wenig Schmerzen beim Aufstützen. Aber wie kann das sein, dass es bereits so gut verheilt ist? Bin ich jetzt eine... eine Werwölfin?", fragte sie leise, beinahe ängstlich und hätte sich am liebsten irgendwo hin verkrochen, wo nicht so viele fremde Gerüche waren. War dies alles wirklich Realität? Kaum möglich. Espen fiel ihr wieder ein, wo war Espen?
Amanda nickte. „Ja Kindchen, du bist jetzt eine von uns. Wie geht es dir bei diesem Gedanken?", fragte sie nach und lächelte. „Werwölfe haben einige erstaunliche Kräfte. Die enorme Wundheilung gehört dazu. Du wirst dich nach und nach daran gewöhnen und ganz neu kennen lernen."
Ohne es bewusst zu merken kroch Meggie rückwärts, bis sie an der Wand saß. „Ich verstehe das nicht", gestand sie sehr leise und ein seltsamer Fluchtinstinkt stieg in ihr auf. Sie fühlte sich bedroht, was sehr widersprüchliche Reaktionen in ihr hervorrief, die sie nicht verstand. „Es ist plötzlich alles so anders, so...so viel auf einmal. Es ist also wirklich wahr", murmelte sie und richtete sich etwas auf, hielt den Blick vorsichtshalber gesenkt. Zögernd sah sie schließlich doch wieder auf. „Bin ich jetzt in eurem Rudel?", fragte sie leise und sah sie anderen unsicher an, noch immer nicht wirklich begreifend, was hier vor sich ging.
„Das es anders ist, stimmt. Deine Sinne sind viel feiner, du hörst mehr, riechst besser, dürftest jetzt auch hier in der Höhle mehr sehen als gestern, obwohl hier nicht mehr Licht ist", erklärte Joana ruhig und beobachtete genau jede Reaktion der anderen. „Und ja, du bist jetzt ein Teil unseres Rudels."
„Ich...", begann Meggie zögernd, seufzte dann aber und fing den Satz noch einmal an. „Was ist letzte Nacht passiert? Ich habe keinerlei Erinnerungen daran. Kann ich mich jetzt jederzeit in eine Wölfin verwandeln?", fragte sie noch immer etwas ungläubig, sie würde es erst begreifen, wenn sie dies bewusst erfuhr, doch so wirklich traute sie sich nicht, dies zu probieren. Sie hatte ja auch keinerlei Ahnung, wie sie dies anstellen sollte. „Und ich habe entsetzlichen Durst", stellte sie fest und sah sich nach etwas zu Trinken um.
„Ich werde dir etwas holen", sagte Amanda und erhob sich um etwas Wasser aus der Vorratskammer zu holen.
„Fangen wir mit dem Leichten und Kurzen an. Ja, du kannst dich nun jederzeit in deine Wolfsgestalt verwandeln. Dies üben wir, wenn deine Schulter ganz ausgeheilt ist, solange wirst du dich noch etwas gedulden müssen. Ich kann dir aber schon einmal sagen, dass du eine sehr schöne Wölfin bist. Ein schönes dunkelbraunes Fell mit einigen helleren Stellen, die du wohl von mir hast", erklärte Joana lächelnd.
„Letzte Nacht waren wir im Wald unterwegs und haben diesen erkundet, nachdem du verstanden hattest, wie du dich auf vier Pfoten fortbewegst. Wir haben ein Wildschwein erlegt. Du wolltest immer wieder in eine bestimmte Richtung verschwinden und ich hatte ziemliche Probleme dich davon abzuhalten", lächelte sie. „Oh und ehe du fragst, Espen war in dieser Richtung, er war mit den Männern in einem anderen Teil des Waldes in der vergangenen Nacht unterwegs und wie ich von Mike weiß, wollte auch er immer zu dir und Mike, Nathan und John hatten ziemliche Probleme ihn in Schach zu halten", grinste sie frech.
Meggie verschluckte sich beinahe bei seinem Namen und setzte hastig das Glas ab. Mit geweiteten Augen stand sie auf, sie kannte nicht den Grund, aber das Gefühl war sehr eindeutig. Alles in ihr rief nach Espen, nach seiner Sicherheit, von der sie wusste, dass nur er sie ihr geben konnte. So etwas hatte sie noch nie zuvor gefühlt, doch der Moment war so überwältigend, dass sie gar nicht darüber nach dachte, woher es kam. Vielleicht waren es verstärkte Gefühle, die die negativen ausgelöscht hatten, die sie ihm gestern noch entgegen gebracht hatte. Vielleicht waren es reine Instinkte, die sie zu ihm riefen. Sie verstand es nicht, aber für den Moment wollte sie es auch gar nicht verstehen. Sie wollte nur von Espen in Sicherheit gehalten werden. „Espen - wo ist er?", fragte sie Joana, wartete eine Antwort jedoch gar nicht erst ab, sondern bahnte sich einen Weg an ihr vorbei und hoffte, ihn im Männerschlafsaal zu finden.
„Kein Durchgang für dich", versperrte ihr Kyle den Weg, ein junger, stark aussehender Wolf.
„Bitte, ich muss zu Espen, ich bin sein - sein W-"
„Ich weiß wer du bist, aber die Regeln gelten auch für dich. Tut mir leid, für Frauen kein Zutritt, ebenso wenig wie für Männer im Frauensaal."
„ESPEN?!", rief sie, wenn sie niemand zu ihm ließ, musste sie ihn eben rufen. „ESPEN!"
Espen hörte wie Kyle jemandem den Weg verstellte und noch ehe sie etwas sagen konnte, roch er sie schon. Er schloss die Augen und betete um Kraft, ehe er aufstand und an den Eingang trat.
„Meg", sagte er sanft und nahm sie beim Arm, warf Kyle einen düsteren Blick zu und führte Megan in den Aufenthaltsraum. „Wie geht es dir?", fragte er sie und musterte sie ganz genau, als könne er alleine dadurch schon erkennen, ob sie alles gut überstanden hatte. Sie sah gut aus, auch wenn ihre Verwirrung sehr deutlich lesbar war. Er war so erleichtert, dass sie lebte. Dass sie nun direkt kam um ihn zu suchen, ließ sein Herz ein wenig schneller klopfen.
Erleichtert sah Meggie Espen an, warum hatte das so lange gedauert? Ihr Herz klopfte ganz schnell als sie schließlich bei einander saßen und sie wurde sich peinlich bewusst, dass sie ihn mit großen Augen ansah. Verlegen senkte sie den Blick auf ihre Hände und suchte für einen Moment nach Worten. „Ich hatte nicht geglaubt, dass das wirklich passiert", flüsterte sie etwas beschämt. „Aber ich habe es geschafft, ich bin eine Wölfin und ob du es glaubst oder nicht, mein erster Gedanke galt dir, als ich zu mir kam. Ich... ich musste dich einfach sehen", sagte sie und sah ihn zögernd an. „Ist das... real, was ich fühle?", fragte sie leise und sah ihn unsicher an. „Dieses unglaublich starke Gefühl, bei dir sein zu müssen, nur bei dir in Sicherheit zu sein und in deinen Armen zur Ruhe kommen zu wollen?" Sie merkte, wie vor Verlegenheit ihr Gesicht begann zu glühen, aber sie hatte es einfach aussprechen müssen, auch wenn sie dabei noch immer zu ihren Händen sprach und nicht wagte, Espen anzusehen, so peinlich war ihr dieser Gefühlsausbruch, den sie sich nicht erklären konnte.
Espen nickte, ehe ihm aufging, dass Megan dies nicht sehen konnte. „Ja", sagte er mit belegter Stimme und räusperte sich. Am liebsten wollte er sie über seine Schulter werfen und einen ruhigen Ort suchen. Aber er hatte ihr versprochen sich zurück zu halten, er musste sich zurückhalten, wollte er sie nicht verlieren, das wusste er. „Ich habe schon oft gehört, dass es den Weib – den Frauen nach der Verwandlung so geht. Bei Joana und Mike war es nicht anders. Und es wird noch stärker werden, wenn wir erst verheiratet und wirklich vereint sind. Aber ich habe dir gesagt, ich setze dich da nicht unter Druck und daran halte ich mich", sagte er und bemühte sich, seine Stimme unter Kontrolle zu halten.
