ZWEI - Edaira-Gebirge

[Cassiopeia]

Greg
Edaira-Gebirge
2. Quartal des Jahres 2457
Morgen

Greg schmunzelte und sah den Jungen aufmunternd an.
"Du bist jung und stark, du bist genau der Richtige für die Reise. Vergiss nicht, ich habe einen entscheidenden Vorteil - ich weiß alles, was der Wind mir zuträgt. Maeren ist weit in Schritten gemessen. Doch für den Wind sind es nur wenige Minuten. Ich werde euch begleiten, wenn auch unsichtbar. Und wenn ihr mich braucht, werde ich da sein. Immer."
Das war das einzige Versprechen, was er ihm geben konnte.
"Außerdem bin ich mir ziemlich sicher, dass du auch du wissen wirst, was zu tun ist. Außerdem bist du nicht allein. Wenn der junge Marek dich begleiten wird, kannst du dir keinen Besseren wünschen. Er ist kein Elementar, aber hat viele gute Seiten und Ansichten. Ich werde es wohl nicht mehr erleben, wenn er unseren Stamm anführen wird, doch er wird es gut machen. Denn er hat dich. Ihr ergänzt einander auf vielfältige Weise."

[Therapistin]

Jaeden
Edaira-Gebirge
2. Quartal des Jahres 2457
Morgen

Jaeden lächelte leicht.
"Ich sage Marek immer, dass er ein guter Anführer sein wird, doch er glaubt mir nicht", erklärte er Greg, dann seufzte er leise.
"Aber mir fehlt die nötige Erfahrung. Und mein Instinkt ist nicht unbedingt der beste", gab er leise zu bedenken. "Du wirst mir kaum mit Hilfe des Windes sagen können, was ich tun muss, oder?" Er stellte den leeren Becher neben sich ab und rieb sich den Hinterkopf. "Ich mach mir wieder viel zu viele Gedanken."

[Cassiopeia]

Greg
Edaira-Gebirge
2. Quartal des Jahres 2457
Morgen

"Ihm fehlt die Weitsicht. Er lebt im Hier und Jetzt und entdeckt die Beschränkungen unseres Lebens. Marek ist voller Neugier und Bestreben nach Wissen. Das ist eine sehr gute Eigenschaft, er kann den Stamm einmal weit führen. Du bist der Nachdenkliche von euch beiden. Erfahrung erlangt man nur durch Erfahrungen, Jaeden. Mit jedem Tag machen wir Neue, auf die wir zurück blicken können und aus ihnen lernen können. Was ihr vorhabt, stellt euch vor eine Reihe neuer Situationen, in denen ihr noch keine Erfahrungen habt sammeln können. Doch ihr werdet sie machen und mit ihnen weiter reisen und eines Tages reich an Erfahrung zurück kehren und aus dem Erlebten eure Lehren und Weisheiten ziehen."
Greg war sich sicher, dass die beiden zurück kamen. Woher er auch immer diese Sicherheit nahm, er glaubte fest daran.

[Therapistin]

Jaeden
Edaira-Gebirge
2. Quartal des Jahres 2457
Morgen

"Also gehören Fehler und falsche Entscheidungen dazu?", fragte Jaeden und sah Greg nachdenklich an. "Ich würde gerne das Richtige tun, zur richtigen Zeit." Doch wie Greg schon sagte, dazu gehörten Erfahrungen, gute wie eben leider auch schlechte, aus denen man jedoch lernen konnte.

[Cassiopeia]

Greg
Edaira-Gebirge
2. Quartal des Jahres 2457
Morgen

"Das wollen wir alle", erwiderte Greg, "doch es ist ein unerreichbares Ziel. Nimm den Wind: wir nehmen ihn nur als solchen wahr, weil wir auch windstille Momente kennen. Wir sehen das Licht, weil wir auch den Schatten und die Dunkelheit kennen. Wir erkennen den Hunger, weil wir wissen, wie es ist, satt zu sein. Wenn wir nie falsche Entscheidungen träfen, woher wüssten wir, dass es die Richtigen wären?"
"Eine einseitige Sicht kann gefährlich sein. Sie beschränkt den Geist. Jede Entscheidung bringt dich voran. Auch, wenn du sie nicht sofort als richtig oder falsch werten kannst. Vielleicht erkennst du es erst Jahre später, eine Wendung, ein anderer Weg durch eine einzige Entscheidung. Ihr habt die Entscheidung getroffen, auszuziehen. Eine wichtige Entscheidung. Doch welcher Wertung sie unterliegt, können wir erst sagen, wenn es bereits Vergangenheit ist."

