Ruf der Wölfe - abgeschlossen

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Cassiopeia
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Ruf der Wölfe - abgeschlossen

Beitrag von Cassiopeia »

Ihr Lieben,
weil mir gerade danach ist und Ria danach gefragt hatte und überhaupt - die letzte Story von Kathy und mir, die wir binnen weniger Tage zusammen fertig gestellt haben.
Leider wird sie das Ende des Postens auf fanfiktion.de nun nicht mehr erleben, aber ich denke es ist in ihrem Sinne, wenn ich diese Story, die uns beiden sehr ans Herz gewachsen ist, mit euch teile.
Die Story ist vollkommen frei erfunden, alle Ähnlichkeiten sind reiner Zufall.
Wie viele Kapitel es werden, ist noch nicht ganz klar, da wir einen zusammenhängenden Text geschrieben haben und erst nach und nach aufteilen wollten. Bisher sind es vier Kapitel, es werden schätzungsweise sechs bis sieben, grob überschlagen.




1. Wolfsheulen

Es war sehr kalt, Meggie hatte den Eindruck, dass alle Kleiderschichten der Welt sie nicht wärmen konnten. Warum war der Winter in Kanada nur so verflucht eisig? Dazu war es gerade erst Nachmittag und wurde bereits dunkel. So würde sie ihr Auto nie finden. Sie hatte die verfluchte Dunkelheit unterschätzt. Dabei hatte es nur ein kurzer Spaziergang zu dem Kratersee sein sollen und nun fand sie ihr Auto nicht mehr, weil es angefangen hatte zu schneien. Natürlich, dachte sie mit wachsender Verzweiflung, wenn, dann kam alles zusammen.

War sie nicht gerade eben erst hier gewesen? Der Baum sah doch genauso aus, wie der, den sie erst vor fünf Minuten passiert hatte. Oder sahen hier alle Bäume mittlerweile gleich aus? Sie wünschte, sie hätte die Taschenlampe dabei, die sie dank ihres Vaters immer im Handschuhfach hatte. Aber nein, wenn sie diese brauchte, war sie entweder unerreichbar oder die Batterien waren alle.

Dort lag auch ihr Handy, wie ihr fluchend einfiel, als sie ihre Jackentaschen durchsuchte. Also musste sie es weiter versuchen, wenn sie nur die Gegend besser erkennen könnte. Aber es schneite ohne Unterlass, sodass sie nur wenige Meter weit sehen konnte. Ihr war bisher nie klar gewesen, wie plötzlich ein solcher Schneefall einsetzen konnte. Woher auch? Sie war aus den Südstaaten der USA, sie war hier nur zur Recherche für ihren Artikel. Sie hatte keine Ahnung von Schneefällen. 'Reiß dich zusammen, Megan Ashcomb!', rief sie sich zur Ordnung, blieb einen Moment stehen und atmete mit geschlossenen Augen tief durch. Im nächsten Moment jedoch erstarrte sie. War dass das Heulen eines Wolfes gewesen?

Ohne es wirklich zu bemerken, beschleunigten sich ihre Schritte, ebenso wie ihr Herzschlag und ihre Atmung. In Vorbereitung auf ihren Artikel hatte sie nur wenig über diese Gegend gelesen, aber eines hatte in jeder Literatur gestanden: dass es hier Wölfe gab. Innerlich fluchend über ihre Dummheit, erst so spät hier her gekommen zu sein, lief sie weiter. Megan sah sich immer wieder hektisch um, als wären die Wölfe schon direkt hinter ihr. Da, wieder ein Geräusch. Kamen die Wölfe etwa näher? Wieder beschleunigten sich ihre Schritte. Sie rannte und ihre Puste wurde beständig weniger. Einen Moment verschnaufen, dachte sie und blieb schwer atmend stehen, als zum dritten Mal ein Geräusch erklang, viel näher als noch die letzten beiden Male. Nervös sah sie sich um. Aber noch immer konnte sie in der Dunkelheit und dem dichten Schneetreiben nichts erkennen. Zudem hatte es diesmal anders geklungen als die vorigen Male. Irgendwie – menschlicher.

„Auto, wo ist das verflixte Auto!", fluchte sie und war schon fast den Tränen nahe. Sie kam hier nicht weg. Sie hatte sich hoffnungslos verlaufen und irrte ohne Handy, ohne Ortung, vor allem ohne Sicht im Schneetreiben in einer Gottverlassenen Gegend irgendwo in den kanadischen Rockys umher. „Das hast du super hingekriegt, Meggie, ganz klasse!" Es musste eine Lösung her und das sobald wie möglich. Dabei wurde es von Minute zu Minute dunkler, sie war verschwitzt und kaputt, sie fror entsetzlich und war kurz davor, ganz in Panik zu verfallen. Nicht gerade die besten Voraussetzungen für einen kühlen Kopf.

Wieder ein Heulen, sofort schossen ihr Adrenalin und ihr Herzschlag wieder in die Höhe. „Oh Gott", wimmerte sie und sah sich hektisch um.
„Bitte bleibt wo ihr seid, ich bin nicht hier. Lasst mich doch einfach in Frieden!" Sie begann wieder zu laufen um diesem entsetzlichen Heulen zu entkommen, doch in ihrer Panik und wegen der äußeren Umstände konnte sie nicht sagen, ob sie überhaupt vom Fleck kam. Vor Erschöpfung und Angst sank sie schließlich weinend in den Schnee, nur um kurz darauf wieder in die Höhe zu springen. Sie durfte nicht aufgeben, sie würde erfrieren, wenn sie sitzen blieb und aufgab.

Sie lief und lief, wusste nicht, ob sie ihrem Ziel näher kam oder sich von diesem nur noch weiter entfernte. Das wenige an Orientierung was sie gehabt hatte, hatte sie schon lange verloren. Der Schnee, die Dunkelheit, dazu noch die Panik. Und nun kamen auch noch Tränen dazu, die die Sicht noch verschlechterten. Wieder ein Geräusch.
„Nicht, aufhören, verschwindet!", rief sie und presste ihre behandschuhten Hände seitlich an den Kopf um sich die Ohren zuzuhalten. Sie wollte diese Laute nicht mehr hören, sie wollte hier weg. Sie wollte wieder nach Hause, in die Südstaaten.

Meggie stolperte, wobei ihr die Mütze vom Kopf fiel. Hastig setzte sie sie wieder auf, achtete nicht auf den Schnee, der in ihren Haaren verblieb. Sie wollte nur noch hier weg und rannte, blind vor Angst und Panik, weiter. Sie konnte kaum noch etwas sehen, bald würde es vollkommen dunkel sein.
„Nein, bitte... ich will nur nach Hause", flüsterte sie und spürte, wie ihre Tränen an den Wangen fest froren. Sie zitterte heftig und es fiel ihr immer schwerer, auf den Beinen zu bleiben. Ihre Muskeln waren ermattet und sie war mittlerweile so erschöpft vom Herumirren, dass sie immer wieder stehen blieb und spontan die Richtung wechselte. Die Angst verlieh ihr ungeahnte Kräfte, doch sie wusste, dass auch die bald am Ende waren. Dann war sie allein in der Nacht, im bitterkalten Schnee und mit den Wölfen, die sie mit ihrem Geheul einzukreisen schienen, bis sie ihren Atem meinte im Nacken spüren zu können.
„Nein, ich werde nicht aufgeben!", sagte sie sich und lief weiter, stolperte, stürzte. Stand aber wieder auf und lief weiter. Sie würde hier lebend herauskommen, auch wenn sie noch nicht wusste, wie. Sie hatte schon vieles erlebt und nicht alles war schön gewesen. Sie war aus allem gestärkt hervorgegangen und so würde es nun auch hier sein. Wieder ein Laut, aber dieses Mal gelang es ihr diesen auszublenden. Stattdessen lief sie weiter und schaute ungläubig, als sie meinte im Schneegestöber etwas Rotes zu sehen. Hatte sie es etwa geschafft, war sie bei ihrem Leihwagen angekommen?

„Du wirst es nicht finden, Menschenfrau", hörte sie zu ihrem Entsetzen eine tiefe Stimme und erkannte bald darauf, dass das Rot zu einem T-Shirt gehörte, in welchem ein großer Mann mit dunklem Bart und dichtem Haar steckte. Er schien nicht zu frieren, was Meggie unbegreiflich schien. Er trug doch nur ein T-Shirt! Der Fremde schüttelte leicht den Kopf. „Dein Auto ist nicht mehr hier, es hat keinen Sinn, weiter kopflos herum zu rennen."

„Haben... haben Sie ein Auto? Können Sie mich in die Stadt bringen?", fragte sie hoffnungsvoll, vielleicht war er einer der Ranger der Gegend? Erleichterung durchflutete Meggie, hatte sie also doch Glück im Unglück?

Der Fremde lachte, ein dunkles, beinahe bellendes Lachen. „Was soll ich mit einem Auto, Menschenfrau? Bedaure, ich kann dich nicht in die nächste Stadt bringen. Aber an einen anderen Ort..."

„Was für ein Ort?", fragte Meggie panisch, etwas stimmte mit diesem Mann nicht. Nicht nur, dass er nicht zu frieren schien, mitten im Nirgendwo in Jeans und einem roten T-Shirt im Schneetreiben stand und offenbar kein Auto hatte, was ihn her gebracht hatte. Es war seine Ausstrahlung, etwas in seiner Stimme, was Meggie frösteln ließ. Dieser Mann war ihr unheimlich.

„Le-leben Sie hier?", fragte sie und schlang die Arme um sich selbst, das Adrenalin sank in den Keller, was ihr Zittern und ihre Erschöpfung nun vollends zum Vorschein brachte. Der Fremde entblößte eine Reihe unnatürlich spitzer Zähne.

„Könnte man so sagen. Dort ist es warm und trocken und wenn du hier draußen nicht erfrieren willst, rate ich dir, mit zu kommen."

Meggie schluckte. Was sollte sie tun? Der Mann hatte Recht, wenn sie hier blieb, würde sie erfrieren. Sie konnte sich kaum noch bewegen. Ihre Glieder waren von den wenigen Minuten, die sie hier stand, wie eingefroren, zudem war sie vollkommen erschöpft. Aber der Fremde jagte ihr nur durch seine bloße Anwesenheit eine wahnsinnige Angst ein. Welche Option sollte sie wählen? Hier im Nirgendwo erfrieren und als Wolfsfutter enden oder mit dem Mann mitgehen und dort, wo immer er sie hinbringen wollte, nach einer Möglichkeit zu fliehen suchen? Vielleicht war der Mann einfach ein Einsiedler und nicht mehr an Menschen gewöhnt, versuchte sie sich selbst zu beruhigen. Es gab für alles eine Erklärung. Dass er sie 'Menschenfrau' genannt hatte, hatte sie für den Moment erfolgreich ausgeblendet.

„Ich danke Ihnen", sagte sie, als der Mann an ihr vorbei stapfte und eine bestimmte Richtung anzusteuern schien, folgte sie ihm einfach. Es war auf jeden Fall besser, als hoffnungslos im Schnee herum zu irren und auf den sicheren Kältetod zu warten.

Der Weg erschien Meggie wie eine Ewigkeit. Sie fror, sah kaum wohin sie trat und es fiel ihr mit jedem Schritt schwerer, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Sie musste darauf achten, den Fremden nun nicht aus den Augen zu verlieren. Dies bedeutete, dass sie mit seinem Schritt mithalten musste, was alles andere als einfach war. Er bewegte sich scheinbar mühelos durch Schneetreiben, Dunkelheit und Kälte und dies dazu sehr zielstrebig. Unsicher sah Meggie sich um, ihr war, als wären sie keineswegs die einzigen, die durch die Dunkelheit wanderten.