Meggie holte tief Luft und sah Espen nun wieder offen an. „Wenn ich bisher eines gelernt habe im Leben, dann meine Gefühle so anzunehmen, wie ich sie empfinde. Verleugnung oder Verdrängung hilft keinem, am wenigsten mir selbst. Das habe ich dir gestern deutlich gezeigt, Angst, Ablehnung, Zweifel bis hin zur vorsichtigen Annäherung. Joana hatte Recht als sie sagte, dass nach dieser Nacht alles anderes wird", sagte sie und lächelte. „Was jetzt für mich zählt, bist du, Espen. Ich habe keine Erklärung dafür, aber ich kann es nicht verleugnen, dass ich einfach weiß, dass du mein Partner bist, dass du mir den Halt gibst, den ich in dieser Unsicherheit brauche. Dass ich dich brauche. Es ist unheimlich und schön zugleich, aber ich weiß, wenn ich mich dagegen wehre, verleugne ich mich selbst. Das kann und will ich nicht tun."
„Hei.... eißt das etwa das was ich ....", fragte er unsicher, traute sich auch nicht, die Frage zu Ende zu stellen, er konnte nur hoffen, dass es genau dies hieß was er sich so sehr wünschte.
Meggie lächelte nur, brachte ihr Gesicht dicht vor seines und strahlte ihn an. „Das heißt es", flüsterte sie, schloss die Augen und küsste ihn. Es war ein Feuerwerk, welches in ihr entbrannte und zugleich wusste sie, dass genau das hier das Richtige war. So seltsam und unvernünftig es erscheinen mochte, es war der einzige Weg, den sie gehen wollte nach dieser Nacht. Wenn sie eine Werwölfin war, dann würde sie es an seiner Seite sein.
Espen wollte protestieren, als Megan ihn küsste, das konnte sie doch nicht tun, sie waren noch nicht verheiratet! Aber sobald ihre Lippen die seinen berührten, war dieser Gedanke vergessen umd er zog Meg näher zu sich heran. Er glaube er würde fliegen.
„Auseinander ihr zwei, ehe ihr weiter geht als gut ist. Hebt euch alles Weitere für die Hochzeitsnacht auf. Ich habe alles für die Hochzeit vorbereitet. Megan, Joana erwartet dich im Frauenschlafsaal und wird dir beim Fertigmachen helfen. Espen, auf dich wartet Mike“, unterbrach Cliff Espens und Megans Kuss. „Kyle ist schon dabei draußen ein Feuer aufzurichten und einen Hirschen zu grillen. Also los, in einer Stunde erwarte ich euch zu euer Hochzeit", grinste er und zog Espen einfach mit sich, der nicht wirklich verstand, was gerade passierte.
Ungläubig bis regelrecht entsetzt starrte Meggie dem mitgezerrten Espen nach. Und sie hatte ihre Eltern für prüde gehalten... großer Gott! Und wieso hatten die anderen bereits alles vorbereitet, wenn sie doch gar nicht hatten wissen können, was passieren würde?
Als sie aufsah, blickte sie direkt in Joanas breit lächelndes Gesicht. „Na komm", sagte diese nur und Meggie, noch immer etwas verstört und überrumpelt von den Ereignissen und eigenen plötzlichen Gefühlen, fühlte sich wie fremdgesteuert, als sie Joana in den Frauenschlafsaal folgte. Würde sie wirklich in einer Stunde verheiratet sein? Das alles ging so unglaublich schnell. Doch wenn es die einzige Möglichkeit war, in Espens Nähe zu sein... sie erkannte, dass ihr die Hochzeit nichts mehr ausmachte, dass ihr Espen nicht mehr wie ein bedrohlicher Fremder erschien. Im Gegenteil, alles in ihr schien nach ihm zu verlangen, seiner Nähe, seinem Schutz, seiner... Liebe?
Meggie wusste nicht, ob es Liebe war, die sie empfand, ihrer Meinung nach war Liebe etwas, das gemeinsam wuchs und stärker wurde. Vielleicht würde es eines Tages Liebe sein, dachte sie und lächelte nun in unerwarteter Vorfreude auf das, was kommen würde.
Espen ließ sich eher widerwillig von Cliff mitziehen und beim Umziehen helfen, da er nicht wirklich dazu in der Lage war. Seine Gedanken waren die ganze Zeit bei Megan, seiner Meg, die wirklich bald die seine sein würde. Er konnte es noch nicht glauben. Seine Lippen kribbelten noch immer von ihrem Kuss, so warm und weich.
Er hatte es gehofft, dass es so kommen würde, aber geglaubt hatte er es nicht, nachdem Megan gestern noch so ablehnend ihm gegenüber gewesen war. Nun würde sie in einer Stunde schon seine Frau sein, ein unfassbarer Gedanke.
Meggie bekam kaum etwas von dem mit, was mit ihr geschah. Der Verband wurde entfernt, ihre Haare wurden gekämmt und sie erhielt zwei winzige Spritzer Rosenparfüms hinter die Ohren. Vollkommen nackt stand sie nun im Raum und staunte, als Amanda ihr ein Kleid brachte. „Es ist nichts Besonderes, aber es ist eine gewisse Tradition, dass die neuen Weibchen dieses Kleid bei ihrer Hochzeit tragen", erklärte sie. Es war ein sehr schönes Kleid, wenn auch sichtbar getragen, doch das störte Meggie in diesem Moment kein bisschen. „Und keine Unterwäsche", zwinkerte Joana, Meggie wurde prompt rot, als würde Espen dies sofort wissen, wenn er sie sah.
„Nicht einmal einen Slip?", fragte sie nervös und Joana lachte, während sie ihr in das Kleid half.
„Vor allem keinen Slip, Liebes", sagte sie, was Meggie dazu brachte, noch roter zu werden. „Lass dich ansehen. Du siehst perfekt aus, Liebes, Espen wird sabbern", strahlte sie und ließ Meggie sich einmal um sich selbst drehen. Amanda hatte ihre die Haare hoch gesteckt und Meggie konnte gar nicht anders als ebenfalls zu strahlen. Slip hin oder her, sie würde Espen zum Mann nehmen und allein der Gedanke war so verrückt, dass sie glaubte über den Boden zu schweben, als sie, von Joana geführt, den Raum schließlich verließ.
Wie dies sein konnte, nachdem all ihre Gedanken bisher nur von Flucht und Angst erfüllt gewesen waren, war ihr ein Rätsel. Was auch immer letzte Nacht mit ihr passiert war, hatte sie vollkommen verändert. Ihr Denken, ihr Fühlen, ihre Wahrnehmung und ihre Gestalt. Sie fühlte, dass der Wolf ein Teil ihrer Selbst war, als hätte jemand ihrer Seele eine Gestalt gegeben. Seltsamerweise zweifelte sie keine Sekunde daran, dass dies genau so sein musste und absolut richtig war. Nun würde sie also Espen heiraten – wobei die Heirat nur Formsache war. Viel wichtiger war das neue, starke Gefühl in ihr, mit dem Erwachen des Wolfes den eigenen Gegenpart erkannt zu haben. All das, was gestern noch Distanz und Ablehnung gewesen war, war heute Sehnsucht und das Wissen, dass er allein es war, der ihren Geist auffangen konnte, der ihr Halt gab. Er war der einzige, zu dem sie gehörte und an dessen Seite sie sein wollte.
Espen schluckte nervös, als er die Höhle verließ und von Mike begleitet zu einer kleinen Lichtung ging, auf welcher sie die Hochzeiten abzuhalten pflegten. Er dachte an Banes und Innas Hochzeit gewesen und betete, dass seine Zukunft nicht so aussah. Wobei Megan wirklich bereit war, bei Inna war es nicht ganz so intensiv gewesen und Espen hatte nach deren Tod die Vermutung gehabt, dass Bane sich geirrt hatte bei seiner Wahl. Dies kam nur selten vor, wenn der Werwolf spürte, dass seine Zeit ablief.
Nach Megans Reaktion hatte er die richtige Wahl getroffen. „Meinst du, Bane hat sich damals geirrt?", wollte er leise von Mike wissen und sah zu seinem Freund, Rudelführer und Trauzeugen.
Mike lächelte, Espens Nervosität war sehr verständlich, aber da musste er nun durch. Mike erinnerte sich an seine eigene Hochzeit, der glücklichste Tag in seinem Leben, als Joana ihn tatsächlich gewählt hatte. „Über Bane kann ich keine Aussage treffen. Aber sowohl du als auch Megan seid bereit für einander", sagte er und legte Espen beruhigend eine Hand auf den Oberarm. „Sonst hätte sie nicht als erstes nach dir gefragt, wie ich gehört habe. Sie ist dein Weibchen und hat dich angenommen aus freien Stücken. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Banes Schicksal dich nicht einholen wird."