[Therapistin]

Jaeden
Edaira-Gebirge
2. Quartal des Jahres 2457
Morgen

Jaeden öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch als er erkannte, dass er gar nicht wusste, was er auf Gregs Worte antworten sollte, schloss er ihn wieder und sah nachdenklich in die Ferne. Der alte Mann hatte vermutlich Recht, es stellte sich immer erst im Nachhinein heraus, ob eine Entscheidung richtig oder falsch war. Vielleicht hatte Jaeden bisher auch einfach nicht oft genug die Gelegenheit gehabt, solche weitreichenden Entscheidungen treffen zu können, um die nötige Erfahrung zu sammeln. Doch das würde er nun nachholen, wenn er mit Marek losziehen würde.
"Ich muss also keine Angst vor Entscheidungen haben?", fragte er schließlich nach und sah zurück zu Greg. "Also ich meine, ich darf natürlich nicht leichtfertig entscheiden, schließlich ist der einfache Weg nicht immer der Richtige."

[Cassiopeia]

Greg
Edaira-Gebirge
2. Quartal des Jahres 2457
Morgen

Greg lächelte leicht bei den weisen Worten des jungen Mannes und nickte.
"Genau so ist es. Du triffst hunderte Entscheidungen jeden Tag, viele von ihnen ohne darüber nach zu denken. Was du anziehst, was du isst, mit dem du sprichst... du hast mich aufgesucht. Auch das war eine Entscheidung und kam aus dir selbst. Du kannst nicht nicht entscheiden. Und jede Entscheidung hat Folgen. Hab vor ihnen keine Angst. Sie sind ein Teil von uns wie das atmen."

[Therapistin]

Jaeden
Edaira-Gebirge
2. Quartal des Jahres 2457
Morgen

"So habe ich das noch nie gesehen", gab Jaeden zu und musste lächeln. Auch das war eine Entscheidung, er hatte sich entschieden zu lächeln.
"Dann hoffe ich, dass ich meine Entscheidungen stets klug fälle. Und aus den falschen lerne, wie man die richtigen trifft", sagte er leise, aber durchaus entschlossen.

[Cassiopeia]

Greg
Edaira-Gebirge
2. Quartal des Jahres 2457
Morgen

"Genau so, mein Junge", sagte Greg erfreut. "Und auch vermeintlich falsche Entscheidungen zeigen einen neuen Weg auf, der dich am Ende mehr lehrt als du ahnst. Neue Wege, neue Schwierigkeiten, neue Möglichkeiten. All das liegt vor uns, wenn wir es zulassen."
Er deutete in die Ferne.
"Dort draußen seid ihr auf euch gestellt. Die Entscheidungen werden weniger klar sein und sie werden weitreichendere Folgen haben. Aber sie werden euch zu einem Ziel führen. Und von dort aus zum nächsten. Vertraut immer darauf."

[Therapistin]

Jaeden
Edaira-Gebirge
2. Quartal des Jahres 2457
Morgen

"Danke für deinen Rat, Greg", sagte Jaeden freundlich. "Ich wäre auch ohne aufgebrochen, doch ich hätte mir niemals so viele Gedanken über meine Entscheidungen gemacht. Über die Folgen." Er sah den alten Mann lächelnd an, doch dann runzelte er die Stirn.
"Ich weiß nicht, wie lange wir unterwegs sein werden, doch ich hoffe sehr, dass ich dich wiedersehen werde", sagte er leise. Greg war eben nicht mehr der Jüngste und es war nun einmal nicht abzusehen, wie lange Marek und Jaeden fort sein würden, womöglich Jahre.