„Ich kann nicht mehr", sagte sie leise, als sie ihre Schritte beschleunigen musste, weil der Mann dies ebenso getan hatte. Sie fiel auf die Knie und sah den roten Fleck, den sie noch vor eine Weile für ihren Leihwagen gehalten hatte, wieder größer werden, als der Mann zurückkam. Missmutig blickte er sie an, schien einen Moment zu überlegen, ehe er sie hochhob und sich wie ein Sack mit Federn über die Schulter warf. Meggie stieß einen überraschten Laut aus, wagte es aber nicht sich zu wehren, auch wenn ihr diese Position mehr als unangenehm war. Wie konnte der Mann sie einfach so locker hochheben? Gut, sie war kein Schwergewicht, aber auch kein Fliegengewicht.

Der Unbekannte sagte keinen Ton, sondern stapfte einfach weiter und schien vergessen zu haben, dass Meggie ein lebendes Wesen war. Sie hatte ihre Mütze verloren, so fielen ihr die Haare wie ein Schleier über den Kopf, was immerhin die Schneeflocken aus ihrem Gesicht fern hielt. Meggie merkte, wie sie trotz all der Umstände schläfrig wurde, die Aufregung und Panik zuvor forderten jetzt ihren Tribut. Immer wieder blinzelte sie und zwang sich, wach zu bleiben. Ob er beschlossen hatte, sie bis in die nächste Stadt zu tragen? Das war doch absurd und unter anderen Umständen hätte sie nun gelacht. Doch nun blieb sie weiterhin reglos auf der Schulter des unheimlichen Fremden liegen und wagte es kaum, tief zu atmen, geschweige denn zu sprechen.

Plötzlich und so unerwartet, dass Meggie einen überraschten und halb ängstlichen Laut von sich gab, hob der Mann sie herunter und stellte sie in den Schnee. Beinahe hätten ihre Beine einfach nach gegeben, so weich waren ihre Knie.

„Wir sind da", sagte er mit einem leichten Grollen in der Stimme, welches Meggie unangenehm frösteln ließ. Als sie aufsah, erkannte sie direkt vor sich eine Felsspalte, in der sich offenbar eine Höhle befand. Sie hob gerade an etwas zu sagen, als jemand im Eingang dieser Höhle erschien, der erst sie, dann ihren Begleiter finster anblickte. Das Blickduell dauerte einen langen Augenblick und Meggie konnte nicht sagen, worum es dabei wirklich ging. Schließlich trat der aus der Höhle Gekommene beiseite, was Meggie als Einladung verstand, einzutreten.

Drinnen empfingen sie eine Helligkeit und Wärme, mit welcher sie nicht gerechnet hatte. Als sie sich umdrehen wollte um zu fragen, wo sie sich befand, war der Mann im roten T-Shirt ihr nicht gefolgt. Stattdessen hörte sie leise und leicht wütende Stimmen, auch wenn sie nicht verstand was diese sagten. Also drehte Meggie sich wieder um, um die Höhle genauer betrachten zu können. Auf vielen Felsvorsprüngen standen brennende Kerzen, in der Mitte brannte ein Feuer und sie fragte sich, warum nicht die ganze Höhle voller Rauch war. Aber als sie zur Decke sah, bemerkte sie dort eine Art Luftabzug, zumindest würde sie dies in einem normalen Haus so bezeichnen.

„Wer bist du, was machst du hier?", hörte sie eine weibliche Stimme aus dem hinteren Teil der Höhle, den sie bisher nicht bemerkt hatte, da dieser im Dunklen lag.

„Ich habe dich etwas gefragt, Mensch", fragte die Frau erneut. Meggie fragte sich, ob alle die hier lebten dieses leichte Knurren in ihrer Stimme hatten und unfreundlich klangen? Zumindest wusste sie nun schon, dass der Mann, der sie her gebracht hatte, kein Einsiedler war. Ein Sonderling ja, aber kein Einsiedler. Ob dies gut oder schlecht war, würde sich erst noch zeigen müssen.
„Antworte endlich!", wurde die Stimme etwas lauter und die Frau trat näher.

„I-ich bin mit--" Sie sah sich hektisch um, doch ihr Retter war noch immer nicht im Inneren der Höhle angelangt. „Also, ich hatte mich verlaufen und da hat mich der Mann im roten T-Shirt gefunden und bot mir an, hier her zu kommen", erklärte sie etwas kleinlaut, holte dann aber tief Luft und straffte etwas die Schultern. „Ich bin Megan Ashcomb", stellte sie sich vor und reichte der Fremden die Hand.

„Espen", schnaubte die Frau, das war so typisch für diesen. Das er aber auch immer so ein weiches Herz haben musste. „Susan", stellte sie sich nun Frau vor und umrundete Megan. „Hmm, viel ist aber nicht an dir dran. Dachte ich könnte dich übers Feuer hängen und rösten. Menschenfleisch schmeckt roh nicht wirklich gut.“

Meggie entfuhr ein nervöses Kichern. „Wo genau bin ich hier? Lebt ihr alle hier in dieser Höhle? Mitten in der Einöde?", fragte sie in der Hoffnung etwas über diesen seltsamen Ort zu erfahren. „Uhm, kann ich mich irgendwo hinsetzen? Ich bin ziemlich viel gelaufen...", fragte sie unsicher, als ihr auffiel, dass es quasi kein Mobiliar in dieser Höhle gab. Wie schliefen diese Leute, mitten auf dem Steinfußboden?

Susan musterte die Frau. „Fühle dich frei, setz dich wo du einen Platz findest oder ist das für deinen menschlichen Hintern nicht weich genug?", wollte sie bissig wissen und entfernte sich wieder. Sie wollte gleich nicht hier sein, wenn ihr Anführer sehen würde, dass ein Mensch in ihrer Behausung war.

Meggie blickte Susan etwas verunsichert an. „Nein, nein, das... geht schon, danke", sagte sie und zog nun doch ihren warmen gefütterten Mantel aus, da es ihr so sehr warm wurde und dieser ihr als weiche Unterlage dienen konnte, wenn es schon keine Stühle oder Kissen gab. Susan war offenbar nicht gut auf sie zu sprechen und ging einfach, Meggie fragte sich, wohin. Gab es hier noch anschließende Räume, die sie wegen des schummrigen Lichts des hinteren Teils nicht sehen konnte? Und wieso hatte sie so abfällig geklungen, als Meggie ihr erzählt hatte, wer sie her gebracht hatte? Espen... ein komischer Name, fand Meggie. Wo blieb der eigentlich? Er hatte sie ohne ein Wort hier her geschleppt und schien nun wie vom Erdboden verschluckt.

Meggie wagte es nicht, jemanden anzusprechen, sie war für den Moment froh um die Wärme und die Trockenheit an diesem Ort. Wenn die anderen sie ignorierten, war ihr das lieber, als wenn sie sie angriffen. So konnte sie vielleicht eine halbwegs ruhige und vor allem warme Nacht verbringen und am nächsten Tag im Hellen hoffentlich ihr Auto unter den Schneemassen wieder finden.

Es entstand einige Unruhe, als ein großer, muskulöser Mann mit dunklen Haaren und erstaunlich hellen Augen die Höhle betrat. Er brauchte nur eine Sekunde um sie zu bemerken. Als er auf sie zukam, verengten seine Augen sich und nahmen einen beinahe feindlichen Ausdruck an.
„Was soll das?", fragte er mit einer Stimme, die wie Reibeisen klang, rau und knurrend. Er hatte nicht einmal laut gesprochen, doch Meggie war sich sicher, dass jeder in der Höhle ihn gehört hatte. „Wer hat das da angeschleppt?" Erschrocken wich Meggie zurück, die gerade hatte Mut sammeln wollen um sich vorzustellen. Davon hielt der Mann offenbar wenig.

„Ich", sagte der Mann in dem roten T-Shirt, der Meggie hergebracht hatte. Er wusste, es brachte nichts, wenn er es verschwieg. Ihr Anführer würde es so oder so erfahren.

„Espen", sagte der Fremde, der sie so abfällig gemustert hatte und drehte sich erst dann zu ihrem Retter um. „Wieso sitzt ein Menschenweib an meinem Feuer und wärmt sich in meiner Höhle?", fragte er scharf, was Meggie dazu brachte, aufzustehen.

„Er hat mir das Leben gerettet, ohne ihn wäre ich dort draußen - "

„Dich hat niemand gefragt, Menschenweib! Also Epsen? Ich höre?"

„Sie ist oder wird mein Weibchen", sagte er ohne jegliche Emotion. Ihr Geruch hatte ihn angezogen, sie passte perfekt zu ihm und würde seine Welpen austragen.

„Bitte?!", entfuhr es Meggie entsetzt, was redete der Mann denn da? Gar nichts würde sie! „I-ich bitte nur um... nur diese Nacht, bitte. Morgen früh bin ich wieder weg, sobald es hell ist und suche mein Auto..."

„Ich sagte dir schon, dein Auto ist weg. Du bleibst hier und wirst meine Welpen austragen oder wirst zu Steak verarbeitet, das ist deine Wahl", sagte Espen entschieden, das würde er ihr noch beibringen, dass sie nicht einfach dazwischen redete, wenn sie nicht gefragt worden war.

Wütend fuhr Meggie auf. „Ich bin doch keine Geisel, hast du sie noch alle?!", fuhr sie besagten Espen an. „Was seid ihr, Einsiedler-Spinner, die Touristen verarschen? Langsam ist mal gut, ihr könnt die versteckten Kameras rausholen." Das war ja kaum zu glauben und sie hatte Espen beinahe gedankt, dass er sie vor der Kälte gerettet hatte. „Ich lasse mich hier nicht festhalten und schon gar nicht vergewaltigen, das ist pervers!" Hastig zog sie ihren Mantel wieder an, sie musste hier dringend weg. Angst kroch wieder in ihr auf. War sie nun von der grausamen Kälte in eine Horde grausamer Männer geraten, die sie einer nach dem anderen vergewaltigen würden? Das war der reinste Horror und sie merkte, wie die Angst erneut in Panik zu kippen drohte.

„Leute, es gibt morgen gerillten Mensch zum Frühstück. Allerdings Tiefkühlmensch", sagte Espen in die Runde und ging weiter in die Höhle. „Der Schneesturm ist noch stärker geworden. Ich werde dich dieses Mal nicht retten, auch wenn ich mich im Gegensatz zu dir hier auskenne und andere Möglichkeiten der Orientierung habe", fügte er noch hinzu, ehe er nach hinten verschwand. Er wusste, Mike würde sie nicht gehen lassen und er wollte nicht sehen, wie er ihr die Kehle durchbiss.

Meggie zauderte. Sie hatte offenbar die Wahl zwischen dem sicheren Kältetod und einer Vergewaltigung von Menschen ohne jegliche Moral - denn sie nahm nicht an, dass diese ein Spiel trieben, sie meinten alles, was sie sagten, auf perfide Art und Weise ernst. Unsicher sah sie zum Höhlenausgang, der pechschwarz war. „Wer seid ihr?", fragte sie leise und tief verunsichert. Sie wollte noch nicht sterben, nicht in dieser Nacht, nicht auf diese Weise. „Was... was muss ich tun um bleiben zu dürfen?" Vor Angst begann sie erneut zu zittern, doch ihr Überlebenswille war stärker als der Fluchtgedanke.

„Eine von uns werden und dann meine Frau", sagte Espen ohne sich wieder umzudrehen. „Wähle weise und wähle schnell. Denn die nächste Entscheidung, die du triffst, wird so oder so deine Endgültige sein", fügte er hinzu und ging weiter zu seinem Schlaflager und ließ Meggie mit Mike alleine, denn alle anderen hatten sich ebenfalls zurückgezogen oder waren noch nicht wieder da.

Meggie fiel es wie Schuppen von die Augen. Natürlich, sie musste in einer dieser bescheuerten Natursekten gelandet sein, die lebten wie die Steinzeitmenschen oder so ähnlich. Wobei diese hier es offenbar noch eine Spur weiter trieben. „Was heißt 'eine von uns'?", fragte sie mit angstvoller Stimme. Wieso ging Espen jetzt weg, wenn er behauptete, sie zur Frau - genauer, zu seinem 'Weibchen' - nehmen zu wollen? Dem Mann mit den hellen Augen traute sie noch weniger. „Ich...ich kann doch bezahlen für die Nacht, ich h-habe fünfzig Dollar bei mir... bitte..."