Meggie war einen Moment geblendet, als sie hinaus in den Schnee traten. War dieser schon immer so unglaublich hell gewesen? Erst dann fiel ihr auf, dass es bereits wieder dämmerte. Bis wann hatte sie geschlafen?
Doch das war nun irrelevant, wichtig war nur das, was vor ihr lag. Sie fror nicht mehr, der Schnee knirschte unter ihren bloßen Füßen und schmolz rasch, sodass sie tiefe Fußspuren hinterließ. Nervös knetete sie ihre Hände, als sie plötzlich etwas roch. Espen war hier gewesen, sogleich schlug ihr Herz ein paar Takte höher.
Nur mit Mühe konnte sie sich davon abhalten, zu rennen um endlich bei ihm zu sein. Dann, endlich, sah sie ihn, wie er auf einer Lichtung stand und alles andere war vergessen. Dass das ganze Rudel versammelt war und der Hochzeit beiwohnen würde, nahm sie gar nicht wahr, ihr Blick war einzig auf Espen gerichtet, der atemberaubend aussah in seinem Anzug.
Langsam ging sie auf ihn zu und als sie ihn endlich erreicht hatte, meinte sie zu schweben und strahlte einfach noch mehr, falls dies überhaupt möglich war, da sie nicht im Stande war auch nur ein Wort heraus zu bringen.
Espen schluckte, als Megan au die Lichtung trat. Sie sah einfach atemberaubend aus. Alles andere war vergessen, nur noch Megan zählte. Was Cliff sagte bekam er nicht mit, es war unwichtig und erst, als dieser ihn leicht anstieß bemerkte er, dass er nun gefragt war.
„Was du ihr sagen willst", knurrte Cliff leise, aber grinsend. Immerhin war dieser es gewohnt. Die Brautpaare, die er an diesem Ort traute, bekamen in den seltensten Fällen irgendetwas von dem mit was er sagte.
„Meg, als ich dich roch wusste ich, die oder keine und als Mike gestern sagte er wisse nicht, ob er mich beglückwünschen oder bemitleiden soll, weil du deinen eigenen Kopf hast, habe ich nur gesagt, dass es genau das ist, was ich an dir mag, an dir liebe. Ich werde dich respektieren und dir deine Eigenständigkeit nicht nehmen, denn ich weiß, dass dies deine größte Sorge war. Ich werde immer dein sicherer Hafen sein, dein Anker, dein Ruhepol. Ich werde dich lieben, solange ich lebe und freue mich auf die gemeinsame Zukunft mit dir."
Megan hatte tatsächlich Tränen in den Augen und musste sich erst etwas sammeln, ehe sie sprechen konnte. Sie schluckte einmal, holte tief Luft und sah Espen in die Augen. „Ich kenne dich jetzt kaum mehr als 24 Stunden und habe dabei so ziemlich jedes Gefühl durchlebt, was es gibt. Ich habe dich gehasst, verachtet, war wütend, zornig, traurig, verletzt, verzweifelt. Was hier geschehen ist, gerade geschieht, ist unfassbar und ich kann es immer noch nicht glauben, dass es wahr ist. Aber es ist meine Realität und damit bist du meine Realität, Espen. Die einzige, die ich im Moment bereit bin zu akzeptieren, denn was immer es auch ist, ich weiß, dass ich dich brauche wie die Luft zum Atmen. Du hast mich aufgegriffen und mir gesagt, ich sei dein Weibchen und wenn die Nacht vorbei ist, würde ich dich wollen. Ich habe dich für verrückt erklärt. Aber hier bin ich als - als dein Weibchen und bereit, an deiner Seite zu stehen, was immer auch kommen mag."
Espen lächelte glücklich und sah Megan strahlend an. Ihre Worte wischten jeglichen noch so leisen Zweifel, sollte er jemals vorhanden gewesen sein, fort. Sie wollte ihn. Wollte an seiner Seite sein, sie war sein Weibchen und hatte dies selbst angenommen. So und nicht anders würde es sein. Espen war der glücklichste Mann der Welt.
„Da ihr beide erklärt habt das Leben teilen zu wollen, erkläre ich euch hiermit zu Männchen und Weibchen", sagte Cliff und zum ersten Mal bekam Espen mit, was dieser sagte.
"Ihr dürft euch jetzt küssen und dann wollen wir euch erst wieder sehen, wenn der leckere Hirsch, den Kyle zubereitet fertig ist. Wir werden euch dann rufen.“
Meggie strahlte und trat einen Schritt auf Espen zu als sie seine Hände, die sie die ganze Zeit über gehalten hatte, los ließ und ihre eigenen um seinen Hals legte. Einen Moment sah sie ihm einfach in die Augen, versank in ihnen wie in einem Ozean, ehe sie ihren Kopf leicht neigte und ihre Lippen auf die seinen legte, zärtlich und wie ein Versprechen.
Espen glaubte erneut zu fliegen, als Meggie ihre Lippen auf die seinen legte. Es war ein unbeschreibliches Gefühl, eines welches er nie wieder missen wollte. Er bekam nur am Rande mit, dass die anderen sich zurück zogen um zur Feier zu gehen. Er selbst hob Meggie sanft auf seine Arme und verließ mit ihr die Lichtung. Immer wieder fanden sich ihre Lippen, was ihn seine Schritte unbewusst beschleunigen ließen.
Schließlich kamen sie zu einer kleinen Hütte, die eigentlich Mike und Joana gehörte. Jedes der Paare besaß solch ein kleines Domizil im Wald. Er selbst würde das von Megan und ihm in den nächsten Tagen bauen. Mit dem Ellenbogen drückte er die Klinke herunter und stieß die Tür auf.
Der Innenraum bestand eigentlich nur aus einem riesigen Bett und einem Kamin, den Mike einst gebaut hatte. Jede Hütte sah anders aus, soviel er wusste, denn er betrat solch eine zum ersten Mal in seinem Leben.
Sanft ließ er Megan auf dem Bett nieder. Er war schon auf Megans Wünsche für ihre Hütte gespannt, aber diese Gedanken rückten zur Seite, als er wieder zu seiner Frau sah.
„Weißt du eigentlich wie atemberaubend du aussiehst?", fragte er leise und betrachtete sie einfach nur und schluckte etwas. Er war nervös, sein Herz schlug unnatürlich schnell. Technisch gesehen wusste er was nun kam, wie es funktionierte, aber ihm wäre wohler wenn er auch wusste wie dies umzusetzen war.
Meggie konnte nicht anders als ununterbrochen zu strahlen und als Espen sie tatsächlich hochhob und trug, als sei sie eine Feder, war sie immer wieder versucht, ihn zu küssen. Es fühlte sich gut und richtig an, ihre Zweifel und Ängste vom Vortag waren vergessen. Dies war ihr Mann, der einzige den es für sie geben würde, etwas, was sie nicht aus blinder Verliebtheit wusste - sie wusste nicht einmal, ob sie überhaupt verliebt war - sondern welches ein sicheres Gefühl tief in ihr war, welches sie nicht hinterfragte.
Von der Hütte nahm sie kaum etwas wahr, wohl aber das weiche, große Bett, auf welches Espen sie fast vorsichtig nieder ließ. Nun war es also soweit, ihr erstes Mal mit ihrem Ehemann, den sie erst 24 Stunden kannte. Der sie nun ansah als sei sie die schönste und begehrenswerteste Frau der Welt. Verlegen strich sie sich etwas über das Kleid und wurde sich fast schamhaft bewusst, dass sie keinerlei Unterwäsche trug.
„Und du bist ein atemberaubender Mann", sagte sie und richtete sich soweit auf, dass sie ihn erneut küssen konnte. „Dieser Anzug ist... wirklich der Wahnsinn... aber ich denke... uhm..." Grinsend sah sie ihn schließlich an und schob ihm langsam das Jackett von den Schultern, welches raschelnd zu Boden fiel. Sie spürte, dass sie aufgeregt war, dies war schließlich nicht einfach so ein wahlloser One-Night-Stand, sondern ihr Ehemann, ihr Werwolf, ihr Männchen.
Espen traute sich kaum Megan zu berühren, er hatte Angst ihr weh zu tun, sie zu zerbrechen. Sie war doch so zart. Seine Hand zitterte leicht, als er sie hob und mit einem Finger über ihre Wange strich, sie dabei kaum berührte und doch spürte er wie weich ihre Haut war. Er fuhr etwas höher, über ihre Stirn, ihre Nase, ihre andere Wange und schließlich die Lippen entlang, die ihn jedes Mal zum Fliegen brachten, wenn sie ihn küsste.
