Karas Zimmer

[Therapistin]

Brendan Steward
Ort: Karas Zimmer
Zeit: 20:29 Uhr
Datum: Fr., 03.10.

>>>Haustür

Ein Monat. Seit einem Monat war sie bereits wieder hier in England, hatte sie sich vor Ali versteckt. Und war ihr nicht der Gedanke gekommen, dass er sich gefreut hätte, von ihr zu hören? Ein Wort hätte ihm genügt, wie es ihr ging, was sie machte, wo sie war. Und nun erfuhr er, dass sie schon so lange wieder hier war. Sein Blick wurde finster. Das war nicht fair, wie er fand. Hätte er das gewusst, hätte er ihr längst eine Eule geschickt, sie hätten sie gefunden, doch hatte er doch nicht gewusst, dass sie nicht mehr in Saudi-Arabien war, wo ein Brief per Eule eine mehr als schlechte Idee war.
Er schüttelte unwirsch den Kopf und sah Kara direkt an. Sie wirkte müde, ausgelaugt und das trotz der Zeit, die sie nun bereits nicht mehr dort war. Sein Blick wurde eine Spur weicher. Ja, sie hatte scheinbar eine Menge durchmachen müssen und es schmerzte Brendan, dies zu wissen. Und noch mehr schmerzte es ihn, dass er nichts hatte tun können, nichts um ihr zu helfen, sie zu unterstützen.
Für einen Augenblick schloss Brendan die Augen, sah sie beide zusammen unter Karas Lieblingsbaum liegen, doch als er die Augen wieder öffnete, saß dort eine andere Kara, die er kaum wieder erkannte. "Ich habe dich gesucht", flüsterte er, zu mehr war seine Stimme in diesem Moment nicht fähig. "All die Jahre habe ich dich gesucht." Seine Stimme brach sich, er senkte den Blick, konnte sie nicht mehr ansehen, ohne doch noch die Fassung zu verlieren.

[Tjeika]

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Kara Kharecha
Karas Zimmer
20:30 Uhr, Freitag, 03. Oktober
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"Es tut mir leid", murmelte Kara und schloss wieder für eine Sekunde die Augen.
Doch schnell öffnete sie diese wieder. Suchte Brendans Blick. Es tat so weh, seinen vorwurfsvollen Blick zu ertragen, doch das war besser, als gar keine Reaktion.
"Ich hatte angst", flüsterte sie und seufzte.
"So oft habe ich versucht, dir zu schreiben. Nicht nur im letzten Monat, in den letzten Jahren", flüsterte sie.
Wie konnte sie nur in Worte fassen, was sie dafür getan hätte, ihn wieder zu sehen? Wäre da nicht das Schuldgefühl gewesen, dass sie ihm im Leben aufgehalten hätte.
"Ich hatte Angst, dass... dass da jemand anderes ist. Das... das", kurz räusperte sich Kara.
"Ich hätte das nicht ertragen."

[Therapistin]

Brendan Steward
Ort: Karas Zimmer
Zeit: 20:31 Uhr
Datum: Fr., 03.10.

"Wer sollte da gewesen sein?", fragte Brendan und seine Stimme nahm wieder den kühlen Ausdruck an, ebenso sein Blick. "Kara, ich konnte mein Herz nicht mehr verschenken, denn du hast es mitgenommen." Und nun war es fort, irgendwo eingesperrt, wo niemand von ihnen mehr dran kam, wo niemand es von seinem dicken Eispanzer befreien konnte. "Mein Herz gehörte schon immer dir." Niemals wieder hatte er eine Frau so geliebt, wie Kara, hätte sie niemals so lieben können, war sie doch sein Leben, schon vom ersten Tag an. An sie reichte niemand heran, keine von denen, die er für ein, zwei Nächte gehabt hatte, wie auch, wenn er in Gedanken doch meist bei ihr war, wo auch immer sie gewesen sein mag.
"Und selbst wenn da jemand gewesen wäre", fuhr er fort und seine Stimme wurde ein wenig sanfter, "das hätte nichts daran geändert, dass ich gerne erfahren hätte, wie es dir geht, ob es dir gut geht." Er blickte zu Kara, versuchte ihren Blick einzufangen. "Es wäre einfach schön gewesen, von dir zu hören, ganz egal, wann."