„Entscheide dich, sonst nehme ich dir die Entscheidung ab", sagte Mike und sah sie ungeduldig an. „Ich gebe dir zwei Minuten." Damit wandte er sich ab und trat in den Eingang der Höhle um dort auf die Entscheidung dieser Menschenfrau zu warten. Ihm gefiel es noch immer nicht, dass Espen sie einfach so mitgebracht hatte, aber gegen die Instinkte war Man(n) machtlos. Dies wusste er und würde Espen da auch keinen Vorwurf machen, aber gefallen musste es ihm nicht.

Unschlüssig stand Meggie da. Eigentlich zog sie alles nach draußen, keine Sekunde wollte sie noch hier bleiben. Draußen allerdings lauerte der Tod. Sie würde einen anderen Weg finden müssen... später in der Nacht konnte sie vielleicht fliehen, wenn der Morgen nicht mehr fern war. Dann waren ihre Überlebenschancen größer und im Hellen fand sie sich leichter zurecht. „I-ich werde bleiben", hörte sie sich leise sagen, auch wenn sie noch immer keine Ahnung hatte, wer diese Menschen eigentlich waren und auf was sie sich hier einließ. Sie musste wirklich wahnsinnig sein. Aber dieser Wahnsinn rettete ihr - für den Moment - zumindest das Leben, bis sie eine Möglichkeit fand, dem zu entkommen.

Mike nickte. Damit hatte er gerechnet, dass sie sich so entscheiden würde. Alles andere wäre auch Wahnsinn gewesen, aber gefallen musste es ihm nicht. „Joana!", rief er in die Höhle hinein und wartete bis diese kam. Als sie neben ihm stand, schenkte er ihr ein kleines Lächeln. „Dies ist Espens Zukünftige, nimm dich bitte ihrer an, ich weiß nicht wie sie heißt, aber vielleicht verrät sie es dir ja. Mensch, dies ist meine Frau, benimm dich also, sonst bekommst du es mit mir zu tun", sagte er und trat weiter in die Höhle um sein eigenes Lager auf zu suchen. Was vom Hauptraum der Höhle nicht zu sehen war, dass sie sich teilte. Es gab noch drei weitere Höhlen, eine etwas Kleinere in welcher sie Vorräte jeglicher Art lagerten und zwei etwa gleich große Höhlen die als Schlafräume dienten. Einer war für die Frauen, der zweite für die Männer und in diesen begab er sich um sich zur Ruhe zu betten. Er wusste, er konnte sich auf Joana verlassen, sie würde es bemerken, wenn die Frau versuchen sollte zu fliehen, was er ihr nicht raten würde.

Joana trat auf die Fremde zu. „Komm mit mir. Wir machen dir schnell ein Lager zurecht, dann kannst du dich ausruhen“, sagte sie neutral und schob die Frau vor sich her.

Unsicher sah Meggie die Frau an, die von dem Mann sogar ein Lächeln bekommen hatte. Was würde sie geben für ein Lächeln, ein einziges freundliches Wort, eine winzige Geste des Willkommens. Doch alles was ihr entgegen schlug war Feindseligkeit und Ablehnung, der Mann von eben hatte sie behandelt wie ein Ding und nicht wie einen Menschen. „I-ich bin Meggie", stellte sie sich schließlich vor, vielleicht war diese Joana ja etwas freundlicher als ihr vermeintlicher Mann. „U-und danke für deine Hilfe." Mehr traute sie sich nicht zu sagen, es schien nicht erwünscht, dass sie überhaupt etwas sagte und so folge sie Joana einfach in den hinteren Teil der Höhle.

„Joana, aber das sagte Mike ja eben schon", meinte diese und ging in die Vorratshöhle. Sie sah sich kurz um und nahm schließlich eine Isomatte und einen Schlafsack. „Ich hoffe, dies genügt dir. Eigentlich benutzen wir diese Dinge nur für unsere Kinder, deshalb musst du auch gleich leise sein, wenn du in die Schlafhöhle der Frauen kommst, denn dort schlafen die Kleinen ebenfalls", erklärte sie und führte Meggie weiter, bis sie schließlich in der richtigen Höhle waren. „Hier kannst du dir dein Lager bauen", sagte sie und legte die Dinge, die sie aus der Vorratshöhle mitgenommen hatte, auf den Boden, ehe sie zu ihrem eigenen Schlafplatz ging, der nur wenige Meter entfernt war.

Meggie versuchte angestrengt etwas zu erkennen, doch hier, wo keine Feuer mehr brannten, musste sie sich eher voran tasten und war froh, nirgends ernsthaft gegen zu stoßen.
„Danke", flüsterte sie leise, als sie sich daran erinnerte, im Schlafraum leise zu sein. Vorsichtig tastete sie nach den Dingen auf dem Boden und legte erst die Matte aus, ehe sie den Schlafsack darauf ausrollte. Dann setzte sie sich hin und zog ihre Schuhe aus um in den Schlafsack zu kriechen, etwas, was ihr unheimlich laut vorkam, vor allem, als sie den Reißverschluss zu zog. Sie legte ihren Mantel über sich, der sie zusätzlich wärmte und drehte sich auf die Seite. Eine ganze Weile konnte sie nicht einschlafen, doch irgendwann siegte die Erschöpfung der letzten Stunden und sie driftete in einen unruhigen Schlaf, in dem Espen, Mike und Joana sich in kannibalische Bestien verwandelten.
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Re: Ruf der Wölfe

Beitrag von Tjeika »

Ich bin sehr froh, dass du dich dazu entschieden hast, es hier zu posten :)
Und ich finde den Anfang durchaus spannend. Auch wenn die gute Meggie leicht naiv ist. Okay, tendentiell komplett naiv ;)
Interessant und faszinierend scheinen ja die Wölfe zu sein.
Mehr? :lol:
"Hören Sie, Sir, folgendes... Es geht um meinen Teppich, der das Zimmer erst richtig gemütlich gemacht hat..."

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Re: Ruf der Wölfe

Beitrag von Cassiopeia »

Danke dir! :knuff:

Jaa, naiv ist sie und musste sie irgendwie auch sein in dieser Konstellation, sonst wäre die Story sehr schnell zu Ende gewesen^^.
Mehr wird es sicher geben, ob ich es heute noch schaffe weiß ich nicht, sonst die nächsten Tage :nick:
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Re: Ruf der Wölfe

Beitrag von Tjeika »

Prima, da freu ich mich :D
"Hören Sie, Sir, folgendes... Es geht um meinen Teppich, der das Zimmer erst richtig gemütlich gemacht hat..."

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Ayrina
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Re: Ruf der Wölfe

Beitrag von Ayrina »

Ich kann mich nur anschließen. Schön, dass du dich entschieden hast, sie zu posten.
Und ich finde den Anfang mehr als vielversprechend.
Würde mich auch freuen, mehr zu lesen!!
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Cassiopeia
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Re: Ruf der Wölfe

Beitrag von Cassiopeia »

Oh, lieben Dank! :knuff:

Da werde ich die Tage wohl mal weiter posten :D
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Re: Ruf der Wölfe

Beitrag von Cassiopeia »

In diesem Teil wird vielleicht deutlich, dass wir sehr im Rollenspielmodus waren, als wir die Story geschrieben haben^^

2. Wolfsrudel

Megan erwachte zitternd und musste feststellen, dass der Raum um sie herum leer war. War das alles nur ein Traum gewesen? Unsicher setzte sie sich im Schlafsack auf - der war wenigstens real - und sah sich um. Hier und da lag eine Decke oder eine Matte herum, doch der übrige Raum war verlassen. Vorsichtig schlüpfte sie aus dem Schlafsack und zog sich ihre Schuhe an, anschließend auch ihren Mantel und trat zögernd aus dem Schlafraum. Offenbar hatte sie die Nacht komplett verschlafen, aber wenn nun keiner mehr hier war, kam sie vielleicht unbeschadet davon.

Mehr und mehr kam Meggie zu dem Schluss, dass sie in dem Schneesturm gestern hier her gefunden haben musste und halb erfroren vermutlich bereits Halluzinationen gehabt hatte. Wie sie an den Schlafsack und die Isomatte gekommen war, wusste sie nicht - vielleicht war dies einfach eine Höhle für gestrandete Wanderer, die einen Unterschlupf suchten und jemand hatte seine Sachen zurück gelassen. Ja, genau so musste es gewesen sein.

Nun sehr viel beruhigter trat sie in Richtung des Ausganges. Der Sturm hatte sich gelegt und vor ihr breitete sich eine weiße, helle Landschaft aus. Megan runzelte die Stirn, als sie Spuren im Schnee erkannte, Hunde- oder Wolfsspuren, die offenbar aus dieser Höhle zu kommen schienen. Doch das war nun unwichtig, dieses Rätsel musste sie nun nicht mehr lösen. Das einzige, was sie lösen musste war die Frage, wo zur Hölle ihr Auto abgeblieben war. Erleichtert darüber, diese Nacht überstanden zu haben, stapfte sie in den Schnee und versuchte die Gedanken an diese höchst seltsame Nacht abzuschütteln.

Espen war schon länger wach und nicht nur er. Das ganze Rudel war schon seit Stunden auf den Beinen und hatte die Höhle verlassen. Er selbst lag in der Nähe auf der Lauer. Sie wollten Meggie testen. Würde sie versuchen zu fliehen, wenn sich eine Möglichkeit bot? Er bezweifelte, dass sie diese nicht nutzen würde. Dies war wohl etwas was jeder machen würde, der wie sie in diese Situation geraten war. Aber er wollte seine Zukünftige besser kennen lernen, sie einschätzen lernen und dies war die beste Möglichkeit. Ein jeder Neuling hatte diesen Test machen müssen.

Da kam sie, wie Espen erleichtert feststellte. Er unterdrückte ein freudiges Jaulen, während er beobachtete wie sie sich langsam von der Höhle entfernte. Langsam und in genügend Abstand, damit sie ihn nicht bemerkte, folgte er ihr. Er schüttelte leicht den Kopf. Als erstes würde sie lernen, wie und woran sie sich orientieren konnte, denn sie lief in die vollkommen falsche Richtung. Sie waren aus der anderen gekommen.

Was sie wohl sagen würde, wenn sie wüsste, dass der Leihwagen wirklich nicht mehr auf dem Parkplatz stand? Er hatte Eddy gebeten es zur Leihwagenfirma zurück zu bringen. Sie war eigentlich gar nicht weit weg gewesen von der Stelle, wo ihr Auto gestanden hatte. Eigentlich hatte er genau an dieser Stelle auf sie gewartet.

Er folgte ihr eine ganze Weile, ehe er näher kam, sie sogar überholte und sich im Schutz eines breiten Baumes zurück verwandelte. „Wolltest du nicht bleiben?“, fragte er ruhig und trat hinter eben diesem hervor. „Davon abgesehen, dass du in die völlig falsche Richtung laufen würdest, wenn dein Auto noch da stünde, wo du es abgestellt hast.“

Erschrocken fuhr Megan auf, als Espen plötzlich aus dem Nichts vor ihr stand. „W-was machst du hier? Wie kommst du hier her?", fragte sie, war es etwa doch real gewesen, was sie erlebt hatte? „I-ich habe nichts dergleichen gesagt! Ich bin doch nicht bescheuert und liefere mich einfach so aus. Und außerdem - woher weißt du, wo mein Auto steht?" Wütend sah sie ihn nun an, so leicht bekam er sie nicht klein, nicht noch einmal.