Espens Berührungen waren sehr zärtlich, beinahe zurückhaltend als traue er sich kaum, sie zu streicheln. Sie schloss die Augen, es fühlte sich sehr schön an, wie er ihr Gesicht vorsichtig zu erkunden schien. Nichts war mehr da von dem bestimmten, groben Mann, als den sie ihn kennen gelernt hatte. Sie lächelte, als sie die Augen wieder aufschlug, seine Unsicherheit war kaum zu übersehen. „Ich bin nicht aus Glas, du kannst nichts falsch machen, Espen", sagte sie und sah ihn ermunternd an. „Du tust mir bestimmt nicht weh, das weiß ich einfach."
Espen schluckte bei Megans Worten. Woher wollte sie das wissen? Woher nahm sie ihre Sicherheit, dass er sie nicht verletzten würde? Er war so groß, schwer und stark und sie im Vergleich dazu so klein, zart und zerbrechlich.
"I-ich habe aber Angst", sagte er leise und hatte Mühe nicht den Blick abzuwenden, sie musste es wissen, sie musste verstehen woher diese Unsicherheit kam. Aber was würde sie von ihm denken, wenn er ihr sagte, dass er noch nie mit einer Frau das Lager geteilt hatte? Würde sie ihn verspotten? Ihn auslachen?
Espen schloss für einen Moment die Augen. „Ich habe noch nie... das ist mein erstes....", stotterte er und konnte es doch nicht vor ihr aussprechen, sie dabei nicht ansehen, sondern hielt seine Augen weiter geschlossen, er wollte ihre Ablehnung nicht sehen.
Meggie hatte dies irgendwie geahnt und es tat ihr leid, dass er sich deshalb so quälte. Sanft legte sie nun ihrerseits eine Hand an seine raue, bärtige Wange. „Espen, sieh mich an", bat sie ihn und sprach erst weiter, als er die Augen wieder geöffnet hatte. Sein Blick sprach Bände von seiner Unsicherheit, was Meggie lächeln ließ. „Es gibt nichts, wovor du Angst haben musst. Du hast noch nie mit einer Frau geschlafen - na und? Das ist mir egal. Wir müssen das hier nicht erzwingen, Espen. Aber... wenn du es auch möchtest, wenn... wenn du mich möchtest, dann lasse die Angst los. Die brauchen wir hier nicht. Hier gibt es nur uns beide, okay?" Sie sah ihn abwartend an und hoffte, dass ihre Worte ihn erreichten und er wirklich etwas los lassen konnte. „Dein Körper wird wissen, was zu tun ist. Wir haben alle Zeit der Welt." Sie nahm ihre beiden Daumen zu Hilfe und strich ihm sanft über die Schläfen, langsam von vorn nach hinten und wiederholte die Bewegung. „Gib der Unsicherheit und Angst keinen Raum hier drin", sagte sie leise. „Sie blockieren dich nur. Dabei wäre es so viel schöner, wenn du ganz bei mir bist und genießt, was wir teilen wollen. Schließ die Augen und stelle dir die Angst vor. Und dann schiebe sie Stück für Stück aus deinem Kopf, aus deinen Gedanken, aus dieser Hütte. Und dann sieh mich wieder an." Sie wartete geduldig und hoffte, dass diese kleine Übung ihm wirklich helfen konnte, sich zu entspannen.
Espen tat worum Megan ihn gebeten hatte und schloss die Augen, stellte sich seine Ängste als einen geprügelten Wolf mit eingeklemmten Schwanz vor und schickte ihn aus der Hütte, so dass nur der Wolf mit hocherhobenem Kopf und Stolz in den Augen zurück blieb.
Als er die Augen wieder öffnete, sah er Megan einfach nur glücklich an, hob erneut seine Hand, die nun nicht mehr zitterte und wiederholte seine Berührungen im Gesicht seiner Frau. Fuhr dieses Mal aber auch über ihren Kiefer und ihren Hals, ehe er sich vorlehnte und sie küsste.
„Du weißt gar nicht wie sehr ich dich will", flüsterte er leise und wusste nicht woher diese Worte kamen, wohin die Unsicherheit verschwunden war, die Nervosität, aber er wollte Megan sagen wie sehr er sie wollte. „Ich will dich seit mir dein Geruch zum ersten Mal in die Nase stieg und nun endlich, endlich…" Er küsste sie tief und stürmisch.
Meggie beobachtete Espens Miene genau und lächelte breit, als er die Augen wieder öffnete. Die Angst war verschwunden und bei seinen Worten wurde ihr ganz anders. Als er sie dann küsste - nicht ruhig und zurückhaltend, sondern tief und verlangend - verging Megie geradezu und zog ihn mit sich, als sie sich nach hinten sinken ließ. Schwer atmend sah sie ihn schließlich an und wusste, diese Nacht mit ihm würde perfekt werden.
Hier geht es nun weiter mit einem etwas gewagten Bogen, den wir damals geschlagen haben. Es sollte ja schließlich ein Happy End geben... hoffe, es gefällt

Wie immer die Aufteilung: Meggie - ich, Espen - vojka, plus die jeweiligen Gegenparts als interagierende Charas.
Auf zum vorletzten Kapitel, in dem ich jetzt faulerweise keine Kursivstellen abgeglichen habe. Werde ich bei Gelegenheit nachholen, versprochen.
5. Wolfsnacht
Meggie zitterte. Sie stand nur in Jeans, Schuhen und T-Shirt draußen im Dunkeln im Schnee. Sie fror entsetzlich, nicht nur wegen der eisigen Kälte, die sie umgab. Auch ihr Inneres schien einzufrieren und sich aus diesem Leben zu verabschieden. Jetzt war es also soweit, sie würde alles verlieren, was ihr wichtig war, im schlimmsten Fall ihr eigenes Leben. Um sie herum standen die Frauen des Rudels, mittlerweile verwandelt, alle bis auf zwei. Joana stand direkt vor ihr, einige Schritte zurück stand Amanda, von der Meggie wusste, dass sie Ärztin war. Sie würde als einzige in ihrer Menschengestalt bleiben und Meggies Zustand überwachen.
Angstvoll starrte Meggie zum Waldrand, über dem bald der Vollmond aufgehen sollte. Sie wimmerte beinahe vor Angst und Kälte, krümmte sich zitternd zusammen und wäre am liebsten überall sonst, nur nicht hier. Plötzlich kam Unruhe in die Gruppe wartender Weibchen und Meggie schloss Angstverzerrt die Augen. Sie wusste, nun war es soweit und als Joana sich vor ihr verwandelte musste sie an sich halten, nicht fort zu rennen, zitterte stattdessen nur noch mehr und begann zu ihrer Scham erneut wieder zu weinen vor lauter Überforderung. Sie wollte nicht hier sein, sie wollte nur nach Hause, nach Texas, wollte ihre Eltern in die Arme schließen und ihnen sagen, dass sie sie liebte.
Joana tat es weh Megan so zu sehen. Sie konnte nur hoffen, dass diese die Nacht überstand und ihr neues Leben annehmen konnte. Es wäre sonst für Espen das Ende, das wusste sie, auch wenn Mike dies nicht sehen wollte. Espen war von Megan schon viel zu gefangen.
Als der Mond aufging, verwandelte sie sich und wartete, bis die ersten Mondstrahlen die Baumwipfel überstiegen. Gerne hätte sie Megan beruhigt, aber sie wusste aus eigener Erfahrung, dass keine Worte der Welt diesen Moment leichter machen konnten. Sie hatte ihr alles gesagt, was wichtig war, mehr konnte sie nicht tun. Spätestens jetzt würde Megan begreifen, dass es wirklich real war. Sie konnte dem nicht entkommen.
Joana reckte ihren Hals und als der richtige Moment kam, trat sie direkt vor Megan und sah sie an. Sie wusste, dass ihr Fell im Mondlicht hell wirkte und ein wenig von dieser Eigenschaft würde auch auf Megan übergehen. Die arme Frau konnte sich vor Angst kaum noch auf den Beinen halten, geschweige denn, bewegen. Sie war wie gelähmt und zu keiner Reaktion mehr fähig. Joana seufzte innerlich, leckte ihr kurz mit der warmen Zunge über die eiskalte Hand. Dann stellte sie sich auf die Hinterläufe und biss Megan in die Schulter. Sie schmeckte das metallische Blut, hörte Megans Schrei, der in der Luft zu erbeben schien. Das war es also, der Virus war in Megans Körper und würde von der Blutbahn aus sofort seine Wirkung entfalten. Joana trat zurück um Amanda ihren Job machen zu lassen und besorgt zu Megan zu sehen, die nun bewusstlos und blutend im Schnee lag. Sie musste es einfach schaffen.
