DREI - Polaris (Seevolk)

[Cassiopeia]

Ketyr
Auf der Polaris (Seevolk)
2. Quartal des Jahres 2457
Abend

Ketyr stand an der Reling und blickte nach Südwesten. Die Sonne ging dort in diesen Minuten unter und Ketyr liebte diesen Übergang von Tag und Nacht. Bald würden sie unter dem gewaltigen Sternenzelt im Meer der Nacht liegen. Es war eine besondere Nacht: die zwei Monde Van und Yas würden einige Stunden lang gemeinsam am Himmel über Marrekh wachen. Viele Monate hatten sie auf so eine Nacht warten müssen und Ketyr merkte, wie er aufgeregt wurde. Vielleicht... vielleicht würde er sie heute Nacht sehen. Die Wasserelfen. Er kannte kaum eine andere Sehnsucht als sie zu erblicken.
Dass er dafür seinen Wachposten verließ und lieber an den Horizont schaute als auf das Wasser, war ihm gleich. Sie würden kommen, da war er sich ganz sicher.

[Therapistin]

Tobis
Auf der Polaris
2. Quartal des Jahres 2457
Abend

Es würde eine besondere Nacht werden und Tobis gedachte, sie an Deck zu verbringen. Die meisten würden die Nacht wie gewohnt in ihren Kajüten verbringen, sodass Tobis gar die Hoffnung hegte, ganz alleine den Blick zu den Monden genießen zu können.
Noch war die Sonne nicht ganz untergegangen, als er an der Reling entlang Richtung Bug ging. Ein wundervoller Anblick, jedes Mal aufs Neue.
Tobis war schon fast an seinem Zielpunkt angelangt, als er einen Schemen entdeckte, der sich bei genauerer Betrachtung als Ketyr herausstellte. Bei seinem Anblick musste Tobis lächeln. Ketyr war ein aufgeweckter und neugieriger Junge, der seine Aufgaben jedoch nicht immer allzu ernst nahm, so offenbar auch heute.
"Du hättest die heutige Wache sicher auch tauschen können, um das Spektakel zu beobachten", sprach er ruhig und blieb einfach neben dem Jungen stehen, um hinauf in den Himmel zu blicken.

[Cassiopeia]

Ketyr
Auf der Polaris (Seevolk)
2. Quartal des Jahres 2457
Abend

Ketyr zuckte etwas zusammen, als Tobis ihn ansprach. Er sah auf zu dem Mann, den er mehr als alle anderen achtete. Dann schüttelte er den Kopf.
"Das Wasser ist ruhig. Es wird nichts passieren diese Nacht, das weiß ich", antwortete er sicher. "Warum also tauschen, wenn ich ohnehin den besten Posten dieser Nacht zugeteilt bekommen habe? Ohne Aufgabe werde ich nur müde."
Er sah zu Tobis. "Willst du dir auch die Doppelmonde ansehen?", fragte er neugierig. Tobis musste schon viele Monde gesehen haben.

[Therapistin]

Tobis
Auf der Polaris
2. Quartal des Jahres 2457
Abend

Tobis blickte aufs Meer hinaus und lächelte leicht.
"Du hast ein gutes Gespür für das Wasser", erkannte er. Die Oberfläche war in der Tat ruhig, an manchen Stellen kräuselte sie sich ein wenig im Wind, doch es war kaum der Rede wert.
"Das will ich in der Tat", bestätigte Tobis und lehnte sich an die Reling. "Wir könnten sie uns zusammen ansehen, wenn es dir recht ist?", schlug er Ketyr vor und sah den Jungen schmunzelnd an. "Sofern dich die Anwesenheit eines alten Mannes wie mir nicht langweilt."