„Meinst du, ich lasse mein Weibchen einfach so aus den Augen?", fragte er, hob eine Augenbraue und trat auf sie zu. „Und was dein Auto betrifft, so gibt es in der ganzen Gegend nur einen Parkplatz wo du es abgestellt haben kannst. Also war dies nicht schwer heraus zu finden“, sagte er weiter. Er blieb ruhig, erstaunlich ruhig, etwas was ihm sonst oft nicht leicht fiel. Er war eher ungeduldig, besonders wenn er etwas wollte, dann pflegte er dies sehr schnell zu bekommen. „Und wieso ausliefern? Wenn du erst eine von uns bist, wirst du mich wollen. Du hast Glück, dass schon in der kommenden Nacht Vollmond ist, da wirst du eine von uns und morgen werden wir verheiratet sein“, grinste er und trat nun ganz vor sie. „Soll ich dich wieder über meine Schulter werfen oder kommst du freiwillig mit?“

„Du bist ja vollkommen irre!", spie sie ihm entgegen, drehte sich um und ging mit ausholenden Schritten weiter. Dieser Mann war eindeutig verrückt, wieder suchte sie in ihren Taschen, doch ihr Handy blieb verschwunden. „Ich habe niemals zugestimmt, dich zu heiraten - ich habe einen Job, ein Zuhause, eine Familie! Du wirst mich sicher nicht hier fest halten, Espen - oder wie auch immer du heißt." Sie spürte, wie er sie am Arm herum riss und wäre beinahe gestolpert. „Lass mich los, verdammt!", fluchte sie, nun kam die Angst doch wieder hoch. War er etwa doch so ein irrer Vergewaltiger? „Nein, lass mich runter! Hilfe – HILFE!"

Ihre Schreie schmerzen in seinen empfindlichen Ohren, aber er sagte nichts, warf sie sich einfach über die Schulter und trug sie zur Höhle zurück. Ihre lächerlichen Versuche ihn zu schlagen und so aus seine Griff zu entkommen, spürte er dagegen kaum. „Schreie ruhig, du bist hier im Niemandsland. Kein normaler Mensch verirrt sich hier her, schon gar nicht im Winter. Also rufe ruhig um Hilfe, hören tun dich nur meine Brüder und Schwestern und die helfen dann doch eher mir", lächelte er und stapfte einfach wieder zurück zur Höhle.

Sie rief um Hilfe, sie flehte ihn an, sie gehen zu lassen, sie trat, sie kratzte, sie schlug auf seinen Rücken ein. Nichts half. Er schien es nicht einmal zu merken, sondern trug sie mit erstaunlicher Leichtigkeit, wie schon in der Nacht zuvor, in die Höhle. Als er sie abstellte, drohten ihre Beine einzuknicken, voller Angst drückte sie sich gegen die Höhlenwand. „Wer bist du?", fragte sie im Flüsterton und sah ihn aus geweiteten Augen an. „Was bist du?" Wieso sagte ihr nicht endlich jemand, was hier vor sich ging, in welchem kranken Spiel sie hier gelandet war? „Was wollt ihr von mir?"

Espen schloss für einen Moment seine Augen. „Was ich von dir möchte? Wie oft möchtest du es noch hören? Du bist die perfekte Frau für mich und morgen wirst du sagen, ich wäre der perfekte Mann für dich. Wer ich bin? Du hast meinen Namen doch schon benutzt, also weißt du wer ich bin. Zudem bin ich der Stellvertreter von Mike, dem Führer unseres Rudels. Was ich bin? Ein Mensch einerseits, ein Geschöpf des Mondes andererseits. Und bitte, frage jetzt nicht weiter oder suche dir jemanden, der mehr Geduld hat als ich um dir zu helfen", sagte er und ging in den hinteren Teil der Höhle. Sie würde nicht noch einmal fliehen. Sie konnte nicht noch einmal fliehen, denn von nun an stand sie unter dauerhafter Beobachtung. Espen ging direkt in die Vorratshöhle wo er eine Kleinigkeit zu essen und etwas zu trinken holte, damit Meggie etwas zu essen bekam. Als er zurück in die Haupthöhle trat, hatte sie sich noch keinen Millimeter gerührt, weshalb er ihr die Dinge, die er ausgesucht hatte, hinstellte und sich ans Feuer setzte.

„Du kennst mich ja nicht einmal!", sagte sie schrill, wie konnte er da behaupten, sie wäre die perfekte Frau? Oh Gott, der Mann war der reinste Psychopath! „Du hast kein Recht mich hier fest zu halten, das ist Nötigung und Freiheitsberaubung!" Ohne Espen oder das mitgebrachte Essen anzusehen, stürmte sie herum und wollte die Höhle verlassen. Auf der Stelle. Keine Minute länger würde sie bei diesem Menschenräuber bleiben.

Sie kam nur wenige Schritte weit, als sie so fest am Arm gepackt wurde, dass sie wimmernd in die Knie ging. Eisblaue Augen sahen sie an. „Wenn du noch ein Mal versuchst weg zu laufen, muss ich dich umbringen", knurrte der Mann, der offenbar Mike hieß. Megan wurde schlecht, wie sollte sie hier nur wieder heraus kommen?

Mike schüttelte missbilligend den Kopf, als er die Frau zurück zum Feuer zog und beinahe neben Espen warf. „Das nächste Mal halte ich mich nicht zurück", sagte er und verschwand in den hinteren Räumen, Espen sollte sein Weibchen besser im Griff haben. Wenn er schon ohne Absprache ein neues Rudelmitglied anschleppte, hatte er auch dafür zu sorgen, dass sie sich an die Regeln hielt.

Megans Verzweiflung wuchs. Wer waren diese Leute? Menschenhändler? Zitternd setzte sie sich auf und rieb sich vorsichtig den Arm. Unsicher sah sie Espen an, wagte es aber nicht mehr, ihn anzusprechen. Stattdessen blickte sie ins Feuer und kämpfte gegen die Tränen an. Sie wollte doch nur hier heraus und nach Hause...

„Ich an deiner Stelle würde nicht noch einmal versuchen zu fliehen. Ich weiß, du bist verängstigt und weißt nicht was los ist, aber ich kann dich nur hier beschützen. Dadurch, dass du in unser Revier eingedrungen bist, kannst du nicht mehr gehen", sagte Espen leise und blickte ebenfalls ins Feuer hinein. „Normalerweise verschwinden die Menschen die hier her kommen einfach spurlos, das sollte auch mit dir geschehen, ehe mir dein Duft in die Nase stieg. Ich mag dich nicht kennen, da hast du Recht, aber meine Instinkte sagen mir, du bist die perfekte Frau für mich. Du kannst es akzeptieren oder sterben", sagte er, ließ Meggie aber nicht hören, dass es ihn schmerzen würde. Solange schon hatte er nach einer Frau gesucht und nun, wo er sie endlich gefunden hatte, wollte er sie nicht mehr gehen lassen. Wer wusste schon, ob er noch einmal jemanden finden konnte. Werwölfe konnten mit anderen Werwölfen keine Kinder zeugen, dafür brauchten sie jemanden von außerhalb. „Ich werde Joana bitten, sich um dich zu kümmern, sie war wie du auch einst ein menschliches Weibchen, vielleicht kann sie dir helfen, dir die Angst zu nehmen", sagte er und entfernte sich etwas, um eben diese zu holen.

Noch immer zitternd und verängstigt kauerte Meggie am Feuer. Unsicher sah sie zum Höhlenausgang, wagte aber nicht mehr den Versuch, diesen zu erreichen. Das hier war ein einziger Alptraum. Sie wollte keine Joana, sie wollte nach Hause, wollte hier weg und das alles vergessen. Noch immer hatte er ihr nicht wirklich gesagt, was er war. Ein Wesen des Mondes? Das klang sehr nach Mystik und irgendeinem seltsamen Kult, fand sie. Sollte sie vielleicht einem Naturgott geopfert werden? Meggie war nicht sehr gläubig, doch mittlerweile war sie fast soweit, die Hände zu falten und Jesus Christus um Hilfe zu bitten, schließlich stammte sie aus einer erzkatholischen Familie.

„Hallo Meggie", sagte Joana als sie ans Feuer trat. „Espen hat mich gebeten, dir von meiner Anfangszeit hier zu erzählen, darf ich mich zu dir setzen? Vielleicht hilft es dir ja etwas."

Ertappt sah Megan auf und wischte sich die verräterischen Tränen von der Wange. Unsicher sah sie Joana an und nickte schließlich, diese schien der einzige Mensch zu sein, der ihr halbwegs freundlich begegnete. Wenigstens nicht missbilligend, abwertend oder beherrschend. „D-du bist Mikes Frau, richtig?", fragte sie leise und musste kurz schniefen, fasste sich dann aber wieder. Der Mann erschien ihr als eiskaltes Monster, wie konnte man so jemanden nur heiraten? Reines Entsetzen durchflutete Megan als sie sich vorstellte, was ihr für ein Schicksal an Espens Seite blühte.

„Ja, das bin ich und ich bin sehr glücklich mit ihm, auch wenn du dir dies vielleicht nicht vorstellen kannst“, sagte Joana und lächelte. „Aber ich erinnere mich auch noch an die Zeit, als ich nur ein Mensch war. Ich saß ähnlich da wie du, verunsichert, verängstigt und fragte mich was dieses Monster von mir möchte. Er wirkte so kalt, so brutal, aber glaube mir. Für die Männer hier sind die Frauen Schätze, zumindest wenn sie zum Rudel dazu gehören. Du gehörst noch nicht dazu, noch bist du ein Risiko und das sind sie nicht wirklich bereit einzugehen. Gerade wenn es um die Welpen geht, die aber nun gerade nicht hier sind. Das wirst du verstehen, wenn die Nacht vorbei ist.“

Meggie verstand kein Wort. Dass sie behauptete mit Mike glücklich zu sein hielt sie für reinen Schutzreflex, so kalt wie der Mann sie angesehen hatte, hätte er sicher nicht gezögert, sie tatsächlich zu töten. Und wenn er dazu bereit war, war er sicher alles andere als nett zu seiner Frau. Espen hatte sich nur unwesentlich freundlicher verhalten, er hatte sie schließlich hier her geschleppt und hielt sie hier fest ohne jegliche Erklärung. „Was... was werde ich dann sein?", fragte sie unbehaglich und wagte es nicht, aufzusehen. „Was hat das alles hier zu bedeuten? Warum bin ich ein 'Weibchen' und keine Frau? Welches Rudel? Und wieso seid ihr keine Menschen, wo ihr doch wie welche ausseht? Meinst du mit Welpen eure Kinder?" Die Fragen sprudelten einfach so aus ihr heraus, diese Unsicherheit und die Unwissenheit machten sie mürbe und sie fühlte sich noch wehrloser als sowieso schon.

Joana lächelte leicht. „Du bist ein Weibchen, weil die Männer uns so bezeichnen, sie meinen es nicht böse, es ist wie ein Kosename“, fing sie ihre Erklärung an. „Und ja, Welpen sind unsere Kinder. Und als Rudel bezeichnen wir unsere Gemeinschaft. Was das alles zu bedeuten hat? Du bist die ideale Frau für Espen, deshalb hat er dich her gebracht. Die Männer erkennen ihre Frauen an ihrem Geruch. Du musst wissen, die wenigsten Kinder, die geboren werden sind Mädchen, vielleicht jedes sechste oder siebte, aber auch das nur mit Glück. Manchmal sind sie auch noch seltener“, erklärte sie weiter, ehe sie leise seufzte und froh war, dass einer der Männer neben dem Eingang stand, denn was Meggie nun erfahren würde, würde sie noch mehr aus der Bahn werfen, das wusste sie. „Was wir sind? Es gibt viele Namen für uns. Wir gelten nur als Märchen, gehören ins Reichen der Sagen und Mythen. Man bezeichnet uns als Kinder des Mondes, Lykantrophen“, sagte sie und beobachtete Meggie bei ihren nächsten Worten sehr genau. „Oder einfach auch als Werwolf.“

Megan hörte Joana sehr genau zu, was diese zu ihrem Rudel erzählte, den Männern und den Kindern. Als sie aber behauptete, sie seien Werwölfe, konnte Megan nicht anders als zu lachen. „Ach komm, jetzt verarschst du mich aber. Spielt ihr eines dieser Live-Rollenspiele, die so echt wie möglich sein sollen? Oder gehört ihr einem spirituellen Naturkreis an, der Legenden aus Sagengestalten lebendig werden lässt? Wer seid ihr wirklich?", fragte sie, langsam hatte sie genug von diesen Spielchen mit Rudel und Kinder des Mondes.