Megans Herz raste, alles in ihr war auf Flucht geschaltet, doch ihre Beine waren schwer wie Blei. Sekunden wurden zur Ewigkeit, bis die ersten Strahlen des silbrigen Mondes sie trafen. Joana trat vor sie, Megan sah sich unfähig zu reagieren, blanke Panik erfüllte und lähmte sie. Plötzlich ging alles ganz schnell und mit einem Schmerzensschrei ging sie zu Boden, als der Schnee unter ihrer Schulter sich rot färbte. Schmerz, unglaublicher Schmerz durchflutete sie und Megan schwanden die Sinne. Pures Gift schien sie zu durchdringen, von der Schulter ausgehend, bis es auch die letzte Faser ihres Körpers erreicht hatte und Megan glaubte zu verbrennen. Sie verkrampfte, spürte wie ihre Knochen brachen und ihre Eingeweide sich verzogen. Niemals hatte sie etwas derart Schreckliches erlebt. Die Schmerzen überstiegen ihre Vorstellungskraft um ein Vielfaches. Schließlich verlor sie die Besinnung, als ihr Körper kapitulierte, innerlich zertrümmert und vergiftet. Nun begann die langsame Regeneration als neues Wesen.
Als Megan wieder zu sich kam, war ihr unglaublich heiß. Zugleich fühlte sie sich als hätte sie die letzte Nacht an einem Stromgenerator verbracht, unheimlich aufgeladen und voller Energie. Sie nahm sehr viele Gerüche wahr, kurz darauf auch Geräusche, Stimmen, die nur flüsterten. Ohne aufzusehen wusste sie, dass Joana ihr am nächsten war und war verwirrt, dass sie deren Eigengeruch sofort erkannt hatte. Verwirrt blinzelte sie und schlug die verklebten Augen schließlich auf. „Wo... wo bin ich?", murmelte sie. „Was... ist passiert?"
„Sssch, bleib ruhig liegen. Amanda will sich erst deine Schulter ansehen", sagte Joana sanft und hielt Megan an ihrer gesunden Schulter auf ihrem Lager. „Du liegst auf deinem Lager in der Schlafhöhle der Frauen. Du bist jetzt eine von uns. Wie geht es dir?", fragte sie und machte etwas Platz, als Amanda kam.
„Guten Morgen, Megan. Wie geht es dir? Hast du Schmerzen?", wollte sie wissen und nahm vorsichtig den Verband von der Schulter, welchen sie in den Morgenstunden angelegt hatte, nachdem ihre Neuwölfin sich zurück verwandelt hatte. „Die Wunde sieht sehr gut aus. Sie ist schon fast wieder verheilt, ich denke in ein, zwei Stunden sind nichts als einige kleine weiße Punkte zu sehen."
Meggie ächzte schmerzvoll, als sie sich aufrichten wollte. „Ich... ich kann mich nicht erinnern", murmelte sie und erst, als der Verband bereits ab war und Amanda die Wunde begutachtet hatte, blickte sie selbst zu ihrer Schulter. Sie sah vernarbt aus und als sie vorsichtig mit dem Finger darüber strich spürte sie, dass die Haut sich fester anfühlte, als sei sie gespannt worden. Fragend sah sie in die Runde und ihr Blick blieb bei Joana hängen. „Du... du hast mich gebissen", es war mehr eine Feststellung, eine Erinnerung denn eine Frage. Erst dann sah sie Amanda wieder an. „Nur noch ein wenig Schmerzen beim Aufstützen. Aber wie kann das sein, dass es bereits so gut verheilt ist? Bin ich jetzt eine... eine Werwölfin?", fragte sie leise, beinahe ängstlich und hätte sich am liebsten irgendwo hin verkrochen, wo nicht so viele fremde Gerüche waren. War dies alles wirklich Realität? Kaum möglich. Espen fiel ihr wieder ein, wo war Espen?
Amanda nickte. „Ja Kindchen, du bist jetzt eine von uns. Wie geht es dir bei diesem Gedanken?", fragte sie nach und lächelte. „Werwölfe haben einige erstaunliche Kräfte. Die enorme Wundheilung gehört dazu. Du wirst dich nach und nach daran gewöhnen und ganz neu kennen lernen."
Ohne es bewusst zu merken kroch Meggie rückwärts, bis sie an der Wand saß. „Ich verstehe das nicht", gestand sie sehr leise und ein seltsamer Fluchtinstinkt stieg in ihr auf. Sie fühlte sich bedroht, was sehr widersprüchliche Reaktionen in ihr hervorrief, die sie nicht verstand. „Es ist plötzlich alles so anders, so...so viel auf einmal. Es ist also wirklich wahr", murmelte sie und richtete sich etwas auf, hielt den Blick vorsichtshalber gesenkt. Zögernd sah sie schließlich doch wieder auf. „Bin ich jetzt in eurem Rudel?", fragte sie leise und sah sie anderen unsicher an, noch immer nicht wirklich begreifend, was hier vor sich ging.
„Das es anders ist, stimmt. Deine Sinne sind viel feiner, du hörst mehr, riechst besser, dürftest jetzt auch hier in der Höhle mehr sehen als gestern, obwohl hier nicht mehr Licht ist", erklärte Joana ruhig und beobachtete genau jede Reaktion der anderen. „Und ja, du bist jetzt ein Teil unseres Rudels."
„Ich...", begann Meggie zögernd, seufzte dann aber und fing den Satz noch einmal an. „Was ist letzte Nacht passiert? Ich habe keinerlei Erinnerungen daran. Kann ich mich jetzt jederzeit in eine Wölfin verwandeln?", fragte sie noch immer etwas ungläubig, sie würde es erst begreifen, wenn sie dies bewusst erfuhr, doch so wirklich traute sie sich nicht, dies zu probieren. Sie hatte ja auch keinerlei Ahnung, wie sie dies anstellen sollte. „Und ich habe entsetzlichen Durst", stellte sie fest und sah sich nach etwas zu Trinken um.
„Ich werde dir etwas holen", sagte Amanda und erhob sich um etwas Wasser aus der Vorratskammer zu holen.
„Fangen wir mit dem Leichten und Kurzen an. Ja, du kannst dich nun jederzeit in deine Wolfsgestalt verwandeln. Dies üben wir, wenn deine Schulter ganz ausgeheilt ist, solange wirst du dich noch etwas gedulden müssen. Ich kann dir aber schon einmal sagen, dass du eine sehr schöne Wölfin bist. Ein schönes dunkelbraunes Fell mit einigen helleren Stellen, die du wohl von mir hast", erklärte Joana lächelnd.
„Letzte Nacht waren wir im Wald unterwegs und haben diesen erkundet, nachdem du verstanden hattest, wie du dich auf vier Pfoten fortbewegst. Wir haben ein Wildschwein erlegt. Du wolltest immer wieder in eine bestimmte Richtung verschwinden und ich hatte ziemliche Probleme dich davon abzuhalten", lächelte sie. „Oh und ehe du fragst, Espen war in dieser Richtung, er war mit den Männern in einem anderen Teil des Waldes in der vergangenen Nacht unterwegs und wie ich von Mike weiß, wollte auch er immer zu dir und Mike, Nathan und John hatten ziemliche Probleme ihn in Schach zu halten", grinste sie frech.
Meggie verschluckte sich beinahe bei seinem Namen und setzte hastig das Glas ab. Mit geweiteten Augen stand sie auf, sie kannte nicht den Grund, aber das Gefühl war sehr eindeutig. Alles in ihr rief nach Espen, nach seiner Sicherheit, von der sie wusste, dass nur er sie ihr geben konnte. So etwas hatte sie noch nie zuvor gefühlt, doch der Moment war so überwältigend, dass sie gar nicht darüber nach dachte, woher es kam. Vielleicht waren es verstärkte Gefühle, die die negativen ausgelöscht hatten, die sie ihm gestern noch entgegen gebracht hatte. Vielleicht waren es reine Instinkte, die sie zu ihm riefen. Sie verstand es nicht, aber für den Moment wollte sie es auch gar nicht verstehen. Sie wollte nur von Espen in Sicherheit gehalten werden. „Espen - wo ist er?", fragte sie Joana, wartete eine Antwort jedoch gar nicht erst ab, sondern bahnte sich einen Weg an ihr vorbei und hoffte, ihn im Männerschlafsaal zu finden.