[Cassiopeia]

Ketyr
Auf der Polaris (Seevolk)
2. Quartal des Jahres 2457
Abend

Ketyr schüttelte den Kopf.
"Bleib ruhig", sagte er, als wäre es sein Angebot. Was es natürlich nicht war, es war Tobis' Entscheidung. Ketyr freute sich, wenn dieser Zeit mit ihm verbringen wollte.
"Kann sein", antwortete auf dessen Aussage zu seinem Wassergespür hin und zuckte etwas mit den Schultern. "Ich weiß einfach, wie das Wasser ist. Wie es ihm geht. Wenn es aufgewühlt ist, kann es zornig werden. Dann kann es ungemütlich werden. Doch heute Abend ist es zufrieden und ruhig und wird wie wir die Nacht der Monde genießen." So versuchte er zu erklären, wie er das Wasser las.

[Therapistin]

Tobis
Auf der Polaris
2. Quartal des Jahres 2457
Abend

Tobis runzelte die Stirn und drehte sich seitlich an die Reling, um Ketyr direkt ansehen zu können. Der Junge hatte schon immer ein besonderes Gespür für das Wasser gehabt. Ähnlich wie auch Tobis - nur dass Ketyr viele Jahre Erfahrung fehlten.
"Es klingt, als würde das Wasser mit dir kommunizieren", gab er seinen Gedanken preis. "Und deine Worte klingen wie die eines weisen Mannes", nickte er anerkennend und lächelte. "Das alles kannst du von hier oben erkennen?"

[Cassiopeia]

Ketyr
Auf der Polaris (Seevolk)
2. Quartal des Jahres 2457
Abend

"Aber nein", sagte Ketyr verlegen, "ich gucke doch nur auf die Wellen. Es ist wie in den Himmel gucken und die Wolken lesen, welches Wetter wird. Dasselbe mache ich mit den Wellen." Er runzelte irritiert die Stirn. "Macht ihr das etwa nicht so?" Er war davon ausgegangen, dass dies alle Seemänner und -frauen der Polaris taten.

[Therapistin]

Tobis
Auf der Polaris
2. Quartal des Jahres 2457
Abend

"Doch doch", lächelte Tobis und legte Ketyr eine Hand auf die Schulter. "Aber dazu gehören viele Jahre Erfahrung, die du nun einmal noch nicht hast", erklärte er in seiner ruhigen Art. "Ich blicke seit vielen Jahrzehnten aufs Wasser hinaus. Und nicht immer vermag ich eine solch genau Aussage zu treffen, wie du sie gerade kund gabst. Das überrascht mich einfach. In positiver Weise, Ketyr. Du wirst ein guter Seemann werden."

[Cassiopeia]

Ketyr
Auf der Polaris (Seevolk)
2. Quartal des Jahres 2457
Abend

Ketyrs Brust schwoll ein wenig an vor Stolz, als er leicht lächelnd auf das Wasser blickte. Die letzten Strahlen erhellten den Horizont tiefrot.
"Hast du sie schon einmal gesehen?", fragte er leise ohne den Blick von dem rasch dunkler werdenden Himmel zu nehmen. "Die Elfen?" Fragend sah er nun Tobis an, der selbst gesagt hatte, über viele Jahrzehnte das Wasser zu beobachten. Viele Jahre, viele Doppelmonde.

[Therapistin]

Tobis
Auf der Polaris
2. Quartal des Jahres 2457
Abend

Tobis lächelte, während er Ketyr beobachtete. Er war noch so jung, doch wie er nun aufs Wasser hinaus blickte, wirkte er ungeheuer reif für sein Alter. Ebenso wie seine Beschreibung des Wassers so weise gewesen war.
Schließlich blickte auch er wieder hinaus aufs Meer, die Arme bequem auf der Reling abgestützt.
"Sie wirkte auf mich damals eher wie ein Wassergeist", antwortete er leise. Es war schon viele Jahre her und manchmal glaubte er selbst nicht mehr daran, sie tatsächlich gesehen zu haben. Doch er erinnerte sich noch genau an ihr Gesicht und vor allem an die Farbe ihrer Augen.
"Hab nur Geduld, irgendwann werden sie sich vielleicht auch dir zeigen", war er zuversichtlich. "Aber die heutige Nacht ist schon einmal eine gute Voraussetzung. Ruhiges Wasser und zwei volle Monde. Halten wir die Augen offen."