Joana seufzte, stand auf und trat ein paar Schritte von Meggie weg. „Erschrick jetzt bitte nicht", sagte sie, konzentrierte sich und verwandelte sich in ihren Wolf.

Erschrocken sprang Megan auf und wich zurück. Angstvoll blickte sie auf den Wolf vor sich, während ihr Herz drohte sich zu überschlagen. Das Atmen fiel ihr schwer und sie musste sich an der Wand abstützen. „Nein", murmelte sie und merkte, wie ihr schwindelig wurde. „Nein, das... das kann doch nicht sein... das kann nicht..." Sie blinzelte, doch der Wolf blieb dort sitzen und sah sie an. Als Joana sich zurück verwandelte, begann Megan zu weinen und sank in sich zusammen. Zu viel, es war einfach zu viel, ihr Verstand kapitulierte und sie wusste gar nichts mehr. Was hier passierte konnte einfach nicht real sein und doch sah sie es mit ihren eigenen Augen. „Oh Gott, was passiert mit mir?", flüsterte sie schluchzend und barg ihr Gesicht in ihren Händen.

„Ssscht", machte Joana und trat langsam näher. Sie konnte verstehen, dass Meggie verunsichert war. Ihr war es damals nicht anders gegangen, nur dass sich für sie Mike verwandelt hatte und er war ein gutes Stück größer als sie und Schwarz wie die Nacht, wohin gegen sie weiß war, was es nur äußerst selten gab. „Ganz ruhig. Ich weiß, es muss dir Angst machen, aber es ist wirklich schön ein Werwolf zu sein, auch wenn du es dir nicht vorstellen kannst. Lasse dich darauf ein oder entscheide dich für den Tod, aber das solltest du vor dem Abend tun, denn heute Nacht ist Vollmond, da wirst du gebissen und damit verwandelt."

„Komm nicht näher!", schrie Meggie und sprang in Panik auf, als Joana sich ihr nähern wollte. „Du hast Recht, ich kann es mir auf keinen Fall vorstellen und ich werde mich garantiert nicht in ein solches Monster verwandeln! Ich... ich liege irgendwo im Straßengraben und fantasiere vor Unterkühlung und Fieber..." Es gab immer eine rationale Erklärung, als Journalistin ging sie den Dingen auf den Grund. Es MUSSTE einfach eine Erklärung geben, die sie begreifen konnte. Denn das, was hier geschah, begriff sie absolut nicht. „Lass mich gehen Joana, bitte. Ich verrate auch niemandem etwas. Ich will... nur nach Hause, bitte." Vielleicht hatte die Frau mehr Erbarmen als Espen und dieser eiskalte Mike?

Joana seufzte und schüttelte den Kopf. „Das kann und werde ich nicht tun. Ich werde nicht das Leben meiner Kinder riskieren", sagte sie kalt. „Außerdem bin ich ja nur ein Monster und Monster haben keine Gefühle, oder siehst du dies anders. Ich lasse dich nun alleine. Entscheide dich, ob du eine von uns werden möchtest oder wirklich in einem Graben landen. Allerdings wirst du dann nicht unterkühlt sein, sondern tot."

Das Schluchzen gefror Megan im Hals bei diesen Worten, erstarrt blickte sie Joana an. Wenn sie nun auch noch ging, war sie ganz alleine, das würde sie nicht überstehen. „Ent-entschuldige bitte", schaffte sie es zu sagen und senkte beschämt den Blick. „Ich wollte dich nicht beleidigen, ich hab nur... es ist nicht so leicht, das alles zu begreifen, weißt du?", sagte sie und merkte, wie stark sie zitterte. Ihre Knie gaben einfach nach und sie sank auf den Boden, wo sie sich gegen die Wand lehnte um nicht gänzlich umzukippen. Es war schon erstaunlich, was für eine starke körperliche Auswirkung Gefühle zeigen konnten. Bittend sah sie Joana an. „Bitte... bitte bleib. Alleine werde ich glaube ich verrückt vor Angst."

„Ich weiß, dass es nicht einfach ist, das du Angst hast und glaubst wir wollen dir etwas antun. Ich habe damals ähnlich gedacht, aber dennoch habe ich niemanden beleidigt oder ihn als Monster oder Tier bezeichnet", sagte sie und setzte sich wieder ans Feuer, Meggie den Rücken zu gewandt. „Du magst es vielleicht für eine Lüge halten. Aber das Leben als Werwolf ist wirklich schön. Espen ist ein toller Mann, der dich auf Händen tragen und versuchen wird dich sehr glücklich zu machen, wenn du es nur zulässt."

„Das tut mir leid", sagte sie leise und schaffte es, sich etwas aufzusetzen. Dass sie selbst ununterbrochen abfällig als Menschenfrau bezeichnet wurde, oder Schlimmeres, brachte sie besser nicht zur Sprache. „Ich... habe da wohl keine Wahl, oder?", fragte sie leise. „Ich muss seine Frau werden, obwohl ich ihn gar nicht kenne und er mich hier her verschleppt hat? Ich hatte mir die Umstände eigentlich etwas romantischer vorgestellt, unter denen ich meinen Ehemann kennen lerne."

Joana seufzte leise. „Du hast eine Wahl. Aber beide Varianten sind nicht nach deinem Geschmack. Ich kann dir nur sagen, dass morgen alles anders aussehen wird, eigentlich schon heute Nacht. Wenn du erst eine von uns bist, wirst du ihn als dein Männchen erkennen und annehmen, denn du weißt, dass er der Beste für dich ist", erklärte sie und reichte Meggie das Essen, was unbeachtet auf dem Boden stand. „Du solltest nun wirklich etwas essen und trinken, du brauchst deine Kräfte heute Nacht", sagte sie freundlich und hoffte, dass sie Meggie zumindest etwas helfen konnte, auch wenn sie es bezweifelte. Morgen würde für die junge Frau ein neues Leben beginnen und dann wollte sie gar nicht mehr von hier fort. Das wusste sie aus eigener Erfahrung.

Eher mechanisch nahm Meggie das Essen an und kaute es, ohne überhaupt zu schmecken, was es war. „Was genau... wird passieren?", fragte sie und sah Joana zögernd an. Mittlerweile war sie sich gar nicht mehr so sicher, dass dies wirklich nur eine Gruppe von Verrückten war. Sie beschloss, dieses Spiel besser eine Weile mitzuspielen, aber fragte sich dennoch besorgt was war, wenn diese Schilderungen Realtität waren. Dann hatte sie ein ernsthaftes Problem. „Wird... wird Espen mich... uhm, beißen?" Die Vorstellung war der Horror und Megan wusste, es würde die schlimmste Nacht ihres Lebens werden.

Joana schüttelte den Kopf. „Nein, Espen wird dich nicht beißen", sagte sie und lächelte, als sie die kurze Erleichterung auf Meggies Gesicht sah. „Eine Frau wird immer von einer Frau gebissen. Du übernimmst einige körperliche Merkmale deines Beißers und keiner möchte eine Frau haben, die ein zu breites Kreuz hat."

Meggie nickte, immerhin, dachte sie. Vielleicht wurde sie ja sogar von Joana gebissen? Das würde es vielleicht ein klein wenig erträglicher machen. „Hat dein Mann dich damals auch so... äh, eingefangen?", fragte sie etwas schüchtern, war die Frage zu privat? „Espen sagt immer, dass ich seine perfekte Frau sei und wenn ich erst wie ihr sei, dann würde ich ihn ebenso wollen... was, wenn es nicht so ist? Wenn wir uns hassen? Ich weiß gerade einmal seinen Namen, wie kann ich ihn da heiraten?" Das war wohl das Verwirrendste an der ganzen Angelegenheit, fand Meggie.

Joana lachte. „Nein, bei mir und Mike war es anders. Dich hat Espen erst einige Zeit beobachtet, ehe er dich ansprach. Mike hat sich vor mich gestellt und gesagt, du wirst mich in einer Woche heiraten und jetzt kommst du mit. Als ich ihm einen Vogel zeigte und weiter gehen wollte, hat er mich geschnappt und unter den Arm geklemmt. Ich war eine Woche in der Höhle eingesperrt, ehe Vollmond war. Bei dir sind es nur einige Stunden", sagte sie lächelnd, wenn sie an damals dachte. „Und du wirst ihn nicht hassen, genauso wie er dich nicht hasst. Was das kennen betrifft, so frage ihn einfach, sag ihm, dass du ihn kennen lernen willst. Bisher hast du dich nur gewehrt, da hatte er keine Lust sich mit dir zu unterhalten. Espen ist nicht der Geduldigste und du hast ihn wohl einfach genervt", lachte sie und nickte zufrieden, als sie sah, dass Meggie alles aufgegessen hatte.

„Was erwartet er denn?!", platzte es aus Meggie heraus. „Dass ich ohne Fragen zu stellen einfach folgsam mitkomme?" Sie schüttelte den Kopf und biss sich leicht auf die Lippen. „Und trotzdem bist du bei ihm geblieben, wow. Wie... lebt ihr hier eigentlich? Also es gibt dieses Feuer und es gibt den Schlafsaal, das weiß ich ja nun. Und Mike ist der Chef. Was muss ich denn als Werwolfsfrau so tun? Außer offenbar Kinder bekommen?"

Joana lachte. „Ich weiß es, aber die Männchen glauben, dass sie nur daher kommen müssen und wir ihnen verfallen. Sprich gleich vielleicht ruhig mit ihm, sag ihm, dass du ihn kennen lernen möchtest, sag ihm wer du bist, was für Wünsche und Ziele du hast", sagte sie lächelnd und reichte Meggie noch die Wasserflasche. „Was wir machen? Hmm, wir führen eigentlich ein normales Leben, vom Wohnort vielleicht abgesehen. Die meiste Nahrung holen wir uns aus dem Wald bei der Jagd. Manche von uns gehen ganz normal weiter ihren Jobs nach. Sie sorgen so für die Dinge, die wir brauchen und die nicht in der Natur vorkommen. Ja, wir Frauen gebären Kinder, meist auch mehr als eines. Aber du kümmerst dich nie alleine um dein Kind, oder musst es zumindest nicht. Erziehung und Aufzucht ist gemeinsame Arbeit. Solange die Kinder noch sehr klein sind, kümmern sich die Männchen nur selten um die Kleinen, vielleicht einmal von Aufsicht abgesehen. Wobei Mike und Espen weniger Zeit dafür haben. Mike ist der Rudelführer und Espen seine rechte Hand. Sprich du bist nach mir die wichtigste Frau hier oder wirst es sein, wenn ihr verheiratet seid", sagte sie und überlegte, was sie noch erzählen konnte. „Es gibt hinten noch drei Höhlen, in Zweien warst du schon, die dritte bewohnen die Männer und schlafen dort. Zweisamkeit wird hier anders verbracht, aber das zeigt Espen dir, da hat nämlicher jeder seinen eigenen Platz", lächelte sie glücklich und beschloss nachher auf jeden Fall mit Mike den ihren aufzusuchen. „Ich hoffe, ich habe keine deiner Fragen vergessen?"

Meggie entspannte sich merklich, je mehr Joana erzählte. Endlich erfuhr sie etwas mehr über die Menschen, die hier lebten, auch wenn es weiterhin nur Bruchstücke waren. Aber lieber nahm sie Bruchstücke auf, als dass sie gar nichts erfuhr und bloß wie eine Geisel behandelt wurde. Nun griff sie endlich zur Wasserflasche und bemerkte erst jetzt, was für einen Durst sie hatte, sie hatte schließlich seit gestern Abend nichts mehr getrunken. Was Joana erzählte, klang nach einer gut organisierten Gemeinschaft mit Regeln und klar verteilten Aufgaben. Nicht das Schlechteste, wie Meggie fand, dennoch bleib sie sehr skeptisch. „Als du hier die Woche als Mensch gefangen warst", begann sie vorsichtig und sah Joana zögernd an, „wie wurdest du da behandelt? Sehr grob?" Ihr Arm, an welchem Mike sie ergriffen hatte, würde einen hübschen Bluterguss zieren. „Und als du dann gebissen wurdest, hast du nicht versucht, weg zu laufen? Behandeln sie ihre Frauen sehr schlecht?" Sie wusste nicht ob es klug war solche Fragen zu stellen, aber sie wollte nicht als Sexsklavin eines gewaltbereiten Werwolfes enden.