„Kein Durchgang für dich", versperrte ihr Kyle den Weg, ein junger, stark aussehender Wolf.
„Bitte, ich muss zu Espen, ich bin sein - sein W-"
„Ich weiß wer du bist, aber die Regeln gelten auch für dich. Tut mir leid, für Frauen kein Zutritt, ebenso wenig wie für Männer im Frauensaal."
„ESPEN?!", rief sie, wenn sie niemand zu ihm ließ, musste sie ihn eben rufen. „ESPEN!"
Espen hörte wie Kyle jemandem den Weg verstellte und noch ehe sie etwas sagen konnte, roch er sie schon. Er schloss die Augen und betete um Kraft, ehe er aufstand und an den Eingang trat.
„Meg", sagte er sanft und nahm sie beim Arm, warf Kyle einen düsteren Blick zu und führte Megan in den Aufenthaltsraum. „Wie geht es dir?", fragte er sie und musterte sie ganz genau, als könne er alleine dadurch schon erkennen, ob sie alles gut überstanden hatte. Sie sah gut aus, auch wenn ihre Verwirrung sehr deutlich lesbar war. Er war so erleichtert, dass sie lebte. Dass sie nun direkt kam um ihn zu suchen, ließ sein Herz ein wenig schneller klopfen.
Erleichtert sah Meggie Espen an, warum hatte das so lange gedauert? Ihr Herz klopfte ganz schnell als sie schließlich bei einander saßen und sie wurde sich peinlich bewusst, dass sie ihn mit großen Augen ansah. Verlegen senkte sie den Blick auf ihre Hände und suchte für einen Moment nach Worten. „Ich hatte nicht geglaubt, dass das wirklich passiert", flüsterte sie etwas beschämt. „Aber ich habe es geschafft, ich bin eine Wölfin und ob du es glaubst oder nicht, mein erster Gedanke galt dir, als ich zu mir kam. Ich... ich musste dich einfach sehen", sagte sie und sah ihn zögernd an. „Ist das... real, was ich fühle?", fragte sie leise und sah ihn unsicher an. „Dieses unglaublich starke Gefühl, bei dir sein zu müssen, nur bei dir in Sicherheit zu sein und in deinen Armen zur Ruhe kommen zu wollen?" Sie merkte, wie vor Verlegenheit ihr Gesicht begann zu glühen, aber sie hatte es einfach aussprechen müssen, auch wenn sie dabei noch immer zu ihren Händen sprach und nicht wagte, Espen anzusehen, so peinlich war ihr dieser Gefühlsausbruch, den sie sich nicht erklären konnte.
Espen nickte, ehe ihm aufging, dass Megan dies nicht sehen konnte. „Ja", sagte er mit belegter Stimme und räusperte sich. Am liebsten wollte er sie über seine Schulter werfen und einen ruhigen Ort suchen. Aber er hatte ihr versprochen sich zurück zu halten, er musste sich zurückhalten, wollte er sie nicht verlieren, das wusste er. „Ich habe schon oft gehört, dass es den Weib – den Frauen nach der Verwandlung so geht. Bei Joana und Mike war es nicht anders. Und es wird noch stärker werden, wenn wir erst verheiratet und wirklich vereint sind. Aber ich habe dir gesagt, ich setze dich da nicht unter Druck und daran halte ich mich", sagte er und bemühte sich, seine Stimme unter Kontrolle zu halten.
Meggie holte tief Luft und sah Espen nun wieder offen an. „Wenn ich bisher eines gelernt habe im Leben, dann meine Gefühle so anzunehmen, wie ich sie empfinde. Verleugnung oder Verdrängung hilft keinem, am wenigsten mir selbst. Das habe ich dir gestern deutlich gezeigt, Angst, Ablehnung, Zweifel bis hin zur vorsichtigen Annäherung. Joana hatte Recht als sie sagte, dass nach dieser Nacht alles anderes wird", sagte sie und lächelte. „Was jetzt für mich zählt, bist du, Espen. Ich habe keine Erklärung dafür, aber ich kann es nicht verleugnen, dass ich einfach weiß, dass du mein Partner bist, dass du mir den Halt gibst, den ich in dieser Unsicherheit brauche. Dass ich dich brauche. Es ist unheimlich und schön zugleich, aber ich weiß, wenn ich mich dagegen wehre, verleugne ich mich selbst. Das kann und will ich nicht tun."
„Hei.... eißt das etwa das was ich ....", fragte er unsicher, traute sich auch nicht, die Frage zu Ende zu stellen, er konnte nur hoffen, dass es genau dies hieß was er sich so sehr wünschte.
Meggie lächelte nur, brachte ihr Gesicht dicht vor seines und strahlte ihn an. „Das heißt es", flüsterte sie, schloss die Augen und küsste ihn. Es war ein Feuerwerk, welches in ihr entbrannte und zugleich wusste sie, dass genau das hier das Richtige war. So seltsam und unvernünftig es erscheinen mochte, es war der einzige Weg, den sie gehen wollte nach dieser Nacht. Wenn sie eine Werwölfin war, dann würde sie es an seiner Seite sein.
Espen wollte protestieren, als Megan ihn küsste, das konnte sie doch nicht tun, sie waren noch nicht verheiratet! Aber sobald ihre Lippen die seinen berührten, war dieser Gedanke vergessen umd er zog Meg näher zu sich heran. Er glaube er würde fliegen.
„Auseinander ihr zwei, ehe ihr weiter geht als gut ist. Hebt euch alles Weitere für die Hochzeitsnacht auf. Ich habe alles für die Hochzeit vorbereitet. Megan, Joana erwartet dich im Frauenschlafsaal und wird dir beim Fertigmachen helfen. Espen, auf dich wartet Mike“, unterbrach Cliff Espens und Megans Kuss. „Kyle ist schon dabei draußen ein Feuer aufzurichten und einen Hirschen zu grillen. Also los, in einer Stunde erwarte ich euch zu euer Hochzeit", grinste er und zog Espen einfach mit sich, der nicht wirklich verstand, was gerade passierte.
Ungläubig bis regelrecht entsetzt starrte Meggie dem mitgezerrten Espen nach. Und sie hatte ihre Eltern für prüde gehalten... großer Gott! Und wieso hatten die anderen bereits alles vorbereitet, wenn sie doch gar nicht hatten wissen können, was passieren würde?
Als sie aufsah, blickte sie direkt in Joanas breit lächelndes Gesicht. „Na komm", sagte diese nur und Meggie, noch immer etwas verstört und überrumpelt von den Ereignissen und eigenen plötzlichen Gefühlen, fühlte sich wie fremdgesteuert, als sie Joana in den Frauenschlafsaal folgte. Würde sie wirklich in einer Stunde verheiratet sein? Das alles ging so unglaublich schnell. Doch wenn es die einzige Möglichkeit war, in Espens Nähe zu sein... sie erkannte, dass ihr die Hochzeit nichts mehr ausmachte, dass ihr Espen nicht mehr wie ein bedrohlicher Fremder erschien. Im Gegenteil, alles in ihr schien nach ihm zu verlangen, seiner Nähe, seinem Schutz, seiner... Liebe?
Meggie wusste nicht, ob es Liebe war, die sie empfand, ihrer Meinung nach war Liebe etwas, das gemeinsam wuchs und stärker wurde. Vielleicht würde es eines Tages Liebe sein, dachte sie und lächelte nun in unerwarteter Vorfreude auf das, was kommen würde.
Espen ließ sich eher widerwillig von Cliff mitziehen und beim Umziehen helfen, da er nicht wirklich dazu in der Lage war. Seine Gedanken waren die ganze Zeit bei Megan, seiner Meg, die wirklich bald die seine sein würde. Er konnte es noch nicht glauben. Seine Lippen kribbelten noch immer von ihrem Kuss, so warm und weich.
Er hatte es gehofft, dass es so kommen würde, aber geglaubt hatte er es nicht, nachdem Megan gestern noch so ablehnend ihm gegenüber gewesen war. Nun würde sie in einer Stunde schon seine Frau sein, ein unfassbarer Gedanke.