[Tjeika]

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Kara Kharecha
Karas Zimmer
20:32 Uhr, Freitag, 03. Oktober
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Kara seufzte. Wieder schloss sie kurz die Augen, musste durchatmen. Dieses Gespräch hier holte so viele Dinge hervor, die Kara so tief in sich eingeschlossen hatte. Und das kühle Verhalten Brendans ihr gegenüber machte es auch nicht gerade besser. Es verletzte sie. Noch immer befreite sich die ein oder andere Träne aus ihren Wimpern. Und Kara wischte sie schnell weg. Sie wollte nicht weinen. Sie durfte nicht weinen. Er hatte ja recht, sie hatte es sich selbst zuzuschreiben, dass sie nun so litt.
"Ich konnte nicht", murmelte sie leise und es war die Wahrheit.
"Ali hat mich auf Schritt und Tritt verfolgt. Zum Schluss habe ich eine Burka tragen müssen. Konnte nicht einmal mehr das Haus verlassen", flüsterte sie.
Die Erinnerung daran trieben nur noch mehr Tränen in ihre Augen. Und die Erinnerungen an das, was er ihr sonst noch so alles angetan hatte. Kurz flackerte ein Gedanke auf, der Gedanke daran, dass ihr in letzter Zeit morgens so furchtbar übel war. Doch diesen verdrängte sie schnell wieder.
Es tut mir leid", flüsterte sie leise.

[Therapistin]

Brendan Steward
Ort: Karas Zimmer
Zeit: 20:33 Uhr
Datum: Fr., 03.10.

Brendan wusste, wie Frauen in Saudi-Arabien behandelt wurden, war er doch oft genug dort gewesen, hatte es immer wieder mit ansehen müssen. Und Kara hatte zu ihnen gehört. Nein, er wollte sich nicht ausmalen, was ihr alles widerfahren war, was sie alles noch hatte ertragen müssen. Und andererseits wollte er so gerne wissen, was mit ihr geschehen war, all die Jahre, in denen er sie gesucht hatte, in denen er nichts von ihr gehört hatte, sogar in Erwägung gezogen hatte, dass sie womöglich nicht mehr am Leben war.
Er schüttelte den Kopf, schob den Gedanken beiseite, denn sie saß nun hier vor ihm mit Tränen in den Augen. Die Erinnerungen schienen sie zu schmerzen, mehr noch offenbar als ihn selbst. Und er wusste nicht, was er tun sollte, saß nur einfach weiter da und starrte sie an, die Züge noch immer hart, wenn sie auch ein wenig weicher geworden waren.
Und dann kam ihm ein Gedanke, ein Gedanke, der wie ein Dolch in sein Herz zu stechen schien, der sogar das Eis durchbrach. Er beugte sich leicht vornüber und nahm ihre Handgelenke in seine Hände, hielt sie fester als womöglich notwendig. "Hat er dir weh getan?", fragte er mit ruhiger Stimme. Das könnte er nicht ertragen und doch war er sich sicher, dass es so war. "Hat er dir etwas angetan?" Sein Griff um ihre Handgelenke festigte sich einen Augenblick, bis ihm dies klar wurde und er sie fast erschreckt los ließ. "Verzeih, ich wollte nicht..." Er wich zurück, die Mauer in ihm bröckelte weiter.

[Tjeika]

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Kara Kharecha
Karas Zimmer
20:34 Uhr, Freitag, 03. Oktober
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Kara blickte zu Brendan, suchte seinen Blick. Sie konnte diese Frage nicht mit Worten beantworten. Solange hatte sie das verdrängt, was Ali mit ihr getan hatte. Sie hatte nicht dran denken wollen, hatte es weit von sich geschoben. Nun so direkt damit konfrontiert zu werden war einfach fürchterlich. Es brachte das Gebäude in ihr drin zum Einsturz, welches sie sich jahrelang mit Mühe aufgebaut hatte und wo sie all die Dinge aufbewahrt hatte, an die sie nicht denken konnte, wenn sie nicht zusammenbrechen wollte. All die Dinge stürzten auf sie ein. Sie zitterte, hatte keine Tränen für das, was sie fühlte. Zuviele waren deswegen schon geflossen. So konnte sie Brendan nur ansehen. Ein leichtes Nicken, mehr brachte sie nicht zustande.

[Therapistin]

Brendan Steward
Ort: Karas Zimmer
Zeit: 20:35 Uhr
Datum: Fr., 03.10.