Joana musste nicht wirklich überlegen um die Fragen zu beantworten. „Ja und nein. Wenn ich mal versucht habe zu fliehen, dann waren sie nicht wirklich nett zu mir. Aber mittlerweile verstehe ich es. Solange ich mich an ihre Regeln gehalten habe und hier geblieben bin, war alles in Ordnung. Und nein, ihre Frauen behandeln sie sehr gut. Wie schon gesagt, Frauen sind hier selten und die Frau fürs Leben zu finden ist nicht einfach. Nicht jede Frau passt zu einen Werwolf. Was letztendlich der Auslöser ist, dass die Frau perfekt ist, ist nicht erforscht, nur dass die Männchen sie am Geruch erkennen. Viele Werwölfe finden nie ihr Gegenstück und ab einem gewissen Alter werden sie sonderlich, wenn sie ihre Partnerin nicht finden", erklärte sie ruhig. Es war nicht immer so, dass sie in der Nähe des jeweils anderen lebten. Werwölfe verließen nur selten ihr Revier, was es schwer machte einander überhaupt zu treffen.

Nachdenklich nickte Meggie. Sie würde sich also fügen müssen wie in einem Gefängnis und war wie ein Eigentum ihres Mannes und des Rudels. Keine Vorstellung, die ihr behagte. „Danke, dass du mir das alles beantwortest", sagte sie dennoch ehrlich und versuchte sich an einem Lächeln. „Gestern noch habe ich einen Kratersee erkundet und war auf den Weg zu einem Naturdenkmal, welches ich für einen Artikel besuchen wollte. Und nun sitze ich hier und weiß gar nicht, was mit mir passiert. Obwohl, dank dir schon ein bisschen mehr." Dankbar sah sie Joana an. „Darf ich dir eine persönliche Frage stellen? Dann höre ich auch auf, dir Löcher in den Bauch zu fragen", meinte sie und senkte kurz den Blick. „Liebst du Mike? Ich meine... bist du wirklich aus freiem Willen bei ihm? Ich kann mir einfach nicht vorstellen, einen Menschen zu lieben und bei ihm zu bleiben, der mich ohne zu fragen als sein Eigentum annektiert. Möchtest du nicht... einfach frei sein?" Dass sie wahnsinnige Angst vor Espen und Mike hatte, sagte sie besser nicht laut. Sie würde eine Möglichkeit finden zu fliehen, da war sie sich sicher.

Joana lächelte. „Ich bin nicht sein Eigentum", sagte sie ernst. „Wenn du mit einem Mann zusammen lebst und ihn liebst und das tue ich und ich weiß auch, dass Mike mich liebt, bist du dann sein Eigentum oder seine Gefangene? Du musst dich nur an die Regeln halten solange du noch keine von uns bist. Danach darfst du durch den Wald streifen und auch in die nahe gelegene Stadt gehen. Anfangs wird dich allerdings jemand begleiten, da deine Sinne sich ändern und das Ganze wird für dich eine ziemliche Umgewöhnung sein. Als ich das erste Mal in die Stadt wollte, bin ich bis zum Rande der Stadt gekommen, habe dann umgedreht und war in der doppelten Geschwindigkeit wieder hier. Ich habe es nur Mike zu verdanken, dass ich damit nun keine Probleme mehr habe. Du wirst dich schnell eingewöhnen", erklärte sie lächelnd. „Warte die Nacht ab, morgen sieht die Welt ganz anders aus."

Meggie seufzte leise. „Entschuldige, ich kann es mir einfach so schwer vorstellen, dass sich das, was ich jetzt fühle, nach nur einer Nacht ändern wird, dass es mir wirklich gefallen wird", erklärte sie leise und blickte dabei auf ihre Hände. Wie sollte sie diesen Mann mögen, geschweige denn, lieben können? Bei den Gedanken, mit ihm zu schlafen, vermutlich unter Zwang, drehte sich ihr beinahe der Magen um. „Darf ich ein bisschen raus gehen? Ich brauche ein bisschen frische Luft um irgendwie halbwegs klar denken zu können." Diese triste Höhle schien sie auf einmal einzuengen und ihr die Atemluft zu nehmen, sie brauchte frische Luft und Tageslicht.

Joana überlegte einen Moment und nickte dann. „John!", rief sie den Mann am Eingang zu sich. „Bitte begleite Meggie ein wenig nach draußen, gib ihr aber etwas Freiraum, achte nur darauf, dass sie sich nicht zu weit entfernt", wies sie ihn an.

„Natürlich, Joana", sagte der Mann und trat aus der Höhle, wo er auf den Menschen warten würde.
Die Wirklichkeit ist nur etwas für Menschen, die mit Büchern nichts anfangen können.
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Re: Ruf der Wölfe

Beitrag von Tjeika »

Boah, das ist heftig. Also so richtig heftig. Mit Romantik hat das alles nichts zu tun. (Was mich aber auch beruhigt, davon gibt es in dem Genre ja mittlerweile wirklich genug ;) )
Ich hoffe wirklich ganz aufrichtig, dass unser Naivchen sich da am Ende rauskämpfen kann. Alles andere wäre irgendwie... sehr gruselig :skeptisch:
"Hören Sie, Sir, folgendes... Es geht um meinen Teppich, der das Zimmer erst richtig gemütlich gemacht hat..."

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Re: Ruf der Wölfe

Beitrag von Cassiopeia »

@Ria: Tja, mal eine nicht ganz so zuckersüße Variante :D Aber es wird noch milder, keine Sorge, die Richtung der beiden dürfte ja klar sein, nur der Weg ist etwas... schwierig^^

3. Wolfsgeflüster

Mike hatte die Vorräte durchgesehen und eine Liste der Dinge erstellt, die sie ersetzen mussten. Als er in den Hauptraum zurück kehren wollte, sah er Joana und die Menschenfrau zusammen sitzen und beschloss, sich eher im Hintergrund zu halten. Stattdessen betrat er den Männerschlafsaal, wo er Espen in seiner Wolfsgestalt an dessen Schlafplatz vorfand. Was für ein seltsamer Zufall, dass ihm sein Weibchen direkt vor der Höhle geradewegs in die Arme gelaufen war. So viel Glück musste Wolf erst einmal haben. Er setzte sich ihm gegenüber und sah ihn eine Weile einfach nur an.

„Ich weiß nicht recht, ob ich dich beglückwünschen oder bedauern soll", sagte er schließlich mit einem leichten Grinsen, was aber schnell wieder verschwand. Er war einfach kein Mann, der viel lächelte. „Ich habe wirklich für dich gehofft, du findest sie. Sie ist sehr... uhm wankend, mal zielstrebig und stark und dann wieder schwach und jämmerlich, scheint mir. Dir ist klar, dass das nicht einfach wird heute Nacht?" Er sah Espen ernst an, so ein Biss und eine Verwandlung war durchaus eine gefährliche Sache.

Espen sah Mike nicht wirklich an, als dieser sich zu ihm setzte. Er würde schon reden, wenn er etwas anderes wollte als ihn bloß mit seiner Anwesenheit zu nerven. Als dieser zu reden begann, seufzte Espen innerlich und verwandelte sich zurück um mit Mike sprechen zu können. „Natürlich weiß ich das. Es ist nie einfach. Das Risiko, dass sie nicht überlebt liegt bei fünfzig Prozent. Aber sie muss es schaffen, ich habe nicht mehr viel Zeit", sagte er und sah nun doch zu seinem Anführer und Freund. „Sie muss es schaffen, Mike. Wer wird sie beißen?" Das war immer die Entscheidung des Rudelführers und er hatte da nur ein kleines Mitspracherecht, da er dessen Stellvertreter war.

„Ich rede nicht nur von der Überlebenswahrscheinlichkeit", sagte Mike weiterhin ernst. „Auch und erst Recht danach. So etwas wie mit Bane will ich kein zweites Mal erleben müssen." Es war nun zwei Jahre her, dass Bane sein Weibchen gefunden hatte. Doch Inna hatte sich nie damit abfinden können was passiert war und sich weiterhin gegen dieses Leben gewehrt, bis sie sich zu Tode gehungert hatte. Bane war daran zerbrochen und hatte sich wenige Wochen später in den Canyon gestürzt. Seither schärfte Mike jedem, der sein Weibchen traf, dies ein.
„Ich denke, Joana wird es tun. Sie unterhält sich gerade mit ihr am Feuer und Megan scheint etwas Vertrauen zu Jo zu fassen. Ich werde nachher mit ihr darüber sprechen, aber ich denke nicht, dass sie ablehnt. Was mich zu der Frage bringt, was du hier machst?"

Espen seufzte. Bane und Inna hatte er sicherlich nicht vergessen, aber so etwas kam sehr selten vor und was sollte er dagegen tun? Sie umbringen oder umbringen lassen? Auch dies würde ihn in den Wahnsinn treiben. Das war das Schicksal der Werwölfe. Wenn sie ein Weibchen gefunden und es angenommen hatten, dann gab es kein Zweites für sie. Und er hatte Meggie angenommen. Es hatte ihm imponiert, wie sie trotz ihrer Panik weiter gelaufen war, wie sie versucht hatte ihr Auto zu finden und nicht aufgegeben hatte. „Jo ist eine gute Wahl, ich hoffe Meg bekommt so ein weißes Fell wie deine Frau", lächelte er leicht, ehe er wieder ernst wurde und leise schnaubte. „Das selbe wie du damals, als du Joana angeschleppt hast und sie dich verfluchte und am liebsten umbringen wollte. Ich verstecke mich vor ihr. Ich will nicht aus versehen etwas sagen, was mir hinterher leid tut und sie weiter von mir forttreibt. Wie du schon sagtest, es wird auch so nicht einfach. Sie ist ziemlich störrisch und hat einen unbändigen Willen. Aber das mag ich an ihr“, sagte er und sah zur Decke der Höhle, die er aber nicht erkennen konnte, da sie weit im Dunkeln lag.
„Sie muss es schaffen, Mike.“ Etwas anderes kam nicht in Frage, denn er wusste, ansonsten würde er wie Bane enden.

Spätestens nun wurde klar, dass Espen bereits verloren war an diese fremde Menschenfrau. Hatte er diese einmal angenommen, baute sich die emotionale Verbindung bereits auf. Eine Verbindung, die mit ihrer Vereinigung um einiges enger werden würde, wenn Megan die Gefühle erwiderte. Ungern erinnerte Mike sich an die Woche bis zum Vollmond, in der Joana ihn gehasst und abgelehnt hatte, während seine Sehnsucht nach ihr mit jedem Tag größer geworden war.
„Sie ist dein Weibchen und die heutige Nacht wird sehr entscheidend sein, auch wenn ich mir sicher bin, dass sie es schafft. Aber Joana und ich hatten eine Woche, in der wir uns langsam kennen lernen konnten, jeden Tag ein Stückchen mehr. Ihr habt nur wenige Stunden und wenn du ihr Vertrauen erlangen willst, kann ich dir nur raten, mit ihr zu reden. In aller Ruhe, sie wird viele Fragen haben. Beantworte sie. Ich weiß, dass dir das nicht leicht fällt, aber da musst du dich zusammen reißen, wenn du sie für dich gewinnen willst. Sonst stehst du ihr als vollkommen Fremder gegenüber und wie ich sie einschätze, wird ihr das noch weniger gefallen."