Meggie bekam kaum etwas von dem mit, was mit ihr geschah. Der Verband wurde entfernt, ihre Haare wurden gekämmt und sie erhielt zwei winzige Spritzer Rosenparfüms hinter die Ohren. Vollkommen nackt stand sie nun im Raum und staunte, als Amanda ihr ein Kleid brachte. „Es ist nichts Besonderes, aber es ist eine gewisse Tradition, dass die neuen Weibchen dieses Kleid bei ihrer Hochzeit tragen", erklärte sie. Es war ein sehr schönes Kleid, wenn auch sichtbar getragen, doch das störte Meggie in diesem Moment kein bisschen. „Und keine Unterwäsche", zwinkerte Joana, Meggie wurde prompt rot, als würde Espen dies sofort wissen, wenn er sie sah.
„Nicht einmal einen Slip?", fragte sie nervös und Joana lachte, während sie ihr in das Kleid half.
„Vor allem keinen Slip, Liebes", sagte sie, was Meggie dazu brachte, noch roter zu werden. „Lass dich ansehen. Du siehst perfekt aus, Liebes, Espen wird sabbern", strahlte sie und ließ Meggie sich einmal um sich selbst drehen. Amanda hatte ihre die Haare hoch gesteckt und Meggie konnte gar nicht anders als ebenfalls zu strahlen. Slip hin oder her, sie würde Espen zum Mann nehmen und allein der Gedanke war so verrückt, dass sie glaubte über den Boden zu schweben, als sie, von Joana geführt, den Raum schließlich verließ.
Wie dies sein konnte, nachdem all ihre Gedanken bisher nur von Flucht und Angst erfüllt gewesen waren, war ihr ein Rätsel. Was auch immer letzte Nacht mit ihr passiert war, hatte sie vollkommen verändert. Ihr Denken, ihr Fühlen, ihre Wahrnehmung und ihre Gestalt. Sie fühlte, dass der Wolf ein Teil ihrer Selbst war, als hätte jemand ihrer Seele eine Gestalt gegeben. Seltsamerweise zweifelte sie keine Sekunde daran, dass dies genau so sein musste und absolut richtig war. Nun würde sie also Espen heiraten – wobei die Heirat nur Formsache war. Viel wichtiger war das neue, starke Gefühl in ihr, mit dem Erwachen des Wolfes den eigenen Gegenpart erkannt zu haben. All das, was gestern noch Distanz und Ablehnung gewesen war, war heute Sehnsucht und das Wissen, dass er allein es war, der ihren Geist auffangen konnte, der ihr Halt gab. Er war der einzige, zu dem sie gehörte und an dessen Seite sie sein wollte.
Espen schluckte nervös, als er die Höhle verließ und von Mike begleitet zu einer kleinen Lichtung ging, auf welcher sie die Hochzeiten abzuhalten pflegten. Er dachte an Banes und Innas Hochzeit gewesen und betete, dass seine Zukunft nicht so aussah. Wobei Megan wirklich bereit war, bei Inna war es nicht ganz so intensiv gewesen und Espen hatte nach deren Tod die Vermutung gehabt, dass Bane sich geirrt hatte bei seiner Wahl. Dies kam nur selten vor, wenn der Werwolf spürte, dass seine Zeit ablief.
Nach Megans Reaktion hatte er die richtige Wahl getroffen. „Meinst du, Bane hat sich damals geirrt?", wollte er leise von Mike wissen und sah zu seinem Freund, Rudelführer und Trauzeugen.
Mike lächelte, Espens Nervosität war sehr verständlich, aber da musste er nun durch. Mike erinnerte sich an seine eigene Hochzeit, der glücklichste Tag in seinem Leben, als Joana ihn tatsächlich gewählt hatte. „Über Bane kann ich keine Aussage treffen. Aber sowohl du als auch Megan seid bereit für einander", sagte er und legte Espen beruhigend eine Hand auf den Oberarm. „Sonst hätte sie nicht als erstes nach dir gefragt, wie ich gehört habe. Sie ist dein Weibchen und hat dich angenommen aus freien Stücken. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Banes Schicksal dich nicht einholen wird."
Meggie war einen Moment geblendet, als sie hinaus in den Schnee traten. War dieser schon immer so unglaublich hell gewesen? Erst dann fiel ihr auf, dass es bereits wieder dämmerte. Bis wann hatte sie geschlafen?
Doch das war nun irrelevant, wichtig war nur das, was vor ihr lag. Sie fror nicht mehr, der Schnee knirschte unter ihren bloßen Füßen und schmolz rasch, sodass sie tiefe Fußspuren hinterließ. Nervös knetete sie ihre Hände, als sie plötzlich etwas roch. Espen war hier gewesen, sogleich schlug ihr Herz ein paar Takte höher.
Nur mit Mühe konnte sie sich davon abhalten, zu rennen um endlich bei ihm zu sein. Dann, endlich, sah sie ihn, wie er auf einer Lichtung stand und alles andere war vergessen. Dass das ganze Rudel versammelt war und der Hochzeit beiwohnen würde, nahm sie gar nicht wahr, ihr Blick war einzig auf Espen gerichtet, der atemberaubend aussah in seinem Anzug.
Langsam ging sie auf ihn zu und als sie ihn endlich erreicht hatte, meinte sie zu schweben und strahlte einfach noch mehr, falls dies überhaupt möglich war, da sie nicht im Stande war auch nur ein Wort heraus zu bringen.
Espen schluckte, als Megan au die Lichtung trat. Sie sah einfach atemberaubend aus. Alles andere war vergessen, nur noch Megan zählte. Was Cliff sagte bekam er nicht mit, es war unwichtig und erst, als dieser ihn leicht anstieß bemerkte er, dass er nun gefragt war.
„Was du ihr sagen willst", knurrte Cliff leise, aber grinsend. Immerhin war dieser es gewohnt. Die Brautpaare, die er an diesem Ort traute, bekamen in den seltensten Fällen irgendetwas von dem mit was er sagte.
„Meg, als ich dich roch wusste ich, die oder keine und als Mike gestern sagte er wisse nicht, ob er mich beglückwünschen oder bemitleiden soll, weil du deinen eigenen Kopf hast, habe ich nur gesagt, dass es genau das ist, was ich an dir mag, an dir liebe. Ich werde dich respektieren und dir deine Eigenständigkeit nicht nehmen, denn ich weiß, dass dies deine größte Sorge war. Ich werde immer dein sicherer Hafen sein, dein Anker, dein Ruhepol. Ich werde dich lieben, solange ich lebe und freue mich auf die gemeinsame Zukunft mit dir."
Megan hatte tatsächlich Tränen in den Augen und musste sich erst etwas sammeln, ehe sie sprechen konnte. Sie schluckte einmal, holte tief Luft und sah Espen in die Augen. „Ich kenne dich jetzt kaum mehr als 24 Stunden und habe dabei so ziemlich jedes Gefühl durchlebt, was es gibt. Ich habe dich gehasst, verachtet, war wütend, zornig, traurig, verletzt, verzweifelt. Was hier geschehen ist, gerade geschieht, ist unfassbar und ich kann es immer noch nicht glauben, dass es wahr ist. Aber es ist meine Realität und damit bist du meine Realität, Espen. Die einzige, die ich im Moment bereit bin zu akzeptieren, denn was immer es auch ist, ich weiß, dass ich dich brauche wie die Luft zum Atmen. Du hast mich aufgegriffen und mir gesagt, ich sei dein Weibchen und wenn die Nacht vorbei ist, würde ich dich wollen. Ich habe dich für verrückt erklärt. Aber hier bin ich als - als dein Weibchen und bereit, an deiner Seite zu stehen, was immer auch kommen mag."
Espen lächelte glücklich und sah Megan strahlend an. Ihre Worte wischten jeglichen noch so leisen Zweifel, sollte er jemals vorhanden gewesen sein, fort. Sie wollte ihn. Wollte an seiner Seite sein, sie war sein Weibchen und hatte dies selbst angenommen. So und nicht anders würde es sein. Espen war der glücklichste Mann der Welt.
„Da ihr beide erklärt habt das Leben teilen zu wollen, erkläre ich euch hiermit zu Männchen und Weibchen", sagte Cliff und zum ersten Mal bekam Espen mit, was dieser sagte.
"Ihr dürft euch jetzt küssen und dann wollen wir euch erst wieder sehen, wenn der leckere Hirsch, den Kyle zubereitet fertig ist. Wir werden euch dann rufen.“
Meggie strahlte und trat einen Schritt auf Espen zu als sie seine Hände, die sie die ganze Zeit über gehalten hatte, los ließ und ihre eigenen um seinen Hals legte. Einen Moment sah sie ihm einfach in die Augen, versank in ihnen wie in einem Ozean, ehe sie ihren Kopf leicht neigte und ihre Lippen auf die seinen legte, zärtlich und wie ein Versprechen.