Sie war fort. Die Mauer verschwunden, wenn auch möglicherweise nur für einen Augenblick, doch sie war fort, hatte einem Gefühl Platz gemacht, das er seit Jahren nicht mehr empfunden hatte. Und sie hatte Wut Platz gemacht. Seine Hände ballten sich zu Fäusten, die auf seinen Knien unkontrolliert zitterten. Doch sein Blick wurde sanft, unendlich sanft, wie schon seit drei Jahren nicht mehr, sprach von dem, was er einst für Kara empfunden hatte, was er noch immer für sie fühlte, wenn auch tief und unterdrückt, die Gefühle waren noch immer da, würden niemals gehen, ihn immer begleiten, ob Kara nun da war oder nicht.
Und es war nicht nur Wut auf Ali, dass er ihr dies angetan hatte. Es war besonders die Wut auf sich selbst. Er war nicht da, hatte ihr nicht geholfen, hatte sich nicht um sie gekümmert, hatte diesen Dreckskerl an sie ran gelassen und sozusagen dabei zugesehen, ohne etwas dagegen zu tun.
Er senkte seinen Blick, sah dann wieder auf und blickte in Augen, die so viel hatten erleiden müssen, dass man es ihnen sofort ansah. "Ich hätte da sein müssen", murmelte er. "Ich hätte dich niemals gehen lassen dürfen."

[Tjeika]

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Kara Kharecha
Karas Zimmer
20:36 Uhr, Freitag, 03. Oktober
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"Brendan, nein, sag so etwas nicht", sprach Kara, ehe sie sich überhaupt bewusst wurde, dass sie etwas sagen würde.
Doch es war die Wahrheit, war genau das, was sie fühlte, was sie meinte, was sie dachte. Er konnte und durfte sich nicht schuldig fühlen. Er hatte dafür keine Verantwortung zu tragen. Die Schuld lag einzig und alleine bei Ali, das hatte Kara mittlerweile gelernt. Und vielleicht auch ein wenig bei ihrem Vater, der sie immerhin an Ali verkauft hatte. Und nichts anderes war ihre Zwangsehe letztlich gewesen.
"Du trägst daran keine Schuld", murmelte sie leise, aber entschieden und schüttelte den Kopf.
Und dann seufzte sie. Wenn sie schon einmal bei der Wahrheit war, dann wollte sie die ganze Wahrheit sagen. Letztlich sich selbst eingestehen, auch wenn sie es die letzten Wochen über nicht hatte sehen wollen. Es verdrängt hatte.
"Da ist noch etwas", flüsterte sie und schloss kurz die Augen.
"Ich bin schwanger!"

[Therapistin]

Brendan Steward
Ort: Karas Zimmer
Zeit: 20:37 Uhr
Datum: Fr., 03.10.

Hätte Brendan nicht schon gesessen, wären ihm nun wohl die Beine weg geknickt. Er sah Kara entgeistert an, wusste nicht, was er sagen sollte, was er denken sollte. Nicht nur, dass Ali sie gewaltsam zu etwas gezwungen hatte, das sie nicht wollte, sie war auch noch schwanger von ihm, ein Umstand, der irgendwie alles veränderte.
Seine Schuldgefühle wurden nach ihren Worten nur noch größer, schienen ein Loch in sein Inneres zu bohren, das größer und größer wurde und alle seine Gefühle einzufangen schien, um sie dann alle auf einmal wieder frei zu lassen.
Das würde Ali büßen, dafür würde Brendan schon irgendwie sorgen, ganz egal wie und wenn er selber nach Saudi-Arabien ging und diesen für diese Untaten bezahlen ließ. Sein Blick wurde wieder kühl, doch in seinen Augen war noch immer ein Glanz, den er schon lange nicht mehr gesehen hatte, seit dem Tag, an dem er Kara das letzte Mal gesehen hatte.
Doch nun blieb eine Frage offen. "Was nun?" Er merkte gar nicht, dass er diese Worte laut aussprach.

[Tjeika]

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Kara Kharecha
Karas Zimmer
20:38 Uhr, Freitag, 03. Oktober
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Kara war blass. Kaum, dass sie diese Worte ausgesprochen hatte, begriff sie erst so richtig, was sie bedeuteten. Verdrängung hatte wohl doch nicht nur gute Seiten, wie Kara mit einem Mal feststellte. Sie hatte sich mit der Frage, die Brendan nun laut ausgesprochen hatte, noch gar nicht auseinander gesetzt. Wann auch?
"Ich weiß es nicht", murmelte Kara und wandt ihren Blick von Brendan ab.
Sie konnte seine kühle Ausstrahlung nicht länger ertragen, brach es ihr doch jedes Mal aufs Neue das Herz. So stemmte sie ihre Ellenbogen auf ihre Beine, legte ihren Kopf in ihre Hände, strich sich verzweifelt die Haare aus dem Gesicht.
"Ich bin hier her gekommen, um neu anzufangen, habe angefangen zu studieren, war bei einem Anwalt, um Asyl zu beantragen und letztlich damit einhergehend auch die Scheidung. Ich habe angefangen zu studieren. Und jetzt... das. Das... wirft alles über den Haufen", sprach sie verzweifelt.
Sie wusste ja nicht einmal mehr, wo hinten und vorne war, so sehr verwirrte sie das alles.