Espen seufzte und sah Mike missmutig an. Er hasste es, wenn dieser Mal nicht nur der eisenharte Anführer, sondern mehr war. Ein besorgter, einfühlsamer Mann, der sich um sein Rudel, seine Freunde, seine Familie sorgte.
„Du hast ja Recht. Aber ich wollte erst, dass sie sich beruhigt. Sie war so wütend und biestig, als ich sie zurückbrachte und es hat sicherlich nicht geholfen, dass du sie grob angefasst hast. Weißt du ob die beiden Frauen noch reden? Ich will dabei nicht unbedingt stören.“

„Ich bin nicht da um ihr die Regeln beizubringen, das ist dein Job", sagte Mike sogleich. „Davon ist noch keiner gestorben, der Anfang hier ist immer hart. Hätte ich sie laufen lassen sollen? Also." Er lauschte kurz und stand dann auf, verließ den Raum, ging wenige Schritte, bis er sicher war, dass nur noch eine Person am Feuer saß und das war seine Frau. Dann kehrte er zu Espen zurück und schüttelte den Kopf. „Niemand mehr da, also nur Jo, nicht deine Zukünftige. Schätze, sie sieht sich etwas um, du wirst sie wohl suchen müssen", meinte er, klopfte kurz gegen die Wand als Zeichen, ihm viel Glück zu wünschen und verließ den Raum anschließend, um sich die nächste Etappe der Vorräte vorzunehmen, die es durchzusehen galt.

Espen atmete erst einmal tief durch, ehe er aufstand und die Schlafhöhle verließ um in die Haupthöhle zu gehen. „Wo ist sie?", fragte Joana und trat nach ihrer Antwort schließlich nach draußen. Er musste nicht lang suchen. Ihr Geruch stieg ihm sofort in die Nase und er folgte diesem.

Einen Moment beobachtete er sie, ehe er zu John trat und diesen fortschickte. Schließlich ging er zu Meggie. „Darf ich stören?", fragte er leise um sie nicht zu erschrecken und blieb einige Schritte von ihr entfernt stehen.

Meggie stand schon eine ganze Weile so, das Gesicht der Sonne zugewandt, den Blick über die Landschaft schweifend. So wunderschön es hier draußen war, war es zugleich ihr Gefängnis. Sie wollte lieber nicht testen, was passieren würde, versuchte sie fort zu laufen. Würde der Mann sie wirklich töten? Irgendwie zweifelte Megan plötzlich nicht mehr daran. Joana hatte ihr vieles gesagt, was sie nachdenken ließ. Noch immer wusste sie nicht, ob und wie viel sie davon glauben sollte, doch dann sah sie wieder die Frau vor sich, sie sich in eine schöne, weiße Wölfin verwandelt hatte und der Knoten in ihrem Magen wurde eine Spur fester.

Ihr stummer Begleiter hielt sich ein Glück zurück, doch sie wusste genau, dass er da war und sie nicht aus den Augen ließ. Sie hatte kurz versucht fort zu laufen, doch schon beim kleinsten Ansatz hatte er geknurrt und sie zurück gehalten. Da hatte sie keinen zweiten Versuch gewagt. Nun stand sie hier, blickte zu dem Krater, den sie gestern besucht hatte und fragte sich, in welch irreale Welt sie hier hinein gestolpert war. Und mittendrin war dieser Espen, der behauptete, sie sei seine einzig perfekte Frau. Was für ein Unsinn.

Allerdings hatte Joana wirklich gute Argumente hervor gebracht, was in Megan ein einziges Chaos entfachte. Was tat sie hier, was sollte sie hier - und was würde aus ihr werden? Wenn sie diesen fremden Mann heiratete, den sie gar nicht kannte... sie fröstelte, dieses Mal nicht vor Kälte und wäre beinahe zusammen gefahren, als jemand sie ansprach. Als sie sich umsah, erkannte sie Espen, der etwas entfernt stehen geblieben war. Dass der sich überhaupt her traute...

Gib ihm zumindest eine kleine Chance, sagte ein Stimme in ihr, die sie nicht ganz zuordnen konnte und so drehte sie sich schließlich doch in seine Richtung um ihn anzusehen. Er trug dasselbe Shirt wie am Vortag, in seiner roten Farbe schien es das einzige Bunte der ganzen Umgebung zu sein.

„Weshalb frierst du nicht?", fragte sie leise und sah ihn mit einer Mischung aus Skepsis und Neugier an. „Ich zittere schon in meinem Mantel und du stehst da im T-Shirt. Das wirkt etwas... uhm, seltsam. Ist dir wirklich nicht kalt?" Sie merkte selbst, dass sie nun sehr viel ruhiger war und hoffte, er war nicht wieder so abweisend und grob zu ihr. Joana hatte ihr geraten, mit ihm zu reden um ihn kennen zu lernen und sie hoffte, er konnte dies zulassen.

Espen trat langsam und vorsichtig näher zu Meggie, als diese so ruhig mit ihm sprach. Er nahm dies als gutes Zeichen, dass Joana scheinbar etwas in ihr bewirkt hatte.
„Hier, fasse meinen Arm an, dann wirst du sehen, er ist ganz warm. Werwölfe haben ein anderes Kälteempfinden als normale Menschen. Wir frieren nicht wirklich. Es gibt zwar auch dort Ausnahmen, aber diese kommen meist aus Ländern wo es keinerlei Winter gibt und nicht unbedingt aus Kanada oder den USA", erklärte er ruhig und schaffte es sogar leicht zu lächeln, etwas was ihm Megan gegenüber erstaunlich leicht zu fallen schien.

Megans Augen weiteten sich leicht bei dem Vorschlag, seinen Arm zu berühren. Vorsichtig streckte sie aber doch die Hand aus, hielt dann aber doch inne. Was tat sie hier eigentlich? Unschlüssig sah sie ihn an und wusste nicht recht, ob sie die Bewegung auch zu Ende führen wollte. Er war ihr Entführer, der Mann, der sie zwingen wollte ihn zu heiraten, der sie vergewaltigen wollte, ein direkter Hautkontakt würde es nur schwerer machen bei ihrem Standpunkt zu bleiben. Unsicher sah sie wieder zu ihm, schaute ihm direkt in die Augen und sah dort nichts mehr von der Härte, die sie sonst bemerkt hätte, nichts mehr von der Ablehnung. In seinen Augen stand nun etwas anderes geschrieben, etwas was ihre Neugier weckte. Schließlich berührte sie ihn zögernd am Unterarm, flüchtig erst nur, als könne sie sich verbrennen. Leicht strich sie mit dem Daumen über seine Haut, die sich erstaunlich warm anfühlte. Sie war dadurch, dass er vermutlich immer so herum lief, sehr viel gebräunter als ihre eigene Haut, die sich im Winter unter der langen Kleidung verbarg. Sie fühlte seine Muskeln unter ihren Fingern, wie sie sich unter ihrer Berührung ganz leicht anspannten. Aus irgendeinem Grund ließ sie das lächeln, daher zog sie ihre Hand schnell wieder zurück.
„Verstehe", sagte sie leise und fragte sich, was sie da gerade eigentlich getan hatte. „Gehen wir ein paar Schritte? Ich stehe schon eine ganze Weile hier, mir wird langsam kalt", meinte sie und sah ihn fragend an. „Joana hat mir einiges erklärt und sie meinte, ich... naja, ich sollte einfach mit dir reden und dir meine Fragen stellen. Wenn... das in Ordnung ist?" Ihr Blick wurde unsicher, aber sie brauchte einfach Antworten und zwar von ihm direkt.

Espen lächelte bei Megans Frage. „Mit Freuden. Ich würde dir gerne etwas zeigen, wenn du erlaubst. Wenn du nicht mehr kannst, sage Bescheid, denn die Ausdauer ist bei mir auch eine andere als bei dir", meinte er und schlug die Richtung zu einem seiner Lieblingsorte ein.
„Und frage ruhig, deshalb bin ich her gekommen, um mit dir in Ruhe zu reden, zumindest war dies meine Hoffnung, dass wir reden können und uns auch etwas besser kennen lernen", sagte er und drückte einen Ast zur Seite, damit Meggie sich daran nicht weh tat.

Meggie war etwas erstaunt über diesen ruhigen Espen, der sie nicht einfach über die Schulter warf, sondern offenbar tatsächlich mit ihr reden wollte. Damit hatte sie wirklich nicht gerechnet und so folgte sie ihm, als er sie einlud, ihr etwas zu zeigen. „Okay, ich, äh, habe sehr viele Fragen, daher fange ich einfach mal an mit dem, was mir in den Kopf kommt", sagte sie zögernd und überlegte kurz. „Du hast gesagt, ich sei deine perfekte Frau. Du hättest mich am Duft erkannt, Joana sagte ebenfalls etwas Ähnliches, dass die Paare quasi für einander bestimmt seien. Bin wirklich ich die einzige Frau, die du haben kannst?" Interessiert sah sie ihn an, während sie zugleich darauf achtete, wohin sie trat.

Espen überlegte einen Moment, wie er diese Frage am besten beantwortete. „Ja und nein. Es gibt weltweit für jeden Werwolf nur eine bestimmte Anzahl an Frauen, wie viele es sind, weiß niemand", fing er an. „Die Wahrscheinlichkeit eine passende Partnerin zu finden ist jedenfalls um ein vielfaches kleiner als keine zu finden. Ab einem gewissen Alter wird ein Werwolf, der seine Partnerin nicht findet, verrückt. Wenn du jetzt denkst, dann soll er sich eben eine andere suchen, dann kann ich dir nur sagen, das kann ich nicht mehr. Ich habe dich gefunden und akzeptiert oder angenommen, oder wie auch immer man dies ausdrücken möchte. Ich bin eher für angenommen. Was bedeutet, dass es nur noch diese Frau für mich gibt. Dich."
Er sah lächelnd zu ihr, konnte nicht anders, sie war einfach eine Augenweide, die angesehen werden musste. „Beantwortet dies deine Frage?"

„Oh", machte Meggie und blickte beinahe ertappt auf ihre Hände, denn genau das war ihr Gedanke gewesen, wissen zu wollen, warum ausgerechnet sie auserwählt worden war. „Wenn wir heiraten, dann meinst du vermutlich keine standesamtliche Hochzeit - oder?", fragte sie unsicher nach und holte anschließend tief Luft, sie musste diese Frage einfach stellen. „U-und wirst du mich mit anderen Männern teilen? Wo es doch so wenig Frauen gibt?", fragte sie nun wieder leicht ängstlich, das war ihr schlimmster Gedanke, herum gereicht zu werden wie in einem Bordell.

Espen knurrte leise, bei Megans Frage. „Wie kommst du auf solch einen Gedanken? Sollte es einer wagen sich dir unsittlich zu nähern wird er nicht mehr lange leben", sagte er und sah Megan entschuldigend an. „Ich wollte dich nicht erschrecken, aber ich bin sehr eifersüchtig und alleine der Gedanke, dass dich ein anderer anfassen könnte, lässt mich wahnsinnig werden", sagte er und blieb stehen um Megan fast schon zärtlich anzusehen. „Und jein, es wird keine direkte Standesamtliche Hochzeit. Aber einer aus unserem Rudel ist Standesbeamter und somit wird die Trauung auch rechtsgültig sein, auch wenn sie hier in der freien Natur stattfindet."

„Oh", entfuhr es Meggie ein zweites Mal. Sie würde also tatsächlich fest an Espen gebunden werden und nicht bloß eine Art Rudelzeremonie abhalten. „Wann wird das sein? Gleich morgen? Oder haben wir noch etwas Zeit uns kennen zu lernen?", fragte sie leicht nervös, ihr waren Espens Blicke keineswegs entgangen und sie waren ihr etwas unangenehm, sie wollte nicht so verliebt angesehen werden. „Entschuldige wegen der Frage eben, es war... nur so ein Gedanke, da ist es gut zu wissen, dass dem nicht so sein wird." Dennoch würde sie mit einem völlig Fremden schlafen müssen, besonders angenehm war der Gedanke weiterhin nicht.
„Weißt du, wer mich beißen wird, dass ich zu einer von euch werde?", schob sie schließlich noch hinterher, ehe sie Espen wieder ansah, sie hatte noch immer wahnsinnige Angst davor, was in dieser Nacht geschehen würde. Ganz abgesehen davon, dass es vollkommen gegen jedes Realitätsbewusstsein sprach, was sie hatte.