Espen glaubte erneut zu fliegen, als Meggie ihre Lippen auf die seinen legte. Es war ein unbeschreibliches Gefühl, eines welches er nie wieder missen wollte. Er bekam nur am Rande mit, dass die anderen sich zurück zogen um zur Feier zu gehen. Er selbst hob Meggie sanft auf seine Arme und verließ mit ihr die Lichtung. Immer wieder fanden sich ihre Lippen, was ihn seine Schritte unbewusst beschleunigen ließen.
Schließlich kamen sie zu einer kleinen Hütte, die eigentlich Mike und Joana gehörte. Jedes der Paare besaß solch ein kleines Domizil im Wald. Er selbst würde das von Megan und ihm in den nächsten Tagen bauen. Mit dem Ellenbogen drückte er die Klinke herunter und stieß die Tür auf.
Der Innenraum bestand eigentlich nur aus einem riesigen Bett und einem Kamin, den Mike einst gebaut hatte. Jede Hütte sah anders aus, soviel er wusste, denn er betrat solch eine zum ersten Mal in seinem Leben.
Sanft ließ er Megan auf dem Bett nieder. Er war schon auf Megans Wünsche für ihre Hütte gespannt, aber diese Gedanken rückten zur Seite, als er wieder zu seiner Frau sah.
„Weißt du eigentlich wie atemberaubend du aussiehst?", fragte er leise und betrachtete sie einfach nur und schluckte etwas. Er war nervös, sein Herz schlug unnatürlich schnell. Technisch gesehen wusste er was nun kam, wie es funktionierte, aber ihm wäre wohler wenn er auch wusste wie dies umzusetzen war.
Meggie konnte nicht anders als ununterbrochen zu strahlen und als Espen sie tatsächlich hochhob und trug, als sei sie eine Feder, war sie immer wieder versucht, ihn zu küssen. Es fühlte sich gut und richtig an, ihre Zweifel und Ängste vom Vortag waren vergessen. Dies war ihr Mann, der einzige den es für sie geben würde, etwas, was sie nicht aus blinder Verliebtheit wusste - sie wusste nicht einmal, ob sie überhaupt verliebt war - sondern welches ein sicheres Gefühl tief in ihr war, welches sie nicht hinterfragte.
Von der Hütte nahm sie kaum etwas wahr, wohl aber das weiche, große Bett, auf welches Espen sie fast vorsichtig nieder ließ. Nun war es also soweit, ihr erstes Mal mit ihrem Ehemann, den sie erst 24 Stunden kannte. Der sie nun ansah als sei sie die schönste und begehrenswerteste Frau der Welt. Verlegen strich sie sich etwas über das Kleid und wurde sich fast schamhaft bewusst, dass sie keinerlei Unterwäsche trug.
„Und du bist ein atemberaubender Mann", sagte sie und richtete sich soweit auf, dass sie ihn erneut küssen konnte. „Dieser Anzug ist... wirklich der Wahnsinn... aber ich denke... uhm..." Grinsend sah sie ihn schließlich an und schob ihm langsam das Jackett von den Schultern, welches raschelnd zu Boden fiel. Sie spürte, dass sie aufgeregt war, dies war schließlich nicht einfach so ein wahlloser One-Night-Stand, sondern ihr Ehemann, ihr Werwolf, ihr Männchen.
Espen traute sich kaum Megan zu berühren, er hatte Angst ihr weh zu tun, sie zu zerbrechen. Sie war doch so zart. Seine Hand zitterte leicht, als er sie hob und mit einem Finger über ihre Wange strich, sie dabei kaum berührte und doch spürte er wie weich ihre Haut war. Er fuhr etwas höher, über ihre Stirn, ihre Nase, ihre andere Wange und schließlich die Lippen entlang, die ihn jedes Mal zum Fliegen brachten, wenn sie ihn küsste.
Espens Berührungen waren sehr zärtlich, beinahe zurückhaltend als traue er sich kaum, sie zu streicheln. Sie schloss die Augen, es fühlte sich sehr schön an, wie er ihr Gesicht vorsichtig zu erkunden schien. Nichts war mehr da von dem bestimmten, groben Mann, als den sie ihn kennen gelernt hatte. Sie lächelte, als sie die Augen wieder aufschlug, seine Unsicherheit war kaum zu übersehen. „Ich bin nicht aus Glas, du kannst nichts falsch machen, Espen", sagte sie und sah ihn ermunternd an. „Du tust mir bestimmt nicht weh, das weiß ich einfach."
Espen schluckte bei Megans Worten. Woher wollte sie das wissen? Woher nahm sie ihre Sicherheit, dass er sie nicht verletzten würde? Er war so groß, schwer und stark und sie im Vergleich dazu so klein, zart und zerbrechlich.
"I-ich habe aber Angst", sagte er leise und hatte Mühe nicht den Blick abzuwenden, sie musste es wissen, sie musste verstehen woher diese Unsicherheit kam. Aber was würde sie von ihm denken, wenn er ihr sagte, dass er noch nie mit einer Frau das Lager geteilt hatte? Würde sie ihn verspotten? Ihn auslachen?
Espen schloss für einen Moment die Augen. „Ich habe noch nie... das ist mein erstes....", stotterte er und konnte es doch nicht vor ihr aussprechen, sie dabei nicht ansehen, sondern hielt seine Augen weiter geschlossen, er wollte ihre Ablehnung nicht sehen.
Meggie hatte dies irgendwie geahnt und es tat ihr leid, dass er sich deshalb so quälte. Sanft legte sie nun ihrerseits eine Hand an seine raue, bärtige Wange. „Espen, sieh mich an", bat sie ihn und sprach erst weiter, als er die Augen wieder geöffnet hatte. Sein Blick sprach Bände von seiner Unsicherheit, was Meggie lächeln ließ. „Es gibt nichts, wovor du Angst haben musst. Du hast noch nie mit einer Frau geschlafen - na und? Das ist mir egal. Wir müssen das hier nicht erzwingen, Espen. Aber... wenn du es auch möchtest, wenn... wenn du mich möchtest, dann lasse die Angst los. Die brauchen wir hier nicht. Hier gibt es nur uns beide, okay?" Sie sah ihn abwartend an und hoffte, dass ihre Worte ihn erreichten und er wirklich etwas los lassen konnte. „Dein Körper wird wissen, was zu tun ist. Wir haben alle Zeit der Welt." Sie nahm ihre beiden Daumen zu Hilfe und strich ihm sanft über die Schläfen, langsam von vorn nach hinten und wiederholte die Bewegung. „Gib der Unsicherheit und Angst keinen Raum hier drin", sagte sie leise. „Sie blockieren dich nur. Dabei wäre es so viel schöner, wenn du ganz bei mir bist und genießt, was wir teilen wollen. Schließ die Augen und stelle dir die Angst vor. Und dann schiebe sie Stück für Stück aus deinem Kopf, aus deinen Gedanken, aus dieser Hütte. Und dann sieh mich wieder an." Sie wartete geduldig und hoffte, dass diese kleine Übung ihm wirklich helfen konnte, sich zu entspannen.
Espen tat worum Megan ihn gebeten hatte und schloss die Augen, stellte sich seine Ängste als einen geprügelten Wolf mit eingeklemmten Schwanz vor und schickte ihn aus der Hütte, so dass nur der Wolf mit hocherhobenem Kopf und Stolz in den Augen zurück blieb.
Als er die Augen wieder öffnete, sah er Megan einfach nur glücklich an, hob erneut seine Hand, die nun nicht mehr zitterte und wiederholte seine Berührungen im Gesicht seiner Frau. Fuhr dieses Mal aber auch über ihren Kiefer und ihren Hals, ehe er sich vorlehnte und sie küsste.
„Du weißt gar nicht wie sehr ich dich will", flüsterte er leise und wusste nicht woher diese Worte kamen, wohin die Unsicherheit verschwunden war, die Nervosität, aber er wollte Megan sagen wie sehr er sie wollte. „Ich will dich seit mir dein Geruch zum ersten Mal in die Nase stieg und nun endlich, endlich…" Er küsste sie tief und stürmisch.
Meggie beobachtete Espens Miene genau und lächelte breit, als er die Augen wieder öffnete. Die Angst war verschwunden und bei seinen Worten wurde ihr ganz anders. Als er sie dann küsste - nicht ruhig und zurückhaltend, sondern tief und verlangend - verging Megie geradezu und zog ihn mit sich, als sie sich nach hinten sinken ließ. Schwer atmend sah sie ihn schließlich an und wusste, diese Nacht mit ihm würde perfekt werden.