Espen seufzte innerlich bei der Frage, ob sie gleich morgen heiraten würden. „Ich wäre froh, wenn wir es gleich morgen machen würden und du die Entscheidung erst morgen triffst, ob du damit einverstanden bist. Ansonsten können wir auch noch einige Tage warten, wenn es dir lieber ist." Auch wenn es mir unheimlich schwer fallen wird, dachte er. Aber er würde es tun, wenn sie blieb, bei ihm blieb und ihn nicht verließ wie Inna Bane verlassen hatte durch ihr Hungern.
„Was das beißen betrifft, so hat Mike bestimmt, das dies Joana machen wird, wenn sie damit einverstanden ist. Du wirst dann nämlich ihr Welpe werden, sprich sie wird dir neben mir helfen mit deiner neuen Gestalt, deinen neuen Wahrnehmungen und neuen Sinnen klar zu kommen. Aber hauptsächlich werde ich dir helfen, zumindest nach der Hochzeit, denn vorher werde ich dazu nicht in der Lage sein", sagte er und konnte einen leicht bitteren Unterton nicht unterdrücken.
„Und da du wahrscheinlich wissen willst warum ich dazu nicht vorher in der Lage sein werde ist einfach. Nach deinem Biss werden meine Instinkte noch mehr durchdrehen als jetzt schon und ich werde mich dann nicht zurückhalten können und ich will dir nicht weh tun."

„Oh", machte Meggie zum dritten Mal und kam sich dabei etwas dämlich vor, weshalb sie sich sogleich leise räusperte. „Das heißt, wir müssen Sex haben", stellte sie recht nüchtern fest, auch wenn ihr dabei ganz unwohl wurde. Sie konnte doch nicht einfach so mit einem fremden Mann schlafen... aber er wäre dann IHR Mann, soviel war deutlich geworden und zudem hatte Espen klar gemacht, dass er ihr keine Gewalt antun würde, noch sie mit jemand anderem teilen würde. Das war schon einmal sehr beruhigend, fand Meggie. Sie konnte nicht einmal sagen, warum sie ihm tatsächlich glaubte. „Erzählst du mir etwas von dir und dem Rudel?", fragte sie vorsichtig. „Warst du schon immer hier, wie ist das Leben im Rudel mit den anderen? Was machst du, wenn du nicht gerade jagen bist? Ich würde gern mehr über den Mann erfahren, den ich so bald heiraten werde." Sie sah Espen an und versuchte auszumachen, wie alt er war. Sie schätzte ihn auf etwa ihr Alter, plus minus vielleicht zwei Jahre. War das Zufall? Oder gehörte auch das in das Schema des für einander bestimmten Paares? Seine Haut war leicht gebräunt, Haare und Bart eher dunkler und seine Augen wirkten unergründlich, wie sie nach einem kurzen Blick fest stellte. Er sah sehr trainiert aus, doch seine jetzige Art zeigte ihr, dass er nicht nur grob, sondern durchaus rücksichtsvoll sein konnte. Vielleicht hatte sie ja doch Glück im Unglück, dachte sie und für einen kleinen Moment war der Gedanke an eine Flucht in den Hintergrund gerückt.

Espen lächelte. „Natürlich werden wir Sex haben. Wir werden verheiratet sein, da gehört dies selbstverständlich dazu", sagte er und drückte erneut einen Ast zur Seite, damit Megan sich nicht daran stieß.
„Hm, was kann ich dir von mir erzählen. Ich komme ursprünglich aus einem Rudel weiter im Norden, Alaska um genau zu sein. Ich habe das Rudel verlassen, weil ich mich mit dem Rudelführer nicht verstanden habe und ich damals noch keine Chance hatte ihn zu besiegen. Heute wäre es vielleicht anders, aber hier fühle ich mich wohl, also bleibe ich. Ich bin 31 Jahre alt und ein geborener Werwolf. Sprich, auch meine Eltern waren schon welche. Was ich tue wenn ich nicht Jage? Das Rudel mit Mike zusammen organisieren, ich bin seine rechte Hand, sprich ich bin auch für alles verantwortlich. Ich schlichte Streitereien die es immer mal wieder untereinander gibt. Helfe, wenn es Probleme gibt und halte unser Revier sauber und in Ordnung. Sorge dafür, dass nicht zu viel gejagt wird, damit die Bestände der Tiere nie zu dünn werden und wir hungern müssen. Zudem bin ich für die Finanzen des Rudels verantwortlich. Joana hat dir vielleicht schon gesagt, dass es Werwölfe gibt, die einen ganz normalen Beruf ausüben. Einen bestimmten Teil dürfen sie behalten. Der größte Teil ihres Gehaltes geht an das Rudel, wofür wir alles Nötige besorgen, wie Kleidung, Vorräte und so weiter, je nach Jahreszeit und Bedarf. Ich verteile das Taschengeld was die Wölfe bekommen, die eine Aufgabe innerhalb des Rudels haben und somit keinem normalen Job nachgehen können", erzählte er und blieb einen Moment stehen. „Wenn du mehr wissen möchtest, musst du genauere Fragen stellen, es ist schwer so frei von sich zu reden", gestand er und sah sie mit einem leichten Lächeln an. „Ist dir eigentlich noch kalt?", fragte er sie schließlich.

Meggie hörte Espen aufmerksam zu und was sie hörte, erstaunte sie immer mehr, im positiven Sinne. Es klang immer weniger nach einer Gruppe von gewaltbereiten Entführern, sondern nach einer wirklichen Gemeinschaft, die auf einander achtete und zusammen hielt. „Alaska also... da ich aus den Südstaaten komme, waren die Chancen wohl wirklich sehr gering, dass wir uns treffen", sagte sie so neutral wie möglich, sie wollte nicht erneut zur Sprache bringen, dass er sie entführt hatte und gegen ihren Willen fest hielt. Das würde ihn vermutlich nur wieder wütend machen. „Ich habe bisher zwei Frauen bei euch gesehen, Joana und... ich glaube, sie heißt Susan. Sind sie die einzigen Frauen?", fragte sie und hoffte, es war nicht so. „Und nein, kalt ist mir eigentlich nicht mehr", stellte sie beinahe erstaunt fest, die Bewegung hatte wirklich gut getan und das offene Gespräch hatte wohl ebenfalls seinen Anteil daran, dass sie die Kälte völlig ausgeblendet hatte.

„Hmm, schade, dass dir nicht mehr kalt ist, dann hättest du dich hier jetzt aufwärmen können", sagte Espen und drückte einen immer grünen Strauch auseinander, damit Meggie hindurch gehen konnte. Dahinter lag ein kleiner versteckter See. Warmer Wasserdampf stieg über diesem auf und machte die Luft sehr feucht, aber auch warm. Er liebte diesen Ort und war öfter hier.
Als Meggie fragte, ob Susan und Joana die einzigen Frauen waren lachte er und schüttelte den Kopf. „Nein, wir sind dreizehn Männer, wobei einer von ihnen gerade erst das Mannesalter erreicht hat und zwei von ihnen schon über sechzig, beziehungsweise siebzig sind. Zudem sind es insgesamt sieben Frauen im Rudel, eine davon, Susan ist eine der wenigen geborenen Werwölfinnen und eine ist die Frau von Sam, dem Rudelältesten. Dazu haben wir noch neun Kinder in unserem Rudel von etwas über einem Jahr bis hin zum siebzehnten Lebensjahr", zählte er auf. „Du hast die Frauen bisher nur nie gesehen, da sie sich meist im Hintergrund halten, wenn jemand Neues dazu kommt. Aber spätestens heute Nacht wirst du alle kennen lernen", erklärte Espen ihr.

Megan hörte kaum die Zahlen, die Espen ihr erklärte, sie war ganz eingenommen von dem Ort, an den er sie geführt hatte. Eine heiße Quelle war es offenbar, sie musste zugeben, dass sie das nicht erwartet hatte. „Es ist wunderschön hier", sagte sie leise und kniete sich hin um ihre doch recht kalte Hand in das warme Wasser zu halten. Das tat ungemein gut, einen kleinen Augenblick schloss sie sogar die Augen. Als sie wieder aufstand sah sie, dass Espen sie ansah und blickte schnell wieder auf die dampfende Wasseroberfläche. Sie wollte jetzt nichts einleiten, was sie bereuen würde.
„Ich habe Angst", gestand sie schließlich, wobei sie ihn noch immer nicht anblickte. „Werwölfe sind nun keine Wesen, denen ich alltäglich begegne. Ich hatte bisher ehrlich gesagt angenommen, dass es sie gar nicht gäbe. Wie kann das hier so real sein? Wie könnt ihr so real sein, und doch versteckt vor der Welt?" Hilflos sah sie Espen an, sie wollte sich nicht verstecken, wollte kein verstecktes Leben führen. Sie wollte doch nur frei sein.

Espen seufzte und setzte sich auf einen Baumstumpf, während er Meggie nachdenklich ansah. „Ich kann verstehen, dass du Angst hast. Aber ich kann es nicht ändern. Es tut mir leid. Ich kann nur hoffen, dass du mich nicht hasst, dass du mir und diesem Leben eine Chance gibst und mich dich glücklich machen lässt", sagte er ruhig und hoffte, dass es gut ging. „Und ich habe auch Angst. Davor, dass du mich und dieses Leben ablehnst und den Tod wählst", fügte er leise hinzu. Er war kein Mann der zeigte, wenn er doch einmal Angst hatte, wenn ihn etwas verunsicherte oder Unbehagen bereitete. Aber er wollte Megan gegenüber ehrlich sein, vielleicht half ihr dies ja sich für ihn und für dieses Leben zu entscheiden.

Du hast mir ja nicht gerade eine Wahl gelassen, dachte sie, hütete sich aber, es auszusprechen. Sie glaubte nicht einmal, dass Espen ihr etwas vorspielte, seine Sorge war echt und auch, wenn er sie so rüde verschleppt hatte, schien ihm wirklich etwas daran zu liegen, dass sie bei ihm blieb. „Ich kenne dieses Leben ja gar nicht und dich auch kaum", sagte sie dann leise, es war nur ehrlich, wenn sie dies so aussprach. „Aber wenn meine einzige Alternative der Tod ist, dann will ich leben." Sie war noch nicht bereit zu sterben, noch lange nicht. Und wenn sie dafür in die Wildnis ziehen und einen völlig Fremden heiraten musste und zu einem Wesen aus Fantasybüchern werden musste - das alles war besser als zu sterben, fand sie. Sie war niemand, der aufgab und kapitulierte. Wenn sie nur eine Wahl hatte, würde sie sie annehmen müssen.
Sie merkte selbst, dass ihre Gedanken sich widersprachen und das verwirrte sie. „Joana sagte, nach dieser Nacht würde ich alles anders sehen. Ich hoffe wirklich, dem ist so", sagte sie leise, denn im Moment konnte sie sich dieses Leben nicht im geringsten als angenehm vorstellen.
Die Wirklichkeit ist nur etwas für Menschen, die mit Büchern nichts anfangen können.
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Re: Ruf der Wölfe

Beitrag von Tjeika »

Ehrlich, ich habe selten so sehr gehofft, dass zwei Leute NICHT zueinander finden. Das fänd' ich wirklich grausig ^^ Diese ganze Zwang-Geschichte macht mich echt fertig.
Aber ich befürchte, darauf wird es wohl hinaus laufen :confused: Die Sache mit Inna und Bane sehe ich noch als Option... hm, jetzt bin ich neugierig ^^
"Hören Sie, Sir, folgendes... Es geht um meinen Teppich, der das Zimmer erst richtig gemütlich gemacht hat..."

// The Big Lebowski \\
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